Briefwechsel zur Rosa-Luxemburg-Konferenz
Kann man nicht die „Differenzen“ zurückstellen?
Ein Kollege leitete uns einen Brief eines Genossen der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes / Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) weiter, der auch ausdrücklich an die „Mitstreiter der MLPD“ gerichtet war.
Darin heißt es:
„Nun gibt es die sozialistische Tageszeitung junge Welt, die zur ... Rosa-Luxemburg-Konferenz nach Berlin eingeladen hat, von der ein wichtiger Friedensimpuls ausgehen könnte und soll. Leider tut deine, eure Partei, ihre Führung, einiges, um diese Konferenz in ein schlechtes Licht zu rücken, anstatt sich produktiv in diese einzubringen. Das Motto lautet: Den 3. Weltkrieg verhindern! Gibt dieses Motto nicht genug Schnittmenge her, um gemeinsam Friedenskampf zu führen, Differenzen zurückzustellen?“
Die Rote Fahne Redaktion antwortete darauf:
Lieber Genosse,
danke für Deine kritischen Hinweise. Natürlich muss man im Friedenskampf auch bestimmte Differenzen zurückstellen. So arbeiten wir in der neuen Friedensbewegung ausdrücklich mit Kräften zusammen, die selbst den Sozialismus nicht als Ziel ansehen. Wir arbeiten auch mit ehrlichen kleinbürgerlich-pazifistischen Kräften zusammen oder mit Organisationen, zu denen wir in anderen Fragen grundsätzliche Differenzen haben. In dieser Zusammenarbeit führen wir dann natürlich eine weltanschauliche Auseinandersetzung. Wir haben unsere Haltung im Buch von Stefan Engel "Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus" so zusammengefasst: „Ebenso notwendig sind Bündnisse mit Arbeitern, Bauern und kleinbürgerlichen Zwischenschichten, mit Organisationen ohne marxistisch-leninistischen Charakter – soweit sie keine antikommunistische Grundlage haben – sowie Bündnisse der internationalen Solidarität. Die Bündnisarbeit mit vielen der in diesem Buch kritisierten Strömungen muss die Dialektik von Einheit im gemeinsamen Kampf und Bewahrung der weltanschaulichen und politischen Selbständigkeit entfalten.“ (S. 267)
Im Fall der Rosa-Luexemburg-Konferenz liegen die Dinge aber so:
Nicht WIR haben darauf verzichtet, sich in die Diskussion streitbar und 'produktiv' einzubringen. Sie wird von den Organisatoren der Rosa-Luxemburg-Konferenz verweigert. Erstmals wurde von den Organisatoren ein Bücherstand unseres Verlags abgelehnt. Es gab auch Angebote an Kräfte aus der Rosa-Luxemburg-Konferenz, am Seminar der neuen Friedensbewegung teilzunehmen, ohne Reaktion. Auf unsere sachliche Polemik auf Rote Fahne News wurde uns unterstellt, wir würden 'die Geschäfte der herrschenden Klasse' betreiben. In der ersten Korrespondenz war vielleicht nicht jede Nuance glücklich, wenn teils einseitig auf Nebensächlichkeiten wie dem Veranstaltungsort herumgeritten wurde. Inhaltlich war die Kritik aber voll zutreffend.
Denn inhaltlich geht es nicht um untergeordnete „Differenzen“, sondern um einen offenen Antagonismus zwischen ehrlichem Friedenskampf und proletarischem Internationalismus einerseits und Sozialchauvinismus andererseits. Nichts anderes bedeutet es, wenn die Konferenz ausdrücklich Russland in dem imperialistischen Krieg um die Ukraine unterstützt und auch Referenten eingeladen werden, die die Regierungen in Russland und China in zentralen außenpolitischen Fragen unterstützen. Diese Tragweite ist neu und rückt die Konferenz der Natur der Sache nach in ein 'schlechtes Licht'. Selbstverständlich diskutieren wir mit allen ehrlichen Leuten weiter und wissen, dass bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz selbst viele verschiedene Strömungen anwesend sind.
Dass so aggressiv auf unsere Kritik reagiert wurde, lässt sich nur damit erklären, dass es in den eigenen Reihen massive Differenzen gibt. Das zeigen auch folgende Zitate, die von der Konferenz des sogenannten Solid-Netzwerks stammen, in dem z.B. die DKP oder auch die KPRF Mitglied sind.
Intervention der Algerischen Partei für Demokratie und Sozialismus
„Wir als Kommunisten halten es für einen Fehler, sich im Namen der Entstehung einer "multipolaren Welt" auf die Seite des russischen Imperialismus zu stellen. Diese 'multipolare Welt' ist eine tödliche Illusion. Die vom imperialistischen Russland angestrebte 'multipolare Ordnung' wird nur eine vorübergehende Ordnung zwischen zwei oder mehreren anderen Räubern sein, die sich darüber verständigen, welchen Anteil jeder von ihnen an der Plünderung der Reichtümer der Welt und der Ausbeutung der Weltarbeiterklasse hat. Die wirtschaftlichen Gesetze des Imperialismus werden erneut zu einem noch größeren und noch mehr zerstörerischen Krieg drängen.“
Beitrag der Kommunistischen Partei Belgiens
„Wir unterstützen den Kampf des ukrainischen und russischen Volkes und seiner revolutionären Vorhut gegen die eigene Bourgeoisie, gegen den Krieg, für den Sozialismus und die Freundschaft zwischen den Völkern. Seit dem Beginn des Krieges haben wir den gegenwärtigen Krieg als einen zwischenimperialistischen Krieg analysiert. Wir halten uns nicht an die Thesen, die behaupten, dass es nur einen Imperialismus gibt, nämlich den der Vereinigten Staaten, und sich weigern, den imperialistischen Charakter des heutigen Russlands anzuerkennen. Wir müssen die Thesen Lenins über den Imperialismus aufgreifen, der sich nicht nur auf den Krieg reduzieren lässt, sondern auf die monopolistische Phase des Kapitals, die Verschmelzung der industriellen Bankensektoren, den Kapitalexport, die Eroberung neuer Märkte und schließlich die Neudefinition und Neuaufteilung der Welt zwischen imperialistischen Kräften. Wenn es tatsächlich eine imperialistische Pyramide gibt, an deren Spitze der US-Imperialismus steht, haben wir nichts zu gewinnen, wenn wir uns für den einen oder anderen Imperialismus, den russischen, belgischen, europäischen oder euro-atlantischen entscheiden, genauso wenig wie wir etwas zu gewinnen haben, wenn wir uns für einen hegemonialen Imperialismus oder eine multipolare Welt entscheiden, die Ausdruck der kapitalistischen Barbarei bleibt und ein erhöhtes Risiko von Kriegen zwischen den Imperialismen um die Hegemonie birgt. Der multipolare Kapitalismus ist nicht das Ziel des Proletariats. (...) Deshalb ist es eine unserer wesentlichen Aufgaben, das Klassenbewusstsein zu schärfen und die Ziele des Kampfes zu definieren, weg vom Reformismus, Wahlkampf und Opportunismus.“
Mit solidarischen Grüßen
Peter Weispfenning