„Kinder schlägt man nicht!“

„Kinder schlägt man nicht!“

Sachsen: Polizeiüberfall auf 11- bis 19-jährige Kinder und Jugendliche beim CDU-Landesparteitag

„Kinder schlägt man nicht“ - unter diesem Motto demonstriert eine Kinder- und Jugendgruppe jede Woche im Zwickauer Landkreis. Anlass dafür war, dass der Langenbernsdofer Vizebürgermeister Tobias Bär (CDU) mehrere Kinder geschubst, geschlagen und verletzt hat.

Gastbeitrag von Marie S.
Sachsen: Polizeiüberfall auf 11- bis 19-jährige Kinder und Jugendliche beim CDU-Landesparteitag
Dieses Foto wurde trotz Beschlagnahmung der Handys in der cloud gerettet

Vor kurzem ereignete sich ein ähnlicher Fall: Der Glauchauer Oberbürgermeister Markus Steinhart (CDU) schlug einen unliebsamen Mitschüler (13) seines Sohnes in der Schule. Es läuft zwar noch ein Ermittlungsverfahren, aber ranghohe CDU-Mitglieder haben Bär und Steinhart Unterstützung zugesichert. Die Kinder- und Jugendgruppe fuhr zum sächsischen CDU-Landesparteitag, um dort auf die beiden Kinderschläger Bär und Steinhart aufmerksam zu machen. Am Ende der Demo jedoch kam es zu einem Polizeieinsatz mit brutaler Gewalt gegen die demonstrierenden Kinder und Jugendlichen. Seitdem protestieren Kinder und Jugendliche jede Woche in Leipzig gegen die Polizeigewalt. Die Bildzeitung berichtete über den Polizeieinsatz, erweckte aber den Eindruck, die Kinder und Jugendlichen hätten „Verbotenes“ getan.

Rote Fahne News dokumentiert eine Korrespondenz von Marie S., Schüler- und Jugendzeitung „Rakete“

„Kinder schlagen ist verboten - wer es macht, kriegt auf die Pfoten“. Das ist einer unserer Demo-Sprüche. Dabei ist es uns egal, welcher Partei ein „Kinderschläger-Bürgermeister“ angehört. Irritierend für uns war, dass es ausgerechnet zwei Mal CDU-Bürgermeister waren. Leute, die ihre Macht ausnutzen und damit auch vor Gericht davonkommen, indem sie vorgeben, Kinder erziehen zu wollen.

 

Wir dachten, dass die anderen CDU-Mitglieder sich womöglich für ihren Kollegen schämen und diesen selbst zum Rücktritt auffordern. Im Gegenteil: Die Zwickauer-Landkreis-CDU hat einen Vorstandsbeschluss gefasst, in dem sie den Vorfall zwar bedauerte, aber dem Oberbürgermeister Steinhart (Glauchau) ausdrücklich bestätigt, dass er weiterhin das Vertrauen des CDU-Kreisverbandes genießt. Zwei Landtagsabgeordnete (Jan Löffler und Jan Hippold) und ein Bundestagsabgeordneter (Marco Wanderwitz) haben das mitunterschrieben.

 

Damit ging es erst richtig los. Zwölf CDU-Kommunalpolitiker, darunter mehrere CDU-Bürgermeister, haben ebenfalls ihre Solidarität mit dem Kinderschläger zum Ausdruck gebracht. Über 1.000 Zustimmungen hat er daraufhin erhalten. Darunter waren schlimmste Kommentare, was man mit den Kindern, die nicht parieren, alles machen müsste. Verdreschen, fesseln, einsperren, Jugendwerkshof und die Eltern gleich mit.

 

Wir wollten die Einstellung aber immer noch nicht glauben und sind zum CDU-Landesparteitag Anfang Dezember nach Schkeuditz gefahren. Dort haben wir gelernt, dass die es mit dem „Verdreschen“ ernst meinen. Da hat die ortsansässige Bereitschaftspolizei den Job für sie erledigt. Die Polizisten haben mich und einige meiner Geschwister zu Boden gebracht, separiert, mit auf den Rücken gefesselten Händen fixiert, geschlagen, getreten und richtig gequält. Mein Vater hatte vorher einen Platzverweis erhalten. Wir sollten unser Maul halten, aufhören zu schreien und verraten, wo unsere Handys sind usw.

 

Alle Kinder lagen auf dem Parkplatz verteilt, manche haben geschrien, manche geweint. Dann haben die Polizisten ihre abgedunkelten Polizeibusse um uns herum in Reihe gestellt, dass die später vorbeikommenden CDU-Delegierten uns zwar noch schreien hören, aber nicht mehr sehen konnten. Die Gier, mit der sie nach unseren Fotohandys gesucht haben, verrät, dass sie genau wussten, dass das, was sie tun, nicht in Ordnung ist. Kein Mensch sollte solche Bilder sehen. Warum? Angst vor der Bewertung durch gesellschaftliche Institutionen?

 

Die Angst brauchen sie nicht haben. Wir wissen, dass sowohl der katholische Pfarrer Dr. Dr. Pech als auch der evangelische Dr. Meißner, nachdem sie einen Gottesdienst zum Parteitagsbeginn zelebrierten und vorzeitig wieder heimfuhren, völlig unaufgeregt an uns vorbeigelaufen sind. Vor allem den katholischen Priester haben meine Geschwister angebettelt, er möge sich doch dafür einsetzen, dass die Kabelbinder gelockert und durch Handschellen ausgetauscht werden. „Keine Zeit“ - das hat der brave Kirchenmann tatsächlich zu den auf dem Boden liegenden Kindern gesagt. Fast wäre er über die Kinder hinweggestiegen. Er stieg in seine schwarze Luxus-Limousine und fuhr davon. Nur anhand des auffälligen Aufdrucks (er vertreibt im „Nebenberuf“ Alkoholika) haben wir ihn namentlich ausfindig gemacht. Zusätzlich betreut er noch ein Nonnenkloster, hält an der Uni Vorträge über „Führungs- und Wirtschaftethik“, wenn er nicht gerade einen CDU-Parteitag eröffnet. Ein echter Tausendsassa. Wir würden ihn gerne mal in „seiner“ Kirche besuchen, dort ein paar Flugblätter verteilen und mit ihm gemeinsam „Ihr Kinderlein kommet“ singen.

 

Die beiden Artikel in der Bild-Zeitung und in der Freien Presse haben dazu geführt, dass viele Eltern ihren Kindern verboten haben, überhaupt noch Kontakt mit uns zu halten. Für uns ist das alles kein Problem. Wir werden weiter demonstrieren, so lange die beiden Kinderschläger-Bürgermeister noch im Amt sind. Irritiert hat uns, dass die Glauchauer Grünen und SPDler uns warnten. Wir würden nicht wissen, mit wem wir uns anlegen. Da dachten wir echt, wir seien in einem Mafia-Film.