Grubengasexplosion in Amasra

Grubengasexplosion in Amasra

„Schicksal“ oder „arbeitsbedingter Mord“?

Als „Schicksal“ (...) „egal was man tut“ versucht Präsident Erdogan die schwere Methangasexplosion in der Türkei in ein unvermeidbares Unglück zu verkehren. Genau das ist es aber nicht, weiß ich aus eigener Erfahrung als Elektriker in der Wetterabteilung auf Niederberg.

Von kw
„Schicksal“ oder „arbeitsbedingter Mord“?
Erinnerungen werden wach: Beim Grubenunglück von Soma / Türkei kamen vor Jahren ebenfalls viele Kumpel ums Leben. Die Betroffenen protestieren bis heute (foto: privat)

Ich habe selbst eine Methangasverpuffung miterlebt. Es war „Schicksal“, dass in unserer Streckenauffahrung eine Gasblase vom Schneidkopf angebohrt und durch Funken entzündet wurde. Die Verpuffung verbrannte über unseren Köpfen die Isolierung der Kabel. Aber mehr passierte nicht, weil die Strecken nicht mehr mit Holz sondern mit Stahlbögen ausgebaut sind. Und weil alle Strecken frei von Stein- und Kohlestaub gehalten werden, so dass keine nachfolgende Explosion entstehen kann. Wassertrogsperren verhindern zusätzlich in besonders gefährdeten Strecken eine Ausbreitung eventueller Explosionen (Druckwellen gehen den Flammen voraus).

 

Beim direkten Kohleabbau wird im Streb grundsätzlich (und nicht „schicksalhaft“) Methangas in unterschiedlicher Konzentration freigesetzt. Dies muss kontrolliert erfolgen, was bei Einhaltung aller Sicherheitsregeln möglich ist. Methangas ist bei einem Anteil von 5% bis 14% in den Grubenwettern (so wird die Luft in den Gruben genannt) hoch entzündlich. In Versuchen wurde es auch schon bei 2% gezündet. Durch Methangasabsaugung oder die Zuführung von frischen Wettern wird der Methangasanteil im laufenden Betrieb entsprechend verdünnt.

 

In hiesigen Bergwerken erfolgt bereits bei 0,8% Anteil eine Warnung in der zentralen Warte. Bei 1% werden die elektrischen Anlagen zwangsweise abgeschaltet. Die Überwachung erfolgt über stationäre Messköpfe an den Strebausgängen. Die Steiger kontrollieren mit Handmessgeräten und tragen die Messwerte auf den Wettertafeln ein. Damit sind die Kumpel technisch gut geschützt. Sie sind allerdings nicht geschützt vor der rücksichtslosen Ausbeutung und Profitmacherei um jeden Preis.

 

So informierten mich eines Tages die Kumpel eines Kohlereviers, dass auf der Mittagsschicht trotz hohem Methangasausstoß die Förderung nicht reduziert oder gestoppt wurde. Sie fürchteten zu Recht um ihr Leben. Bei einer Kontrolle stellte ich fest, dass der Steiger den Messkopf immer bei Schichtbeginn vor eine Frischluftdüse hängte, sodass die Warte normale Anzeigen hatte. Und bei Gegenkontrollen zeigten die Handmessgeräte einzelner Steiger geringere Werte. Sie hatten sich diese vom Lampenwärter herunterjustieren lassen. Die Betriebszeitung „Spitze Hacke“ deckte alles auf und organisierte so die verstärkte Wachsamkeit und Kontrolle durch die Kumpel.

 

Die besondere Methangasgefährdung im staatlichen Bergwerk Amasra war spätestens 2019 in einem Untersuchungsbericht nachgewiesen. Der Tod der 41 Kumpel war also weder „Schicksal“, noch „Unglück“, sondern systembedingter „Mord“, so die sozialdemokratische CHP!