EU uneins

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Wachsende Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland

Die für kommenden Mittwoch im französischen Fontainebleau geplanten deutsch-französischen Regierungskonsultationen werden verschoben. Hintergrund seien logistische Probleme; vier deutsche Minister seien verhindert. Das Treffen soll im Januar nachgeholt werden.

Von fu / gis
Wachsende Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland
Imperialistisches Zweckbündnis EU heillos zerstritten

Einheit und Solidarität haben sich durchgesetzt, so EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter. Auch Olaf Scholz sagte, der EU-Gipfel habe "die Grundlage gelegt für gemeinsames Handeln". Tatsächlich wurden keine Beschlüsse gefasst, weil man sich nicht einigen konnte. Lediglich Vorschläge wurden gesammelt. Dazu gehört ein durch  EU-Schulden finanzierter "Fonds zur Bewältigung der Energiekrise".

 

15 Mitgliedsstaaten hatten Ende September einen EU-weiten Gaspreisdeckel gefordert, der einen Maximalpreis für Gas festlegen sollte. Dagegen hatte sich vor allem Deutschland positioniert. Den Grund nannte der Ökonom Georg Zachmann gegenüber der dpa offen: „Für Deutschland wäre das sicher ein großes Problem, wenn man nicht mehr höher als andere Mitgliedsstaten bieten könnte, um benötigtes Gas nach Deutschland zu bekommen.“

 

Darum geht es: Deutschland hat bei Gas-Einkäufen seine Konkurrenten - einschließlich anderer Staaten der EU-„Solidargemeinschaft“ - einfach überboten und war damit ein wesentlicher Motor des Gaspreisanstiegs. Darauf wollen die deutschen Imperialisten nicht verzichten und geißeln einen Gaspreisdeckel als drastischen Eingriff in den angeblichen freien Markt, der durch künstlich gedrückte Preise die (d.h. ihre) Versorgungssicherheit gefährden würde. Heuchlerisch warnen deutsche Regierungsvertreter, es könne dazu führen, dass Gas an andere Länder und nicht mehr in die EU gehen könnte.

 

Im jetzt auf dem EU-Gipfel verkündeten Kompromiss wurde Deutschland nicht überstimmt. Scholz und die anderen Gegner eines Gaspreisdeckels, zu denen etwa die Niederlande, Österreich und Dänemark gehören, konnten durchsetzen, dass an die Einführung des Preisdeckels auf Gas eine Reihe von Bedingungen geknüpft wird, allen voran, dass "die Gasversorgung sichergestellt bleibt". Unternehmen in den EU-Staaten könnten allenfalls durch gemeinsame Einkäufe in den Verhandlungen mit anderen Ländern versuchen, die Preise zu drücken. Den Endverbrauchern nützt nichts davon; es geht bei dieser Diskussion nicht einmal ansatzweise um sie.

 

Weiterer großer Streitpunkt ist die massive Subventionierung der in Deutschland ansässigen Übermonopole durch die deutsche Regierung, jetzt neu durch das 200-Milliarden-Paket, wourch der BRD-Imperialismus im zwischenimperialistischen Konkurrenzkampf gegenüber den anderen großen EU-Staaten die Nase vorn hat. Insbesondere in Bezug auf Aufrüstung und Rüstungsimporte und -exporte verschärfen sich die Widersprüche ebenfalls. Deutschland hat die Führung bei der Übereinkunft von 15 NATO-Ländern zum Aufbau eines Raketenschutzschildes. Frankreich will sich daran nicht beteiligen. Ein Hintergrund ist, dass die französische Rüsstungsindustrie dabei nicht ausreichend zum Zug komme. Eine Kritik von Frankreich an Scholz ist auch, dass Deutschland Waffen in den USA statt in Frankreich kauft. Der französische Finanzminister beurteilt die deutsch-französischen Widersprüche als so schwer, dass ein "Reset", ein Neustart der Beziehungen, erforderlich sei. So zeigt sich in der offenen Krise des imperialistischen Weltsystems, dass mühsam formulierte Verträge und Abkommen das Papier nicht mehr wert sind, auf dem sie stehen und es im Gebälk von bedeutenden internationalen Organisationen wie der EU gewaltig knirscht.

 

Bei ihren China-Beziehungen fährt die EU zweigleisig. Man wolle weder naiv sein, noch in eine Logik der systematischen Konfrontation kommen, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel nach dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Die EU müsse ihre eigene Strategie im Umgang mit China entwickeln. Der Austausch über Klimafragen dürfte den imperialistischen Strategen weit weniger am Herzen liegen als handfeste wirtschaftliche Interessen. So will der Bundeskanzler es keineswegs verhindern, dass sich das staatliche chinesische Monopol Cosco im Hamburger Hafen betätigt, auch wenn Annalena Baerbock und Marie-Agnes Strack-Zimmermann Entsetzensschreie ausstoßen.

 

Im Unterschied zu den wachsenden Spannungen zwischen den Imperialisten Frankreich und Deutschland ist unter den Arbeitern und den ICOR-Parteien Frankreichs und Deutschland die Einheit und der Zusammenhalt in der letzten Woche beim Streiktag in Paris einen weiteren Schritt vorangekommen.