Berlin
Optimistische Stimmung - klärende und streitbare Diskussion beim Strategieseminar der neuen Friedensbewegung
Der Saal im GLS-Forum in Berlin (Prenzlauer Berg) platzt aus allen Nähten, so groß ist das Interesse am Strategieseminar der neuen Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg. Über 300 Menschen, darunter sehr viele Jugendliche, nehmen teil.
Den Beschluss, dieses Strategieseminar durchzuführen, fasste der erste Kongress der neuen Friedensbewegung im Oktober. Seither verschärfen beide Seiten den Ukrainekrieg, seither bereiten fast alle Imperialisten einen Dritten Weltkrieg vor, der sehr wahrscheinlich ein atomarer Weltkrieg wäre. Seither hat sich die neue Friedensbewegung in Deutschland aufgebaut und trifft sich heute, um wichtige Fragen zu klären und die nächsten Schritte zu beraten.
Zwei Richtungen im Friedenskampf
Positioniert man sich in dieser Situation klar gegen beide kriegführenden Blöcke, gegen alle Imperialisten oder schlägt man sich auf eine imperialistische Seite? Auf die Seite der Selenskyj-Regierung, des US-Imperialismus, der NATO und der EU, die angeblich dem ukrainischen Volk helfen wollen, tatsächlich aber den Krieg anheizen und auf eigenen Sieg setzen, koste es, was es wolle? Oder wie Kräfte um die DKP und Teile der Linkspartei auf die Seite des neuimperialistischen Russland? Dorthin haben sich die führenden Organisatoren der ebenfalls heute in Berlin stattfindenden Rosa-Luxemburg-Konferenz begeben, wobei unter den dortigen Teilnehmern viele suchende Leute sind, die ehrlich gegen den Krieg kämpfen wollen. Unsere Debatte hier, so der Einleitungsbeitrag des Koordinierungsausschusses der neuen Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg, hat einen anderen Charakter. Wir setzen auf die Massen, die den Krieg nicht wollen, unter denen aber noch eine Unterschätzung der Weltkriegsgefahr herrscht. Wir bauen die Friedensbewegung auf mit der Arbeiterklasse als Rückgrat, setzen auf internationalen Zusammenschluss und sind weltanschaulich offen für den echten Sozialismus. Der Koordinierungsausschuss begrüßt Referentinnen und Referenten, Teilnehmer der Podiumsdiskussion heute abend und Gäste: Großer Applaus für Marianne Liebknecht, die Enkelin von Karl Liebknecht, die extra aus Wien gekommen ist. Vertreter aus Bangladesch, Marokko, des Karl-Marx-Instituts in Polen, Hatem Laouini von der PPDS Tunesiens, den Afrikakoordinator der revolutionären Weltorganisation ICOR.
Erster Seminarblock: Ursachen imperialistischer Kriege und der Kampf dagegen
Süleyman Gürcan aus Duisburg, Co-Vorsitzender der ATIK und Stahlarbeiter, hält das erste Impulsreferat. Die aktuelle massive Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche erfordert für die Imperialisten die Neuaufteilung der Welt. Wie nah ist der Dritte Weltkrieg? Ist er bereits im Gange? Auf jeden Fall ist es falsch, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen weiteren Weltkrieg mehr geben kann. Imperialismus bedeutet gesetzmäßig die Entwicklung zum Krieg. Der Unterschied zwischen dem Krieg in Syrien und dem Ukrainekrieg ist, dass der Ukrainekrieg in Europa stattfindet. Den Aufbau einer neuen Friedensbewegung in Deutschland findet er derzeitig nicht richtig. Es gibt das Internationalistische Bündnis, das hat sich den Kampf gegen den Ukrainekrieg und gegen die Weltkriegsgefahr auf die Fahnen geschrieben. Weiter kommt es darauf an, den Aufbau der internationalen antifaschistischen und antiimperialistischen Einheitsfront voranzutreiben und daran zu arbeiten. Und es gilt, Bündnisarbeit unter allen demokratischen Kräften zu machen und unnötige Abgrenzung zu vermeiden.
