Podiumsdiskussion am 14.1.2023 in Berlin

Podiumsdiskussion am 14.1.2023 in Berlin

Eine echte Strategiedebatte

Dem erfüllten Tag des Strategieseminars* der neuen Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg am 14. Januar in Berlin folgte eine Podiumsdiskussion.

Von gis und na
Eine echte Strategiedebatte
Von links nach rechts: Anna Schmit, Felix Weitenhagen, Gabi Fechtner, Marianne Liebknecht, Jörg Weidemann (Moderator), Kazi Sazzad Zahir, Peter Nowak, Monika Gärtner-Engel (rf-foto)

* Optimistische Stimmung - klärende und streitbare Diskussion beim Strategieseminar der neuen Friedensbewegung

 

Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Podium waren (in der Reihenfolge, in der sie sprachen):

 

  • Prof. Dr. Gerhard Trabert, Sozialmediziner, Mainz (Bundespräsidentschaftskandidat der LINKEN, online zugeschaltet)
  • Gabi Fechtner, Parteivorsitzende der MLPD
  • Ein Genosse der Union der Kommunisten in der Ukraine (online zugeschaltet)
  • Kazi Sazzad Zahir aus Bangladesch, Kommunistische Partei
  • Felix Weitenhagen, Betriebsrat bei Siemens in Berlin
  • Anna Schmit, Vorsitzende des Jugendverbands REBELL
  • Monika Gärtner-Engel, Hauptkoordinatorin der revolutionären Weltorganisation ICOR
  • Peter Nowak, Journalist, Autor des Buchs "Nie wieder Krieg ohne uns"
  • Marianne Liebknecht aus Wien, Enkelin von Karl Liebknecht

Waffenlieferungen – Selbstverteidigung oder ungerechter Krieg?

Der online zugeschaltete Sozialmediziner Prof. Dr. Trabert bedankt sich zunächst dafür, „Teil dieser unheimlich wichtigen neuen Friedensbewegung sein“ zu können und betonte, dass es notwendig ist, ein breites Bündnis zu schaffen, um Frieden auf die Agenda zu setzen. Sein erster Aspekt war: „Wer für den Frieden ist, ist nicht gegen die Selbstverteidigung eines Landes, das angegriffen wird.“ Er hat brutales Töten selbst mitbekommen wie im völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei gegen Nordsyrien, der nicht vergessen werden dürfe. „Man muss einem Aggressor oder Despoten auch militärisch entgegentreten können, um die Demokratie zu schützen.“ Dies könne jedoch nur für den Anfang gelten, dann müsse die Suche nach Frieden auf der Tagesordnung ganz oben stehen. Völlig zurecht erschüttert Prof. Dr. Trabert, dass die bürgerlichen Parteien sich gegenseitig überbieten mit Pseudo-Militärexperten, die nach immer mehr Waffen rufen. Das bringt keinen Frieden. Er berichtete auch von seinen Erfahrungen der Solidaritätsarbeit unter anderem in Kobane/Nordsyrien.

 

Bezüglich der Waffenlieferungen ist die Frage immer: "An wen Waffen und wofür?", so Gabi Fechtner, Vorsitzende der MLPD. „Selbstverständlich bin ich keine Pazifistin, dann wäre ich an der Spitze der MLPD falsch. Das kurdische Volk hat mit einem revolutionären Befreiungskampf das Recht, bewaffnet gegen den IS zu kämpfen. Es war richtig, dass die sozialistische Sowjetunion einen Krieg gegen den Hitler-Faschismus und gegen den Imperialismus geführt hat.“ Aber gemeinsam mit einem Imperialisten, und erst recht dem weltweiten Hauptkriegstreiber USA oder der NATO kann man keinen gerechten Krieg führen. „Waffenlieferungen an sie haben keinen fortschrittlichen Charakter, sondern es ist ein reaktionärer imperialistischer Krieg, der damit geführt wird.“


Der Beitrag des Genossen der Union der Kommunisten der Ukraine, der verlesen wurde, legte anschaulich die machtpolitischen Interessen der Regierung Selenskyj dar, für die nicht der Schutz der Bevölkerung im Zentrum ihrer Politik steht: "Die ukrainische Führung räumte später ein, dass sie seit November 2021 von dem Angriff wusste, aber von Evakuierungsmaßnahmen absah, um keine Panik in der Bevölkerung zu schüren. Die Schlussfolgerung ist, dass die Sicherheit der einfachen Ukrainer für eine scheinbare "Ruhe" geopfert wurde. Es ist nun klar, dass die ukrainische Führung so viele menschliche Opfer wie möglich braucht, denn nur der Tod von 500 Kindern kann gegen die Lieferung von Panzern aus westlichen Ländern eingetauscht werden." Leider konnte Prof. Dr. Trabert aufgrund technischer Probleme an der Stelle nicht mehr aktiv an der Diskussion teilnehmen – was hoffentlich an anderer Stelle fortgeführt werden kann.

