Tarifabschluss Unikliniken in Baden-Württemberg

Tarifabschluss Unikliniken in Baden-Württemberg

Große Kampfbereitschaft – große Streiks - mäßiger Abschluss mit Tücken

Am dritten Warnstreiktag heizte der DGB-Vorsitzende von Baden-Württemberg die Stimmung an. Er sprach von Solidarität und Zusammenhalt aller DGB-Gewerkschaften und den Tausenden kämpferischen Metallern.

Von Korrespondenten aus Tübingen
Große Kampfbereitschaft – große Streiks - mäßiger Abschluss mit Tücken
Streikkundgebung in Tübingen (rf-foto)

Und dann lobte er deren miesen Abschluss und appellierte an die Gegenseite, doch endlich die Nöte der Kolleginnen und Kollegen zu verstehen! Danach tönte der Bezirksvorsitzende: Wir haben keinen Verhandlungstermin mehr ausgemacht, wenn die Klinikbetreiber nicht liefern: Wir können statt vier Tagen auch vier Wochen streiken - großer Beifall! Und schwupps gab es einen neuen Termin, der schwupps zu einer Einigung führte! Die ver.di-Verhandlungsführerin:„Das ist ein hochgradig solidarisches Verhandlungsergebnis in historisch schwierigen Zeiten...“. Die Presse spricht von „kräftigem Inflationsausgleich“ für 26.000 Beschäftigte der vier Uniklinken im Ländle. Naja… .

 

Wir mussten heute zur Notfallambulanz. Dort erlebt man hautnah die wahnsinnigen Anforderungen - die Kolleginnen und Kollegen rennen nur und sind trotzdem freundlich. Eine meinte: „Mehr Geld ist schon gut - aber zu lange Laufzeit! Und vor allem: wo bleibt mehr Personal? So kann es nicht weitergehen". Der Abschluss ist durchaus besser als der bei Metall, was die Angst der „Arbeitgeber“ vor der beindruckenden Kampfbereitschaft zeigt. So wurden sie zu Zugeständnissen gezwungen. Die Kolleginnen und Kollegen können stolz darauf sein, bei extrem angespannter Personallage und großem sozialen Druck so mutig, einfallsreich und in großer Zahl gekämpft zu haben.

 

Dieser Kampf ist auch strategisch wichtig für die Zukunft der Masse von Beschäftigten, wovon 70 % Frauen sind. Wichtig und diesbezüglich auch sehr wertvoll war diese kämpferische Tarifrunde jetzt für den langfristig notwendigen Kampf für ein menschenwürdiges Gesundheitswesen. Dieses Gesundheitswesen, gerade auch an den hochspezialisierten Unikliniken, zeigt die Krise der bürgerlichen Medizin im Kapitalismus. Dass erst im Sozialismus die Medizin und strategische Gesunderhaltung möglich wird, erfordert noch viele Diskussionen und Kämpfe. Subjektiv wollen die allermeisten auch eine andere Art von Krankenhaus, ohne Fallpauschalen, ohne ätzende Hierarchie durch die elitären Chefärzte und Klinikmanager und gegen die Arbeitshetze und die unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Auch die Schließung von kleineren, nicht so profitbringenden Krankenhäusern wird völlig zu Recht kritisiert.

 

Das Ergebnis:

 

  • Ab 1.1.24: 250 Euro monatlich brutto tabellenwirksam
  • Am 1.10.23: 750 Euro netto für die Monate Okt., Nov., Dez 23
  • 12/22 und 3/23: jeweils 1200 Euro Einmalzahlung
  • Laufzeit 19 Monate
  • Azubis: 900 Euro netto Corona-Sonderzahlung Dez 22; ab 1.4.23 monatlich 125 Euro. Zum Ende der Laufzeit kommen 150 Euro brutto auf die Tabellen.

 

Das Ergebnis hat positive Bestandteile: teils tabellenwirksame Einmalzahlungen und Festgeld statt Prozente; die Azubis bekommen schon im Dezember eine steuerfreie Prämie von 900 Euro, ab April 24 netto 115 Euro (gefordert: 200 Euro) und ab Mai 24 150 Euro je monatlich tabellenwirksam; Physiotherapeuten und Psychologen in Ausbildung mehr Geld.

 

Gleichzeitig ist es ein fauler, schwer zu durchschauender Abschluss. Die „Arbeitgeber“ haben mit Verweigerung von Notfallvereinbarung (Ulm) und deren mangelhafter Umsetzung, Dauerhetze gegen Streik und Streikende großen Druck ausgeübt, der aber eher die Wut anheizte. Die ver.di-Führung verhielt sich wortradikal, getrieben von Beschäftigten, die einfach genug haben - und knickte dann schnell zugunsten der erst radikal abgelehnten Einmalzahlungen ein.

 

Die drei Hauptforderungen wurden nicht erreicht: 10,5 Prozent, mindestens 375 Euro für alle bei zwölf Monaten Laufzeit - tabellenwirksam! Dabei waren das bescheidene Forderungen, wenn die Inflation für normale tägliche Lebensmittel jetzt schon bei über 20 Prozent liegt! Dazu kommen explodierende Energie- und Mietkosten in den Uni-Städten Baden-Württembergs. Und 2023/24?

 

Die Klinikbetreiber wollten bei der entwickelten Kampfentschlossenheit der Belegschaften keinen wochenlangen Streik in diesen Krisen- und Kriegszeiten riskieren wie in Nordrhein-Westfalen. Nach einem solchen Streik ist eine Belegschaft nicht mehr die alte! Das schweißt zusammen – die kann man nicht mehr so leicht spalten. Das will auch die obere Führung der Gewerkschaft ver.di nicht. Der Frauenverband Courage und auch die MLPD erklärten ihre volle Solidarität mit den kämpfenden Kolleginnen und Kollegen. Die MLPD verteilte Flyer gegen den Krieg und verkaufte die Broschüre zum Ukrainekrieg. Wir hätten noch mehr die konkrete Streikunterstützung wie Kaffee- oder Punch-Bar nach den Demos und Kundgebungen organisieren können, um die Verbindungen zu den vielen jungen Kolleginnen zu intensivieren.