Gabi Fechtner, Vorsitzende der MLPD und Mitautorin der Broschüre "Der Ukrainekrieg und die offene Krise des imperialistischen Weltsystems" arbeitet in ihrem Beitrag heraus, dass mit dem bisherigen Einsatz keine der beiden Seiten den Ukrainekrieg gewinnen kann. Der ukrainische Ex-Botschafter in Deutschland und jetzige Vize-Außenminister Andrij Melnyk und andere Kriegstreiber fordern als Antwort darauf den direkten Kriegseintritt der NATO. In der jetzigen Phase der beschleunigten Destabilisierung des imperialistischen Weltsystems, in der es grundlegend nur zwei Optionen gibt - der Dritte Weltkrieg bricht aus oder die internationale sozialistische Revolution verhindert ihn - ist es absolut nicht akzeptabel, wenn im zentralen Aufruf zur morgigen Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration der Sozialismus gestrichen wurde. Umso mehr werden wir uns dafür einsetzen! Die Gegnerschaft zum US-Imperialismus ist nicht per se fortschrittlich.Von wegen "friedliche multipolare Weltordnung"! Die neuimperialistischen Räuber machen die Welt nicht friedlicher. Soll das jetzt der neue Internationalismus sein? Da muss man sich schon sehr weit vom Kompass des proletarischen Klassenstandpunkts entfernt haben, um das zu vertreten. Wir müssen alle Varianten des Sozialchauvinismus angreifen. Beachten muss man, dass es auch Leute bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz gibt, die die Position teilen, dass man sich als Friedenskämpfer nicht auf die Seite eines Imperialisten begeben darf.
Hatem Laouini von der PPDS / Tunesien ist Hauptkoordinator der revolutionären Weltorganisation ICOR in Afrika und arbeitet in seinem Beitrag heraus, dass der Imperialismus in Afrika für Hunger, Umweltzerstörung und Kriege sorgt. Der US-Imperialismus gibt doppelt so viel Geld an die Ukraine wie der ganze Haushalt Tunesiens umfasst. China hat eine Militärbasis in Dschibuti aufgebaut, Russland schaut nicht einfach zu, der russische Imperialismus ist sehr präsent in Afrika. Hatem erklärt besonders seine Solidarität mit dem kurdischen und dem palästinensischen Freiheitskampf.
Der Hauptteil des Seminarblocks sind eine Fülle schöpferischer Redebeiträge aus dem Publikum. Dieter I. und Celina J. waren mit einer Delegation bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz. Sehr unerfreulich war, dass mithilfe der Polizei darauf bestanden wurde, den Stand der MLPD-Delegation zu verlegen. Aber es wurde auch deutlich, dass dort viele wichtige Diskussionen geführt werden können. So stieß es bei einer Reihe von Leuten auf Kritik, dass dort Referenten sprechen, die sich offen auf die Seite des russischen Imperialismus oder des chinesischen Imperialismus stellen.
Ein Vertreter des Karl-Marx-Instituts aus Polen analysiert in seinem Beitrag, dass Polen einen Doppelcharakter hat und dabei ist, sich zu einem neuimperialistischen Land zu entwickeln. In Polen findet eine massive Militarisierung statt, es werden 3 Prozent des BIP in den Militärhaushalt gesteckt. Der Kapitalexport wurde in den letzten Jahren enorm gesteigert. 300.000 zusätzliche Soldaten sollen eingezogen werden. Die polnische Bourgoisie steht Gewehr bei Fuß, in den Wiederaufbau der Ukraine zu investieren. Gleichzeitig hat Polen seine Importe aus Russland um 24 Prozent erhöht.
Sehr wichtig und ein Schwerpunkt war in der Diskussion, warum und wie Umweltkampf und Friedenskampf heute zusammengehören. Der Krieg ist ein Brandbeschleuniger der Umweltzerstörung. Mit der Weiternutzung von Atomkraft wird von den Imperialisten aktiv ein todbringender Atomkrieg vorbereitet! Keinen Tag länger! Sofortiger Ausstieg aus der atomaren Teilhabe Deutschlands! So weit haben es die Imperialisten in Jahrzehnten mutwilliger Umweltzerstörung gebracht, dass man jetzt vom Beginn der globalen Umweltkatastrophe sprechen muss. Schon heute können Millionen Menschen nicht mehr in ihren angestammten Gebieten leben! Kipppunkte sind erreicht, die irreversibel sind. Wir brauchen einen gesellschaftsverändernden Umweltkampf! Sehr eindrucksvoll der Beitrag von Marianne Liebknecht aus Wien, die sich rieisg freut, dass so viele Leute, so viele junge Leute hier aufstehen gegen den imperialistischen Krieg, im Sinne ihres Großvaters Karl Liebknecht.
Die Diskussion hat deutlich gemacht, wie sehr die Destruktivkräfte des Imperialismus wirken. Es kann in dieser Situation nur den Weg nach vorn geben für die Arbeiter- und die Friedensbewegung. Es gibt nicht nur Kapitalismuskritik, es gibt Imperialismuskritik und über den Sozialismus wird gesprochen. Mit jedem ehrlichen Friedenskämpfer und Leuten, die nach Perspektive suchen, schließen wir uns zusammen, aber zu Kräften, die auf die Seite einer imperialistischen Macht übergehen, ziehen wir einen Trennungsstrich!