Kampf der Arbeiterklasse - noch nicht viel erreicht?

In der Diskussion wurde die sich belebende Streikbewegung in Europa herausgearbeitet, der Kampf bewaffneter Bergleute in der Ukraine und auch der Bauern in Bangladesch im Kampf gegen den Imperialismus. Kazi Sazzad Zahir, Bauernführer und Vertreter der vor 100 Jahren gegründeten Kommunistischen Partei Bangladeschs, schilderte eindrücklich die Folgen des (Wirtschafts)krieges auch für die Kleinbauern in seinem Land, die unter den rasant gestiegenen Preisen unter anderem für Dünger leiden. Er berichtete, dass alle 130.000 Teearbeiterinnen und -arbeiter letztes Jahr im erfolgreichen Streik für höhere Löhne standen.

 

Auch der Kampf von Felix Weitenhagen, Betriebsrat bei Siemens in Berlin, gegen 14 antikommunistisch-motivierte Abmahnungen inklusive Kündigungsdrohungen sind ein Erfolg. Felix arbeitet im IG-Metall-Arbeitskreis Internationalismus. Die Arbeitsgruppe hat noch nicht entschieden, gemeinsam in der neugegründeten Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg fest mitzuarbeiten. Aber sie bringt als ihren bisher erzielten Konsens ein: „Arbeiter lassen sich nicht für kapitalistische Krisen und Kriege verheizen. Sofortiger Stopp des Kriegs in der Ukraine. Keine Waffenlieferungen und keine Zeitenwende hin zu allgemeiner Aufrüstung für die Eskalation hin zu weiteren Kriegen.“ Er brachte den Vorschlag ein, am Jahrestag des Kriegsbeginns auch Aktivitäten in Betrieben zu anzuregen.

 

Eine Vielzahl Beiträge von Arbeiterinnen, Arbeitern und Gewerkschaftern setzte sich mit der nötigen Bewusstseinsbildung unter ihren Kolleginnen und Kollegen auseinander. Anna Schmit und weitere REBELLen unterstrichen, wie wichtig es ist, dass die Jugend von der Arbeiterklasse und ihrem proletarischen Klassenstandpunkt lernt: „Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter!“ Ihre besondere Verantwortung stellten ein Stahlarbeiter und eine Automobilarbeiterin heraus, im Betrieb zu kämpfen, der durch den Krieg Profite einstreicht. Sicherlich muss noch viel geklärt, der spaltende Antikommunismus überwunden werden, damit die Arbeiterklasse ihre führende Rolle im aktiven Widerstand einnimmt. Aber Monika Gärtner-Engel stellte den Trumpf internationaler Organisationsformen heraus, wie die internationale Automobilarbeiterkoordinierung oder die internationale Bergarbeiterkonferenz, sowie die revolutionäre Weltorganisation ICOR. Es gebe keinen Grund für einen skeptischen Zungenschlag, was alles noch nicht geklärt sei. Sie antwortete mit Clara Zetkin: „Was wird, nicht (nur) was ist, ist interessant!“ Letztes Jahr gab es kämpferische tarifliche Streiks mit Millionen Beteiligten, die als Schule des Klassenkampfes geführt und ausgewertet werden müssen. Die selbständige Streikbewegung muss weiter aufgebaut werden, wofür aber wichtige Erfahrungen gemacht wurden. "Vor kurzem erzählte man uns noch, die Zeit der Streiks sei vorbei. Jetzt gibt es selbst bürgerliche Analysen, dass die Kampfmethode des Streiks europaweit eine Renaissance erfährt", so Gabi Fechtner. "Auch dass die Zeit der Revolutionen vorbei sei, wird sich als vorschnelle Hoffnung der Verteidiger des Kapitalismus erweisen."

