Grünen-Parteitag
"Pragmatische Politik für die Realität" = Politik für die Vorreiterrolle des BRD-Imperialismus
Am Donnerstag, kurz vor Beginn des Parteitags der Grünen, ließ das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium verlautbaren, man wolle Waffenlieferungen künftig restriktiver handhaben.
Das Wörtchen "keine" ist dehnbar (bei Waffenexporten nach Saudi-Arabien)
Es solle künftig vor der Genehmigung sorgfältiger geprüft werden, wie es im Empfängerland von Waffenexporten aus Deutschland um "Menschenrechte, Demokratie und Rechtstaatlichkeit" bestellt sei. So das Eckpunktepapier des Ministeriums für das im Koalitionsvertrag angekündigte Rüstungsexportkontrollgesetz. Es hat ein eigenartiges Verständnis von Restriktion. Das bedeutet ja eigentlich Einschränkung. Aber zuerst einmal geht es um das Gegenteil. Es solle der "Kreis der der NATO gleichgestellten Länder – die im Gegensatz zu Drittstaaten privilegiert beliefert werden" um etliche Länder erweitert werden. Genannt werden Südkorea, Singapur, Chile und Uruguay - Horte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Das Eckpunktepapier erschien pünktlich zum Parteitag der Grünen, der unter anderem darüber zu beschließen hatte, ob die Grünen künftig "Ja" sagen würden zu Waffenexporten an Saudi-Arabien.Tun sie nicht, so der Parteitagsbeschluss. Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien seien abzulehnen, denn die dortige Regierung begehe nachweislich massive Menschenrechtsverletzungen und sei Kriegspartei im Jemenkrieg. Die Genehmigung der Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit Italien, Spanien und Großbritannien müsse jedoch nicht widerrufen werden. Viele Mitglieder der Grünen wollen gar keine Rüstungsexporte in Länder wie Saudi-Arabien - ein diesbezüglicher Änderungsantrag fand keine Mehrheit. Annalena Baerbock sagte: "Es gibt keine Waffenlieferungen direkt nach Saudi-Arabien, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden." Als ob es irgendetwas an der Verfügung der saudischen Regierung über die Waffen aus Deutschland ändern würde, wenn sie über Umwege und Drittländer dort ankommen. Waffenlieferungen an Befreiungsbewegungen, die gerechte Kriege führen, werden natürlich auch künftig strikt ausgeschlossen. Deutsche Waffen gehen natürlich an imperialistische und neuimperialistische Bündnispartner. Der BRD-Imperialismus beansprucht auch bei Waffenexporten die Führungsrolle in Europa. Diese Position unterstützt der Grünen-Parteitag.
Den Krieg "kann man nicht mit Sonnernblumen gewinnen"
Ein wahres Wort, das aber bezüglich der Regierung der Ukraine voraussetzt, dass man einen ungerechten Krieg gewinnen will. Diese Position, die komplett mit der NATO-Strategie übereinstimmt, wurde durch den Parteitag weiter erhärtet. Vorbei die Zeiten, als auch Teile der Grünen-Führung noch davon sprachen, man wolle alles tun, um den Ukraine-Krieg so schnell wie möglich beenden. Das Votum für weitere Waffenlieferungen, schwere Waffen wohlgemerkt, war von einer schier überbordenden Kriegsbegeisterung begleitet, die man moralisch rechtfertigte. Dass der Opportunismus in Kriegs- und Krisenzeiten in den Sozialchauvinismus übergeht, lehrt alle Erfahrung. Aber das rasante Tempo, mit dem die Grünen, die in der Umwelt- und Friedensbewegung wurzelten, diese Positionen ausbauen, lässt manche Kritiker verwundert die Augen reiben. Im Parteitagsbeschluss heißt es, der russische Angriffskrieg führe vor Augen, wie "existenziell eine ausreichende zivile und militärische Wehrhaftigkeit sei. Deshalb liefern wir Waffen an die Ukraine und wollen das auch weiterhin verstärkt tun, wo nötig auch aus den Beständen der Bundeswehr und der