Borbet in Solingen
Ein bemerkenswerter selbständiger Kampf gegen die Werksschließung
Täglich um 13 Uhr protestieren seit dem zweiten Weihnachtsfeiertag rund 100 bis 200 Kolleginnen und Kollegen des Räderherstellers und Autozulieferers Borbet in Solingen. Sie kämpfen gegen die zum 31. Dezember 2022 beschlossene Schließung ihres Werks und die Vernichtung von 700 Arbeitsplätzen.
Das hatte die Geschäftsleitung überfallartig kurz vor Weihnachten verkündet.
Es ist ein selbständiger Kampf, dessen Bedeutung weit über den Ort hinausgeht. Er weitet sich aus und verstetigt sich. Am Anfang kamen 50 Leute zusammen, dann 100. Von der Aktion gestern berichtet ein Solinger Korrespondent: „Heute war eine deutliche Höherentwicklung des Kampfes bei Borbet: weit über 200 Kolleginnen und Kollegen zogen lautstark mit Trommel, Pfeifen und Parolen vom Vordereingang zum Ausgang des Lagers. Sie blockieren dort zumindest symbolisch für einige Zeit die Zufahrt, um den Abtransport ihrer wertvollen Maschinen und Mengen an hochwertigen Waren zu verhindern. Alle waren stolz und glücklich über diese kämpferische Entwicklung.
Paul Straif überbrachte die Grüße des Zentralkomitees der MLPD. Zeynep Sefariye Eksi, Bundesvorsitzende der DIDF, sprach. Eine Solidaritätserklärung von Daimler-Kollegen aus Sindelfingen wurde verlesen. Es gab großes Interesse an grundsätzlichen Antworten. So waren alle Exemplare des Rote Fahne Magazins nach kurzer Zeit ausverkauft, ein Buch von Stefan Engel „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus" wurde verkauft und es gibt Interesse an der Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei MLPD. Sie macht hier seit Jahrzehnten eine aktive Kleinarbeit.
Diskutiert wird, wie der Kampf ausgeweitet und verschärft werden kann, gerade angesichts dessen, dass im Betrieb nur noch 54 Beschäftigte mit Abwicklungsarbeiten betraut sind. Selbständige Kundgebungen, Demonstrationen bis hin zu Blockaden sind wirksame Kampfmethoden."
Die Ausdauer ist beachtlich. Die MLPD und auch Vertreter des kommunalen Bündnisses SOLINGEN AKTIV sind von Anfang an täglich selbstverständlicher Bestandteil des Protestes - ebenso der Sänger der Solinger Montagsdemonstration, Andreas Knecht. Von den anderen Parteien und auch von Politikern und Abgeordneten ist zur Empörung der Borbet-Kollegen dagegen nichts zu sehen. Die IG-Metall-Sekretäre sind regelmäßig dabei. Von ver.di waren ebenfalls Vertreter da. Bemerkenswert ist eine zunehmende Zahl von Kollegen-Frauen. Sie kommen täglich zig Kilometer angereist von Essen, Bochum, Velbert, Wuppertal und so weiter. Sie strahlen eine große Kampfkraft und Solidarität aus.
Der Vorschlag von SOLINGEN AKTIV, ein Solidaritätskomitee betriebsübergreifend zu bilden, fand sofort große Zustimmung: „Da können wir unsere ganzen Kontakte nutzen, die wir über die Männer hinaus haben ... Und natürlich auch für Verpflegung und gute Stimmung sorgen. Von der Schließung sind die ganzen Familien betroffen. Da müssen wir Frauen und Kinder solidarisch sein."
Entsprechend kommen auch immer mehr Jugendliche und Kinder der Borbet-Beschäftigten. Ein etwa 12-jähriges Mädchen: „Wenn mein Papa keine Arbeit mehr hat, wird es für unsere Familie viel schwieriger. Deshalb sind wir hier und unterstützen unseren Papa." Ihr kleiner Bruder trug ein Schild : „Borbet bleibt!"