Anarchisten und Kommunisten

Peter Nowak, Journalist, stellte sich selbst als Rätekommunist vor, bedankte sich für die Einladung, „auch wenn es sicherlich viele Differenzen gibt“. Sein Leitgedanke für die neue Friedensbewegung ist zugleich, dass „in einer Zeit des neuen kapitalistischen Krieges eigentlich ein Zurück zur Zimmerwalder Linken oder Zimmerwalder Konferenz* notwendig“ sei. "Denn damals haben Sozialisten und Anarchisten unter Führung Lenins gegen die Reformisten zusammengearbeitet". Mitten im Ersten Weltkrieg, 1915, trafen sich in der Schweiz Sozialisten, Pazifisten und Anarchisten bis zu Linksliberalen, darunter die Bolschewiki um Lenin. Daraus seien letztlich revolutionäre Bewegungen hervorgegangen wie die Oktoberrevolution 1917 und die Räte in Deutschland, Bayern, Ungarn. Engagiert sprach er für den revolutionären Defätismus als einzigen Ausweg aus dem Krieg und kritisierte, dass Teile der Linken Bewegung auf die Seite einer Kriegspartei übergegangen sind.

 

Gabi Fechtner ging darauf ein, dass die Aufgabe, dass die Arbeiter im Krieg die Waffen gegen ihre eigene Regierung, den eigenen Imperialismus und die Kriegstreiber im eigenen Land richten, noch weit weg erscheint: Vor dem Ersten Weltkrieg gab es eine regelrechte Kriegshysterie, auch unter vielen Arbeitern. Die Position, dass man die Waffen umdrehen und gegen die Kriegstreiber und Herrschenden im eigenen Land richten muss, war in der Minderheit. Aber eine richtige Position bleibt richtig, auch wenn sie (noch) in der Minderheit ist. Vier Jahre später hat sich die deutsche Arbeiterklasse mit revolutionären Matrosen zur Novemberrevolution erhoben, 1917 die russische Arbeiterklasse in der Oktoberrevolution. Wie lange kann die ukrainische Regierung die jetzige Stimmung noch aufrechterhalten, wenn Tausende weitere Menschen in den Krieg geschickt werden?

 

Der Gedanke des Zusammenschlusses gegen den Opportunismus ist richtig. Aber man kann die seitherigen Differenzen zwischen Anarchisten und Marxisten-Leninisten auch nicht ungeschehen machen. Zum Beispiel zur Bedeutung einer revolutionären Partei. Ein wesentliches Vermächtnis Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs ist die rechtzeitige Gründung der revolutionären Partei. Ohne eine marxistisch-leninistische Partei, die die Arbeiterklasse organisiert und schlagkräftig zusammenschließt, kann es gegen den hochorganisierten imperialistischen Gegner keine Revolution geben. Hier liegen die Anarchisten und Rätekommunisten falsch. 

„Anti-opportunistische Bündnisarbeit“ ist das Zeichen der Zeit

Marianne Liebknecht, Enkelin von Karl Liebknecht, warf auf, ob es nicht schade gewesen sei, dass ihr Großvater Karl und die SPD sich trennten. "Wenn aber eine Partei ihren revolutionären Charakter verliert und zu einer bürgerlichen Partei wird, dann muss und darf man als Revolutionär darin nicht Mitglied sein", so Gabi Fechtner. Peter Nowak brachte ein, dass man auf weitere Kräfte zugehen solle, die eigentlich auch zur neuen Friedensbewegung gehören. So vor allem die „junge Antimilitarismus-Bewegung“ mit Kampagnen wie "Rheinmetall entwaffnen".

 

"Es gab manche Diskussion, ob die MLPD mit ihrem neuen Buch "Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus" nun das Tischtuch zu jeglicher Bündnisarbeit zerschnitten hätte. Aber der Abend zeigt, man kann auch eine anti-opportunistische Bündnisarbeit machen", schlussfolgert Gabi Fechtner am Ende der Podiumsdiskussion. Die Marxisten-Leninisten führen den aktiven Widerstand gegen den Kriegs- und Krisenkurs der herrschenden Imperialisten mit der Perspektive des Sozialismus / Kommunismus. Im Kommunismus wird die "Menschheitsfamilie", die Marianne Liebknecht als großen Wunsch in die Diskussion einbrachte, Wirklichkeit.

 

Ein Abend, der zum Nachdenken anregte und Impulse für die Art und Weise der Bündnisarbeit zum Aufbau der Neuen Friedensbewegung gab.

 

 

 

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