Haiti in Aufruhr

Haiti in Aufruhr

Eine weitere Welle aus Wut, Verzweiflung und Verachtung überrollt das Land

Am 11. September verkündete der selbsternannte Präsident Haitis, Ariel Henry, eine Verdoppelung der Benzinpreise. Eine weitere Welle aus Wut, Verzweiflung und Verachtung über die korrupte Regierung überflutet aufs neue das Land. Viele Menschen verbarrikadieren sich in ihren Stadtteilen, um sich vor Polizei, Militär und brutalen, kriminellen Banden mit ihren Entführungen und Vergewaltigungen zu schützen.

Von Anna Bartholomé

Immer wieder sammeln sich vor allem Jugendliche zu machtvollen Demonstrationen in den Stadtzentren. Sie fordern die sofortige Rücknahme der Preiserhöhung und den bedingungslosen Rücktritt der verhassten Regierung Henrys, der sich das Präsidentenamt nach der Ermordung seines Vorgängers Jouvenel Moise im Juli 2021 ohne Wahlen anmaßt.

 

Das größte Ölterminal wird blockiert – unklar ist, ob von kriminellen Banden – aber die Folge ist die, dass Krankenhäuser handlungsunfähig werden. Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung für eine ohnehin bitterarme Bevölkerung brechen zusammen. Eine Cholera-Seuche breitet sich aus. Das größte Lebensmittellager des Welternährungsprogramms in der Hauptstadt Port-aux-Prince wurde geplündert und angezündet.

 

Nicht etwa über die erbarmungslose Ausplünderung und Unterdrückung der Massen, sondern über diese Attacke auf das Lager herrscht nun bei den UN-Organisationen, amerikanischen und kanadischen Regierungen helle Empörung. Da wird über „kriminelle Akte“ gezetert und die „Unregierbarkeit“ des Landes wird „bedauert“ - als würden hier vor allem unmündige Kinder leben.

 

Am 5. Oktober forderte Ariel Henry von der UNO den Einsatz bewaffneter Einheiten aus den Nachbarländern, um „Ruhe und Ordnung wiederherzustellen“. Die kanadische und die US-Regierung wollen Mittel zur Ausbildung der Polizei aufstocken. Der UN-Generalsekretär Antonio Guterrez schließt sich an und will ebenfalls Truppen zur „Befriedung“ in das Land schicken.

 

Genau das aber, wollen die Massen nicht. Knapp 50 demokratische Organisationen, Gruppierungen und Einzelpersönlichkeiten haben solche Pläne in einem Offenen Brief entschieden verurteilt. Die Polizei geht nicht etwa gegen kriminelle Banden vor. Noch weiter aufgerüstet würde sie erst recht der sogenannten „Aufstandsbekämpfung“ dienen, also der Unterdrückung der berechtigten Rebellion. Der besonders berüchtigte Chef des brutalsten Clans, der jetzt für die Blockade des Teibstoffzentrums genannt wird, ist ein ehemaliger Polizist. Mit UN-Truppen haben die Haitianer miserable Erfahrungen macht. Die UN-Blauhelm-Truppe „Minustah“, die nach dem Putsch gegen den fortschrittlichen Premier Aristide im Jahr 2004 aufmarschierte, führte sich als verhasste Besatzer auf und ihre nepalesischen Einheiten schleppten die Cholera ins Land.

 

In dem Offenen Brief wird jede ausländische Einmischung abgelehnt und die Kriminalisierung des Kampfs für ein „souveränes, gerechtes und lebenswertes Haiti“ wird verurteilt.

 

In dieser - seit Jahren bestehenden und nun eskalierenden - politischen und sozialen Krise hält die NPCH (ML) (Neue Kommunistische Partei Haitis - ML) am systematischen Parteiaufbau fest und betreibt eine bewusstseinsbildende Arbeit - besonders unter der Jugend. Sie muss angesichts der massiven Repression illegal arbeiten. Wir haben sie um eine Stellungnahme zur jüngsten Entwicklung gebeten.