Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus

Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus

Studiengruppe mitten in der Tarifrunde

In Heilbronn treffen wir uns alle zwei Wochen für 1,5 Stunden, um das Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus“ gemeinsam zu erarbeiten. Der Einladungs-Flyer hatte diesmal den Titel: „Der Tarifkampf und die Krise des Reformismus“.

Korrespondenz aus Heilbronn

Einige Genossen hatten morgens das MLPD-Flugblatt "Urabstimmung und Vollstreik jetzt - Nieder mit dem Lohnsystem" am Betriebstor verteilt und berichteten vom Stolz junger Arbeiter, die zum ersten Mal streiken und wahrnehmen, „wie stark wir eigentlich sind“.

 

Unsere Studiengruppe besteht aus Arbeitern und Angestellten vom Azubi-Alter bis zu rüstigen Rentnern. (Daher wird sie in unserem Kreisverband mit Augenzwinkern auch die „Mehrgenerationengruppe“ genannt). Diesen Trumpf haben wir in der Diskussion bewusst eingesetzt: So haben unsere ältesten Teilnehmer am Beginn ihrer langjährigen Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit noch die „Blütezeit des Reformismus“ miterlebt und einige „Gallionsfiguren“ der rechten Gewerkschaftsführung in Nordwürttemberg / Nordbaden persönlich kennengelernt. Diese Erfahrungen bringen sie in die Studiengruppe ein.

 

Nach dem Eingangsbeitrag, der die Thesen des Kapitels zusammenfasste, klärten wir zunächst das Wesen des Reformismus. Die Diskussion entfaltete sich u.a. an der Frage, ob die Grünen eine Variante des Reformismus darstellen, wie das Buch es darlegt. Einige Beiträge gingen darauf ein, dass die Grünen unter Arbeitern „weniger beliebt“ sind. Die Lebenslüge der Vereinbarkeit von Ökologie mit der kapitalistischen Ökonomie ist aber weltanschaulich eine Zwillingsschwester der Lebenslüge vom Sozialstaat. Bei jedem Kampf um Reformen findet ein Kampf um die Denkweise statt, ob man ihn nur um der Reform selbst willen, im Rahmen dieses Systems, führt. Oder mit der Perspektive einer sozialistischen Revolution, die der Ausbeutung des Menschen und der Natur ein Ende setzt.

 

Ein türkischer Kollege fragte, ob die MLPD beim Kampf  gegen Stilllegungen nicht auch die Forderung nach „Erhalt des Standorts“ vertreten habe. Die Genossen antworteten, wir haben immer den „Kampf um jeden Arbeitsplatz“ als Minimalforderung vertreten und verbunden mit offensiven Forderungen wie dem Kampf um die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und für das vollständige und allseitige gesetzliche Streikrecht. Die Reformisten mit ihrer Forderung nach „Erhalt des Standorts“ gehen nicht vom Arbeiterstandpunkt aus, sondern sorgen sich als Co-Manager um die Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens. Häufig geht dieses Standortdenken auch einher mit der Konkurrenz zu den Arbeitern anderer Betriebe, anderer Konzerne oder anderer Länder.

 

Ein Genosse, der seit Jahrzehnten IG-Metall-Vertrauensmann ist, berichtete aus seinen Erfahrungen: „Erst durch die aktive Mitarbeit in der Internationalen Automobilarbeiter-Konferenz (IAC) haben wir überhaupt Kollegen aus anderen Betrieben unseres Konzerns, aus anderen Automobilkonzernen in Deutschland und international kennengelernt und eine praktische Zusammenarbeit entwickelt.“  Der proletarische Internationalismus ist ein Markenzeichen des IAC und steht im direkten Gegensatz zur reformistischen Standort-Politik.

 

Gut gewappnet mit neuen Argumenten verabredeten sich die Teilnehmer für den Warnstreik am folgenden Tag. Beim nächsten Treffen der Studiengruppe werden wir uns verschiedene Varianten des Neorevisionismus vorknüpfen.