Kommentar

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Proteste im Iran weiten sich aus

Der in Deutschland lebende iranische Aktivist Shoresh Karimi geht in einem Kommentar für "Rote Fahne News" auf Hintergründe der sich ausweitenden Proteste im Iran und verschärften Auseinandersetzungen mit dem Staatsapparat ein (Auszüge):

Von Shoresh Karimi

Die Reaktionen auf die Ermordung von Mahsa Amini in den Städten des Iran und in den sozialen Netzwerken ließen den persischen Hashtag #Mahsa_Amini zum globalen Trend werden. Er durchbrach die Grenze von 100 Millionen Tweets und Retweets. Ein Weltrekord in der Geschichte von Twitter. Ihre Ermordung wurde zum Ausgangspunkt für massenhafte Proteste gegen die Islamische Republik Iran. ...

Heftige Proteste entzünden sich in Mahsas Heimatstadt

Viele Kurdinnen und kurden, die seit langem gegen die Regierung kämpfen, waren voller Wut und Abscheu. Als die Menschen in Saqqez, der Heimatstadt von Mahsa, erfuhren, dass ihre Leiche am Samstag 17. September morgens dort ankommen würde, versammelten sie sich nachts. Zehntausende Menschen warteten auf Mahsas Leiche.


Die Einwohner der Stadt begannen auf dem Friedhof mit Parolen gegen die Islamische Republik Iran wie “Nieder, nieder, islamische Regierung”, “Frauen, Leben, Freiheit”, “Von Kurdistan bis Teheran – Diskriminierung gegen Frauen” und “Patriarchat und Kapitalismus sind die Ursache dieser Misere”. ...

Proteste weiten sich aus

In Sanandaj, der Hauptstadt der kurdischen Gebiete, gingen am Samstag, den 17. September Tausende im Protest gegen den Mord an Mahsa und zur Unterstützung der Demonstrationen in der Stadt Saqqez auf die Straße. Sie protestierten trotz der großen Präsenz von Polizeikräften. ...


Am nächsten Tag protestierten dann Studentinnen und Studenten der Teheraner Universität. Sie wiederholten die Parolen der Menschen in Kurdistan. Sie riefen laut: “Von Kurdistan bis Teheran – Diskriminierung gegen Frauen” und “Kurdistan, Kurdistan, Irans Auge und Licht”.

Vom Generalstreik in Kurdistan zur landesweiten Bewegung

“Komala”, die kurdische Organisation der Kommunistischen Partei des Iran, rief dann in Zusammenarbeit mit anderen Parteien Kurdistans für Montag, den 19. September zu einem landesweiten Generalstreik in allen Städten Kurdistans auf. ... Am selben Tag veranstalteten Studentinnen und Studenten großer Universitäten Protestkundgebungen in iranischen Städten. ...


Diese Proteste haben sich seit Dienstag, dem 20. September, weit verbreitet. Aktionen fanden in 85 Städten und 29 Provinzen des Landes statt – einschließlich großer Städte wie Teheran, Isfahan, Tabriz, Kermanshah, Ilam, Rasht, Urmia, Ahvaz und Hamadan.

 

In den meisten dieser Protestaktionen stehen Frauen an vorderster Front des Kampfes. Sie verbrennen ihren Hidjab, der im Iran ein Symbol für die Diskriminierung von Frauen ist. Sie stellen sich gegen die Unterdrücker des Regimes und feiern ihre Freiheit auf der Straße ohne Anwesenheit der Sittenpolizei. ...

 

Als Reaktion auf die Proteste tötete der Staatsapparat mehr als 50 Menschen, darunter vier Kinder. Auch das Internet und soziale Netzwerke wurden weitgehend gesperrt. Der Einsatz von Gewalt durch die Regierung im Umgang mit Demonstrantinnen und Demonstranten ist sehr umfassend. ...

 

Armut, weit verbreitete Korruption, Diskriminierung von Frauen und religiösen und nationalen Minderheiten, Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit von Millionen von Hochschulabsolventen, Kriegshetze in der Region, Klassenspaltung, Unterdrückung und Ineffizienz haben die Gesellschaft in eine revolutionäre Ära geführt. ... Doch es fehlt noch an Organisation.

Organisation und Führung notwendig

Da es im Iran keine Meinungs-, Parteien- und Organisationsfreiheit gibt, werden diese Proteste einfach offen geführt. Es gibt keine zentralisierte Führung. ... Trotz dieser Tatsache hat die Regierung in den letzten Tagen tausende von Aktivistinnen aus der Frauenbewegung, der Lehrerbewegung, der Arbeiterbewegung, der Umweltbewegung oder der Bewegung der Minderheiten festgenommen. Doch durch die breite Beteiligung der Bevölkerung hat die Repressionskraft des Regimes ihre Fokussierung verloren.


Aber neben einem starken Bewusstsein sind auch Organisation und Führung notwendig, um die Revolution zu vollenden. Linke, sozialistische und fortschrittliche Kräfte sind im Iran stark. Aufgrund der heftigen Unterdrückung der fortschrittlichen Kräfte durch die islamische Regierung und der mangelnden Freiheit der politischen Parteien ist diese Bewegung jedoch bedroht.

Der Westen ist kein Verbündeter

Eines der Risiken besteht darin, dass mit der Regierung verbundene Militärkräfte einen Putsch durchführen könnten, das Kriegsrecht verhängen und eine Weile an der Macht bleiben. ... Die Proteste haben aber das Potenzial, dass daraus eine linke und sozialistische Alternative entstehen kann – wenn dieser Prozess nicht von den Westmächten unterbrochen wird, wie bei der Revolution von 1979 im Iran. ... Die Westmächte übergaben in Zusammenarbeit mit den westlichen Spionagediensten Armee, Geheimpolizei, Radio und Fernsehen an die islamischen Kräfte und diese exekutierten und erschossen die linken, sozialistischen und fortschrittlichen Kräfte.


Aktuell fördert Amerika nun wiederum die monarchistischen Kräfte im Iran, indem es riesige Gelder ausgibt und große Radio- und Fernsehnachrichtenfirmen ausstattet. In den vergangenen Tagen hat der Sohn des ehemaligen Schahs von Iran ein Treffen mit Vertretern der Europäischen Union abgehalten, was viele linke und fortschrittliche Kräfte im Iran beunruhigt.


Deshalb ist für uns die Solidarität weltweit, insbesondere in Deutschland, sehr wichtig und entscheidend. Schließen Sie sich unseren Versammlungen, Medien und Kämpfen an, damit wir die Islamische Republik Iran durch soziale Revolution stürzen und eine Gesellschaft frei von Unterdrückung und Ausbeutung aufbauen können.