Industrie." Zusätzlich angefeuert wurde der Parteitag durch eine Gastrede der strammen Antikommunistin Irina Scherbakowa, Mitbegründerin der Organisation Memorial, der kürzlich der Friedensnobelpreis verliehen worden war. Von einer Prüfung im Sinne des oben genannten Eckpunktepapiers, wie es mit den Menschenrechten und der Rechtstaatlichkeit in der Ukraine bestellt ist, war nicht die Rede. Zu Recht wird die Mobilmachung in Russland kritisiert. Jedoch gab es in der Ukraine seit Kriegsbeginn eine Generalmobilmachung. Kriegsgegner sind in der Ukraine massiven Repressalien ausgesetzt. Eine pazifistische ukrainische Organisation berichtet: "Zwar sind die ukrainischen Männer, die nicht kämpfen wollen, in der Unterzahl, doch sie gewinnen zunehmend an Präsenz. ... In einer Online-Petiiton heißt es: 'Der Staat und die Gesellschaft müssen dem Despotismus und Rechtsnihilismus der Streitkräfte der Ukraine ein Ende bereiten, der sich in der Politik der Schikanen und strafrechtlichen Sanktionen für die Weigerung der Teilnahme an Feindseligkeiten und der gewaltsamen Umwandlung von Zivilisten in Soldaten manifestiert.'"
Zwei AKWs sollen weiterlaufen, neue Brennstäbe nicht angeschafft werden
Bereits am Freitagabend stimmten die Parteitagsdelegierten mit klarer Mehrheit einem Antrag zu, laut dem die Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis zum 15. April in Reserve gehalten werden sollen. Das dritte noch verbleibende AKW Emsland hingegen soll zum 1. Januar 2023 abgeschaltet werden. Damit weichen die Grünen erstmals von ihrer bereits zur Gründung vor 42 Jahren festgelegten grundsätzlichen Ablehnung der Atomkraft ab. Die Beschaffung neuer Brennstäbe für AKW lehnten die Delegierten ab. Ein Antrag, der ein Aus für alle deutschen Atomkraftwerke gefordert hatte, scheiterte. Konkret heißt es in dem beschlossenen Antrag: "Für den äußersten Notfall, so unwahrscheinlich er auch sein mag, wollen wir vorsorgen und auf alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für die Netzstabilisierung zurückgreifen können. Deswegen stimmen wir zu, eine konditionierte, zeitlich begrenzte und von der Atomaufsicht der Länder strikt überwachte und von der Bundesaufsicht begleitete AKW-Einsatzreserve zu schaffen." Die Grünen wären nicht die Grünen, wenn das nicht ein Schlupfloch dafür wäre, evtl. doch noch auf die Forderung der FDP einzuschwenken, die drei bestehenden Atomkraftwerke bis 2025 weiterlaufen zu lassen. Tatsächlich sind die Atomkraftwerke für die Stromversorgung völlig überflüssig, nicht jedoch für den Bau von Atomwaffen.
Weltanschaulicher Offenbarungseid: Grüne "Politik für die Realität"
Parteivorsitzende Ricarda Lange gab schon am Freitag als Leitlinie aus, die Grünen seien keine Partei der Illusionisten: "Wir machen Politik für die Realität, die da ist." Damit wird selbstverständlich vorausgesetzt, "Politik für die Realität, die da ist", müsse so sein wie die Politik der Grünen: Umweltpolitischer Rollback, offener Militarismus und Sozialchauvinismus, Stärkung der Vorreiterrolle des BRD-Imperialismus bei der Kriegstreiberei. Für den Neopragmatismus, der weltanschaulichen Grundlage dieser Politik, gilt das alleinige Kriterium der "unmittelbaren Nützlichkeit", und zwar der Nützlichkeit für das Kapital.
Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus
268 Seiten, 17,50 €
Aktiver Widerstand gegen Weltkriegsvorbereitung und Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschheit, aktiver Widerstand mit der Perspektive der revoulutionären Überwindung des Imperialismus durch die internationale sozialistische Revolution! Das ist fortschrittliche, proletarische "Politik für die Realität, die da ist!"