Gera
Gewerkschaftlich initiierter Protest gegen Krisen- und Kriegspolitik und faschistoide „Montagsspaziergänge“
Über 100 Menschen nahmen am 27. Oktober an einer Kundgebung im Geraer Stadtzentrum teil unter dem Motto „Nicht mit uns – Genug ist genug“. Die Initiative ging von Mitgliedern und Funktionären der IG Metall und der Gewerkschaft ver.di aus. Mitglieder der MLPD haben dies von Beginn an aktiv unterstützt und gefördert. Ein Beispiel, das Schule machen sollte!
In der Einladung zu der Kundgebung hieß es u.a.: „Es wird Gelegenheit geben, sich über die Ängste, Sorgen und Nöte angesichts der Energiekrise, des Krieges und der sozialen Unsicherheit auszutauschen …(Wir wollen) Aufklärung und einen Gegenpol zu den Querdenkern und Montagsspaziergängen.“ Gera ist in Thüringen ein Zentrum des Einflusses der AfD und der von faschistoiden und faschistischen Kräften organisierten wöchentlichen „Montagsspaziergänge“. Es ist Ausdruck einer gefährlichen Rechtsentwicklung, dass an einer Demonstration am 3. Oktober, zu der diese Kräfte überregional mobilisiert hatten, in Gera 10 000 Menschen teilgenommen hatten.
Betont wurde auf der gewerkschaftlichen Kundgebung jedoch auch, dass man nicht alle Teilnehmer an diesen „Montagsspaziergängen“ über einen Kamm scheren kann. Von der IG Metall war auch in einzelnen Betrieben zu der Kundgebung eingeladen worden. Die Begrüßung erfolgte dann auch durch einen Sekretär der IG Metall. Durch Veröffentlichung einer Pressemitteilung des Geraer DGB-Kreisvorsitzenden in der Ostthüringer Zeitung kamen auch eine Reihe Rentner, aber auch einige Jugendliche. Man merkte schnell, dass viele Teilnehmer regelrecht froh waren über diese Initiative. Die Linkspartei, welche sich in einer offenen Krise befindet, war dazu bisher nicht in der Lage gewesen.
Unübersehbar ein Plakat zur laufenden Metalltarifrunde „Voller Einsatz der Kampfkraft für 8% bei 12 Monaten Laufzeit! Nein zu 'Gedankenspielen' für oberfaulen Kompromiss!“ Ein kurzer Einleitungsbeitrag eines früheren ver.di-Betriebsrats legte den Schwerpunkt auf die Inflation und Preisexplosion, äußerte sich jedoch nicht zum Zusammenhang dieser Entwicklung mit der Gefahr der Eskalation des Ukrainekrieges zu einem Weltkrieg. Im Unterschied dazu waren auf der letzten regionalen Delegiertenkonferenz der IG Metall zwei Erklärungen beschlossen worden, die sich eindeutig für die Solidarität mit ukrainischen Gewerkschaften und gegen die Kriegsbeteiligung Deutschlands durch die Lieferung schwerer Waffen aussprachen.
Zahlreiche Teilnehmer äußerten zum Teil heftig, welche Sorgen ihnen die Explosion der Lebensmittelpreise und die sprunghaft steigenden Energiekosten machen. Das Internationalistische Bündnis trat mit Plakaten „Gemeinsam gegen die Abwälzung der Krisen- und Kriegslasten auf die Bevölkerung!“ und „Stopp den Waffenlieferungen“ auf. Durch verschiedene Beiträge und Äußerungen von Teilnehmern wurde schnell klar, dass es keine Trennung zwischen dem Protest gegen die Abwälzung der Krisenlasten und die Kriegspolitik der Ampelkoalition geben darf. Einige Teilnehmer äußerten auch ihre Sorge über die gewachsene Massenbasis faschistoider und faschistischer Kräfte. Die AfD stellt in Gera u.a.seit einiger Zeit den Stadtratsvorsitzenden.
Einzelne Beiträge und Äußerungen brachten eine unter den Teilnehmern gewachsene Kapitalismuskritik und die Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative zum Ausdruck. So wurden auch unterschiedliche Meinungen geäußert, ob es in Deutschland eine wirkliche Demokratie oder eine Alleinherrschaft des Finanzkapitals gibt. Aufmerksam gelesen wurden die Flugblätter der MLPD mit der Erklärung „Atomkrieg droht – Verstärkt den Protest – aber fortschrittlich und antifaschistisch“. Einzelne äußerten sich anerkennend zu den dort gemachten klaren Aussagen.
Es wurden jedoch auch einzelne rückschrittliche Meinungen zur wachsenden Zahl ukrainischer Flüchtlinge geäußert. Eindeutig bestimmend war jedoch der fortschrittliche Protest gegen die Krisen- und Kriegspolitik der Ampelkoalition und die Abgrenzung zu den rechten „Montagsspaziergängen“. Bei einer anschließenden Abstimmung darüber, ob diese Kundgebung eine einmalige Aktion bleiben soll oder der Auftakt für weitere gemeinsame Protestaktivitäten, sprachen sich die Anwesenden einhellig für Letzteres aus.
Die nächste Kundgebung zur Sammlung von Kräften wird in zwei Wochen stattfinden. Es wurde dazu aufgerufen, beim nächsten Mal Kollegen und Kolleginnen, Nachbarn, Sport- und Gartenfreunde mitzubringen. Auch einige Jugendliche sagten zu, dass sie beim nächsten Mal wieder dabei sind. Am Schluss wurde noch zur Mitwirkung an einem Vorbereitungskreis aufgerufen,der einen offenen Charakter haben soll. Das ist auch eine Kritik und Absage an antikommunistische Ausgrenzungen und Unterdrückungsversuche, wie sie in der Vergangenheit von einigen Funktionären der Linkspartei praktiziert wurden.
Es ist sehr zu begrüßen, dass sich in dieser komplizierten und schwierigen Situation auch in Gera ein fortschrittlicher Protest gegen die Krisen- und Kriegspolitik der Ampel-Koalition zu formieren beginnt, der sich klar von den rechten „Montagsspaziergängen“ abgrenzt. Dies zu festigen und zu erweitern erfordert weiterhin Geduld und eine bewusstseinsbildende Kleinarbeit.