Tarifrunde
Kämpferische Warnstreiks gestern und heute - "Tarif 2"-Flugblatt der MLPD fordert zu Diskussionen heraus
In den letzten Tagen und heute fanden in zahlreichen Betrieben der Metall- und Elektro-Industrie kämpferische gewerkschaftliche Warnstreiks statt, zu denen die IG Metall im Vorfeld der 5. Verhandlungsrunde, die am Donnerstag stattfindet, aufgerufen hat
Warnstreiks fanden in Stuttgart statt, bei Audi in Ingolstadt, bei BMW in Leipzig und München, im oberbayerischen Weilheim, in Salzgitter mit Kollegen von MAN, Alstom, Bosch und Delegationen von VW Salzgitter und Salzgitter Stahl, in Schweinfurt, in Kassel und weiteren Städten und Betrieben. Inzwischen sind es nach Auskunft der IG Metall 800.000 Kolleginnen und Kollegen, die sich an den Warnstreiks, Kundgebungen und Demonstrationen beteiligt haben.
Am Wochenende hat die MLPD das Flugblatt Tarif 2 "Urabstimmung und Vollstreik jetzt!" veröffentlicht, das gleichzeitig die auf Karl Marx zurückgehende Losung "Nieder mit dem Lohnsystem!" propagiert. Gut, so das Flugblatt, dass die IG Metall nun ankündigt, dass weitere Eskalationsstufen anstehen: 24-Stunden-Warnstreiks, Urabstimmungen über unbefristete Streiks. Das steht angesichts des provokativen Verhaltens der Metall-Kapitalistenflächendeckend und sofort an! Das entspricht auch der Stimmung in einer entscheidenden Mehrheit der Arbeiter in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie. Eine Stimmung, in der es auch in der Luft liegt, den Blick über den Tellerand des Kapitalismus hinaus zu lenken: Die Arbeiter können sich nicht damit zufrieden geben, nur die schlimmsten Angriffe abzuwehren. Sie müssen in die Offensive kommen hin zum Kampf gegen die Ursachen der Probleme, die in den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus und des Imperialismus liegen. Das Flugblatt wurde breit verteilt; "Urabstimmung und Vollstreik jetzt" und "Nieder mit dem Lohnsystem!" machten die Runde. Korrespondentinnen und Korrespondenten berichten:
Leipzig
Gestern wurde in der Spätschicht von 1500 Kollegen bei BMW Leipzig für 1,5 Stunden ein Warnstreik für die volle Durchsetzung der 8%-Forderung durchgeführt. Geschlossen und kämpferisch marschierten sie zur Kundgebung der IG Metall vor das Werk. Applaus gab es vor allem, wenn das unverschämte "Angebot" von Gesamtmetall angeprangert und die vollen 8% eingefordert wurden. Auch zur Bereitschaft für einen 24-Stunden-Warnstreik. Großer Beifall auch zur Solidarität mit dem Arbeitskampf der Kollegen bei Riesa. Zu Beginn der Schicht erhielten die Kollegen den Aufruf der IG Metall und gleichzeitig auch von den Verteilern der MLPD das Flugblatt Tarif 2. Das wurde gerne genommen. Dass die Urabstimmung eingeleitet und ein Vollstreik richtig ist, dafür gab es meist Zustimmung. Dass wir die gesamte Ausbeutung ins Visier nehmen müssen, das machte oft nachdenklich. Einige "Oh - Karl Marx" mit einem zustimmenden Grinsen. Einige weitere Flugblätter wurden bei der Kundgebung verteilt und einige Exemplare des Rote Fahne Magazins wechselten den Besitzer.