Zweiter Seminarblock: Strategie und Taktik im Friedenskampf
Den zweiten Seminarblock leitet Prof. Dr. Josef Lutz von der Offenen Akademie ein, der von der Gewinnung von Mitstreiterinnen und Mitstreitern unter Wissenschaftlern aus vielen Ländern für den Kampf gegen den Ukrainekrieg und die Weltkriegsvorbereitung berichtet und welchen Klärungsbedarf es dort gab und gibt. A. aus Marokko, Generalsekretär der Gewerkschaft der Finanzbeamten, arbeitet heraus, dass die beschleunigte Destabilisierung des imperialistischen Weltsystems auch der Hintergrund für die Fachisierung von Staatsapparaten ist. Das geschieht vonseiten der Herrschenden aus der Defensive heraus! Er hob besonders die Bedeutung der ICOR hervor, denn überall gibt es wichtige Kämpfe, aber sie sind oft noch vereinzelt.
Lebendig berichten die Widerstandsgruppen gegen Faschismus und Krieg von ihrer Arbeit. So zB von der Arbeit in Schulen. Am Anfang mussten die Lehrer ausdrücklich die Unterstützung der Ukraine durch die Bundesregierung als "Friedensmaßnahmen" vertreten. Wir haben uns klar dagegen positioniert und verlangt, dass unsere Posiiton genauso zum Tragen kommt. Mehrere Rednerinnen und Redner hoben die Bedeutung des Lernens für bessere Argumente hervor und der Kulturarbeit. Noch ungenügend gelingt es, neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu gewinnen.
Eine wichtige Auseinandersetzung wurde darüber geführt, dass man die Kämpfe der Arbeiterklassse in den letzten Monaten nicht unterschätzen, sondern sie als Schule des Klassenkampfs auswerten muss. Die Metallerinnen und Metaller haben mit ihren machtvollen Warnstreiks die von den Kapitalisten geplante Nullrunde zu Fall gebracht. Im Juli haben die Hafenarbeiter gestreikt und sich gegen Polizeiübergriffe zur Wehr gesetzt. Das waren - meist gewerkschaftliche - Kämpfe gegen den Krisen- und Kriegskurs der Bundesregierung und eine Schule des Klassenkampfs. Auch international gab und gibt es wichtige Arbeit erkämpfe. Als die MLPD ein Flugblatt mit dem Konterfei von Karl Marx herausgebracht haben, entwickelten sich eine Menge von Diskussionen. Einige Redner sprachen zur Bedeutung der 3. Internationalen Bergarbeiterkonferenz, die Ende August in Thüringen stattfindet.
Wie geht es weiter?
Hier fand nochmal eine kritische Auseinandersetzung statt. Diese schöpferische Diskussionskultur ist ein bedeutsames Merkmal der neuen Friedensbewegung! Kritisiert wurde, dass der Vorschlag des Koordinierungsausschusses für die weitere Arbeit diese stark auf Kampagnen und Höhepunkte reduziert. Eine Massenbewegung baut man in der Kleinarbeit auf! In der Kleinarbeit zur Gewinnung der Arbeiter, der Überzeugungsarbeit unter der Jugend. So mobilisierten mehrere Redner dafür, die Gewerkschaftstage an der Basis gut vorzubereiten. Noch mehr muss die soziale Lage der Massen beachtet werden, Aufklärung über die Inflation, Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten, Solidarität und gegenseitige Hilfe. Das gehört unabdingbar zum Kampf gegen den imperialistischen Krieg und die Weltkriegsvorbereitung dazu.
Um 18 Uhr begann die Podiumsdiskussion, über die wir am Sonntag berichten.
Am Podium nehmen teil:
- Anna Schmit, Vorsitzende des Jugendverbands REBELL
- Felix Weitenhagen, Betriebsrat bei Siemens in Berlin
- Gabi Fechtner, Parteivorsitzende der MLPD
- Marianne Liebknecht aus Wien
- Kazi Sazzad Zahir aus Bangladesch
- Peter Nowak, Journalist
- Monika Gärtner-Engel, Hauptkoordinatorin der revolutionären Weltorganisation ICOR
- Prof. Dr. Gerhard Trabert, Sozialmediziner, Mainz (online zugeschaltet)
Das Podium wird moderiert von Jörg Weidemann, Landesvorsitzender der MLPD in Sachsen / Sachsen-Anhalt