Der Protest weitet sich über die Belegschaft hinaus aus: Lokalpresse und Lokalfernsehen berichteten, ebenso eine große türkische Boulevard-Zeitung. Mit viel Begeisterung wurde der bekannte linke Blogger Oktan Erdikmen bei seinem Solidaritätsbesuch begrüßt. Am sechsten Protesttag überbrachten Vertreter von Aveg-Kon (Konföderation
der unterdrückten Immigranten in Europa, Dachorganisation der AGIF) sowie von deren Jugendorganisation „Young struggle" solidarische Grüße. Auch ein fortschrittlicher Filmemacher aus Essen ist jeden Tag da. Er will Künstler für die Solidarität mit dem Kampf der Borbet Belegschaft gewinnen.
Der Kampf der Borbet-Kollegen reiht sich ein in verschiedene andere Arbeiterkämpfe in ganz Europa und hat in Deutschland besondere Bedeutung, wo es momentan noch wenige selbständige Kämpfe gibt. Gleichzeitig gibt es mehrere Betriebe, in denen massenhaft Arbeitsplätze vernichtet werden. Die Schließung des Werks kann man nicht auf „Auftragsmangel" zurückführen. Bis zum 31.12. wurden noch volle Kanne Felgen für die Autoindustrie hergestellt. Sie werden dringend von den „Premiummarken" Daimler und BMW benötigt. Die Produktion wird wohl in zwei Werke im Sauerland verlagert, wo die Löhne erheblich geringer sind. Offenbar soll hier auch eine kämpferische Belegschaft abgestraft werden, denn die Autokonzerne loben eigentlich die besonders hohe Qualität der Solinger Produkte. Die Solinger Borbet-Arbeiter haben z.B. höhere tarifliche Löhne erkämpft als in den Schwesterwerken. Es gibt auch Gerüchte, dass die Schließung nur zeitweise und scheinbar erfolgt, um das Werk dann mit niedrigeren Löhnen wieder aufzumachen. Das selbstständige Protestkomitee plant eine Ausweitung der Aktivitäten sowie einen Besuch bei den anderen Borbet-Standorten im Sauerland.
Ein weiterer Korrespondentenbericht erreichte die Redaktion heute am Spätnachmittag: "Die kämpferische und lautstarke Demonstration gestern zum Tor des Lagers mit der symbolischen Besetzung des Tors hat den Kollegen und Kolleginnen spürbar Mut gemacht. Trotz Regenwetter waren heute mehr als zuvor bester Laune da - mit Tanzen, Singen, Trommeln. Die trommelnden Frauen skandierten: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Arbeit klaut!"
Der IG-Metall-Bevollmächtigte informierte über zwei weitere Maßnahmen: Die Teilnahme an einer Demonstration am Samstag, den 7. Januar, um 12:00 Uhr am Neumarkt in Solingen unter dem Motto „Genug ist genug". Sowie die gemeinsame Busfahrt zum zentralen Standort der Firma Borbet in Medebach am Donnerstag, den 12. Januar. Abfahrt der Busse 8:00 Uhr, 12:00 Uhr Demonstration in Medebach hin zum Borbet-Stammwerk.
Erstmals waren auch einige bürgerliche Parteien aufgeschreckt und versprachen Solidarität. Ein SPD-Vertreter jammerte: "Wir von der Politik können aber leider nichts machen, wenn ein Unternehmer seinen Betrieb schließt.' Helmut Böhmler von der MLPD Bergisch Land begrüßte die Solidarität der SPD-Vertreter. Er kritisierte sie aber zugleich: "Wenn ihr euch als Partei mit den Unternehmern nicht anlegen wollt, oder meint, dass ihr das nicht könnt und dürft, dann könnt ihr als angebliche Arbeiterpartei einpacken. Dann seid ihr eine wertlose Partei für die Arbeiter." Zustimmung von vielen Seiten. Die MLPD war wie von Anfang an wieder dabei. Sie half den Kollegen, die neuen Erfahrungen zu verarbeiten und über weitere Schritte öffentlich zu diskutieren. Mehrere Zeitungen und auch Bücher gegen den Antikommunismus und den Opportunismus wurden verkauft.
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