Kassel
3000 Kolleginnen und Kollegen aus 18 Betrieben in und um Kassel versammelten sich heute, um für die volle Durchsetzung der 8 % einzutreten. Das Flugblatt der MLPD "Urabstimmung und Vollstreik jetzt!" traf die Stimmung der Kollegen auf den Punkt. Ein Großteil war der Meinung, dass Warnstreiks ganz gut sind, aber bei weitem nicht ausreichen, um die 8 % vollständig durchzusetzen. Mit den älteren Kollegen waren wir uns einig, dass die jungen jetzt lernen können, so zu streiken, wie wir in den 1980er Jahren für die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und dass die alten Kollegen ihre Erfahrung dazu weitergeben können und müssen. Gerade einige Kollegen, die die Restauration des Kapitalismus in der DDR oder Polen erlebt hatten, wollten anfangs kein Flugblatt mit Karl Marx auf dem Titel. Die Frage, ob Karl Marx mit seiner Forderung "Nieder mit dem Lohnsystem" nicht genau Recht hat, dass es im Kapitalismus keinen gerechten Lohn gibt und dass wir darum den Kapitalismus revolutionär überwinden müssen, brachte einige zum Nachdenken und dazu, das Flugblatt zu lesen. Mehrere Redner orientierten auf die Tarifverhandlungen und auf die Hoffnung, dass die Kapitalisten sich jetzt bewegen, wo laut IG-Metall-Führung mit heute 800.000 Kollegen bisher auf der Straße waren. Den Abschluss bildetet ein kämpferischer Vertrauensmann von Rheinmetall, der berichtete, dass Meister und Teamleiter gedroht hatten, dass alle, die um 12 Uhr nicht an ihrem Arbeitsplatz stehen "morgen nicht mehr zu kommen brauchen". Er forderte, dass die Antwort sein muss, jetzt den 24-Stunden-Warnstreik durchzuführen und noch viel mehr Kolleginnen und Kollegen herauszufordern, sich am Streik zu beteiligen. Mit großem Applaus auf seine Rede endete der Warnstreik.
Schweinfurt
„Nieder mit dem Lohnsystem“ brachte spannende Diskussionen! Schweinfurt war neben Marktheidenfeld wieder ein regionaler Schwerpunkt der Warnstreiks zur Metalltarifrunde in Unterfranken. Ab 9 Uhr wurde die Arbeit abgebrochen und nach der Kundgebung um 11:30 ging die Masse der Kollegen heim. Über 4.000 Kolleginnen und Kollegen aus den drei Großbetrieben und weitere Beschäftigte liefen in verschiedenen Sternmärschen zur beeindruckenden Kundgebung. Viele, gerade jüngere waren überrascht, „wie viele Arbeiter es gibt“. Dass es 8% braucht, darüber war man sich schnell einig, ob wir das durchsetzen können schon nicht mehr ganz. Das Vertrauen in die eigene Kraft ist eine Kernfrage. Das Tarif aktuell Nr. 2 traf da genau ins Schwarze. Richtig war, dass wir den Gedanken eines europaweiten Streiktags am 2. Dezember in die Auseinandersetzung trugen. Das muss auch in den Betrieben selbst weiter zum Thema gemacht und Überzeugungsarbeit geleistet werden. Viele Kollegen zeigten sich enttäuscht von den aktuellen Politikern, die „alle nichts für uns machen“. Wichtig war auch der Punkt, ob es bei uns noch Ausbeutung gibt. „Die könnten uns doch 8% geben und alles wäre gut“, meinte einer. Ein anderer brachte die Umweltfrage in die Diskussion, obwohl die Tarifrunde jetzt das wichtigste sei. Die vielfältigen Auseinandersetzungen mit uns zeigten, wie solche Warnstreiks auf die Diskussion Einfluss nehmen und dass das Selbstbewusstsein entwickelt werden kann.
Stuttgart
Mindestens 4.000 Kolleginnen und Kollegen von Porsche gingen heute um 12 Uhr in den Warnstreik. Sie haben unmissverständlich bei der Kundgebung vorm Tor deutlich gemacht, dass sie bereit sind, für die volle Durchsetzung der 8%-Forderung in den Streik zu gehen. Auf viel Beifall traf auch die Aussage des Zuffenhäuser Betriebsratsvorsitzenden. Wir wollen 8% Tariferhöhung. Eine Sonderzahlung von 3.000, wie sie die Arbeitgeberseite anbietet, die bekommen wir auch so noch! Nach einer kurzen Kundgebung gingen die Kolleginnen und Kollegen der Frühschicht in den Feierabend.
Rems-Murr-Kreis
Warnstreiks bei Bosch, Stihl, Syntegon, Rems, Ritter. Gut 400 Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie im Rems-Murr-Kreis folgten heute dem Aufruf der IG Metall. Mit einer Demo vom Stihl-Werk 6 zum Waiblinger Rathaus demonstrierten sie lautstark für die geforderten 8%. Vor dem Gebäude von Südwestmetall wurde eine kurze Pause eingelegt: "Zähne zeigen!" war das Motto der Vertrauensleute des Motorsägen-Herstellers Stihl. Für Kolleginnen und Kollegen war klar, dass 8% angesichts der Inflation nicht ausreichen, umsomehr stehen sie voll dahinter, diese Forderung durchzusetzen. In Kurzreden aus mehreren Betrieben wurde Streikbereitschaft gemeldet. Matthias Fuchs (Geschäftsführer der IG Metall Ludwigsburg und Waiblingen) verkündete, dies sei der letzte Warnstreik. Die Vorbereitungen für eine Urabstimmung seien getroffen.