Grüne Woche

Grüne Woche

Schaulaufen für Industrie und Politiker oder Kampf für eine zukunftsfähige Landwirtschaft!?

Heute beginnt in Berlin die internationale "Grüne Woche". Aus diesem Anlass haben die Autoren dieses Artikels, den sie für das aktuelle Rote-Fahne-Magazin geschrieben haben, ihn nochmals für Rote-Fahne-News aktualisiert. Heute Abend findet in Berlin auch eine Veranstaltung der Agrarplattform im Internationalistischen Bündnis statt.

Von gz/wr
Schaulaufen für Industrie und Politiker oder Kampf für eine zukunftsfähige Landwirtschaft!?
Eindrucksvolle Trekkerdemo am 19. Januar 2019 in Berlin (rf-foto)

Die Internationale Grüne Woche in Berlin ist die deutschlandweit größte Veranstaltung rund um Agrar- und Ernährungsthemen. Nach zwei Jahren Corona-Pause findet sie heuer erstmals wieder statt. Sie dauert noch bis 29. Januar. Unter anderem ein „Erlebnisbauernhof“ sollen den bis zu einer halben Million erwarteten Besuchern einen Einblick in die Landwirtschaft von heute und in der Zukunft geben. Schlagwörter wie „Transformation“, „Nachhaltigkeit“ und „Schonung natürlicher Ressourcen“ wirbeln durch die Ausstellungshallen. In erster Linie entwickelt die Grüne Woche die Präsentation einer Märchenwelt einer digital transformierten Landwirtschaft. Eine Zukunft, die für die Masse der Bauernhöfe finanziell unerreichbar sein wird.

 

Eingestimmt wurden die Tage mit einem Schaulaufen der Spitzenfunktionäre aller Bundestagsparteien beim „Digitalen Agrarpolitischen Jahresauftakt“. Gegen diese Propagandaveranstaltung für die vom internationalen Finanzkapital diktierte Landwirtschaft gehen seit mehr als zehn Jahren Menschen auf die Straße unter der Losung „Wir haben Agrarindustrie satt!“. Sie startet dieses Jahr morgen, am 21. Januar, 12.00 Uhr am Brandenburger Tor. In den Massenmedien wird diese Demonstration mit mehreren zehntausenden Teilnehmern gemeinhin als Bauerndemonstration bezeichnet. Sie ist aber in erster Linie ein Zusammenschluss kleinbürgerlicher Umweltorganisationen, an dem auch Bauern teilnehmen. Sie als wirklichen Gegenpol zu bezeichnen, wäre zu hoch gegriffen.

 

Viele Forderungen sind berechtigt und unterstützenswert, wie z.B. gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln, das Höfesterben soll gestoppt werden, für artgerechte Tierhaltung oder gegen das Artensterben. Die Überschrift des Aufrufs lautet viel versprechend: „Gutes Essen für alle – statt Profite für wenige!“ Weiter liest man: „Die Wachstumslogik und politische Fehlentscheidungen sind verantwortlich für das Überhitzen des Planeten und das dramatische Artensterben.“ Also kein grundsätzliches Problem, das womöglich durch den Kapitalismus verursacht ist. Für den Bauernpräsidenten Joachim Rukwied sind notwendige und berechtigte Umweltschutzmaßnahmen schon zu viel. Er polterte: "Wir müssen raus aus der ideologischen Kiste". Das sagt einer, der selbst in der ideologischen Kiste der leidenschaftlichen Kapitalismusverteidigung sitzt.

 

Und das gilt auch für den grünen Agrarminister Cem Özdemir. Originalton: "Jahrelang galt in der Agrarpolitik das Prinzip 'Wachse oder weiche'. Viele, die diesem Weg freiwillig oder notgedrungen gefolgt sind, spüren gerade, dass dieses Wachstum an Grenzen stößt und alles andere als nachhaltig war, auch für die Betriebe nicht.“ "Wachsen oder Weichen" drückt aber nichts anderes aus als die Gesetzmäßigkeit, im Kapitalismus zu wachsen, größer zu werden oder aufzugeben und vom Größeren übernommen zu werden. Özdemir stellt es so dar, als gäbe es eine freie Entscheidung, dem zu entrinnen. Sind nicht gerade aus dem Motiv Landwirte in die Nische Biolandwirtschaft geflüchtet? Jetzt ist Ende der Nische angesagt. Im gnadenlosen Konkurrenzkampf zeichnen sich dort Umsatzrückgänge ab.

 

Weiter heißt es im Aufruf der Großdemonstration: „Wir kämpfen für eine sozial-ökologische Transformation. Sie ist die Antwort auf die vielfältigen Krisen. Klar ist: Ohne Agrar- und Ernährungswende verfehlen wir krachend das 1,5 Grad-Ziel und damit globale Klimagerechtigkeit.“ Dieses Ziel ist schon Vergangenheit. Die sozial-ökologische Transformation ist ein Betrug der Ampel-Koalition. In Wirklichkeit bestimmt das allein herrschende internationale Finanzkapital, wo es lang geht.

 

Dazu gehören auch Agrarkonzerne und Lebensmittelhandelsmonopole. Letztere setzen die Lebensmittelpreise stetig in die Höhe und sind ein Treiber der Inflation. Vor allem mit höheren Qualitäten über die Haltungskennzeichnung und Tierlabel schlagen sie noch mal so richtig zu. Cem Özdemir rechtfertigt das mit dem Ukrainekrieg. Süffisant bemerkt die Süddeutsche Zeitung von heute, dass er bei der Pressekonferenz am Donnerstag sich mehr für „deutsche Großkatzen“ an die Ukraine, wie Marder, Puma und Leopard, ereiferte, als über die Pflege von Nutztieren.

 

Sich wirklich mit den herrschenden Monopolen anlegen tut der Minister nicht. Dazu fehle ihm die „Konfliktbereitschaft“, bemerkte Georg Janßen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Warum sollte er auch als Dienstleister der Monopole gegen diese ins Gefecht gehen? Alles, was der Aufruf der Großdemonstration dem entgegensetzt, ist die Vorstellung von fairen Preisen für die Bauern. Zum Lachen! Kleine und mittlere Schweinehalter haben oft aus eigener Tasche ihre Betriebe für mehr Tierwohl umgebaut. Jetzt werden sie mit Niedrigpreisen massenhaft ruiniert. Die Ampelkoalition schaut zu. Nach dem zynischen Motto, der Fleischkonsum muss sowieso reduziert werden. Klein- und Mittelbauern haben am Tisch der großen Politik keinerlei Mitspracherecht. Sie können allein durch den gemeinsamen Kampf an der Seite der Arbeiter ein gewichtiges Wort mitreden.

 

Um wirklich etwas zu verändern brauchen wir einen organisierten Zusammenschluss und gemeinsamen Kampf von Arbeiter-, Frauen-, Umwelt- und Bauernbewegung gegen das internationale Finanzkapital und seine Handlanger in den Regierungen! Jede Verbesserung muss durch harten Kampf errungen werden. Allerdings dürfen sich die kleinen und mittleren Bauern keine Illusion machen, im Kapitalismus haben sie keine Zukunft. Deshalb gehört auch die sachliche Diskussion über eine Landwirtschaft im echten Sozialismus mehr denn je auf die Tagesordnung.

 

Die Agrarplattform im Internationalistischen Bündnis lädt für heute Abend um 18.30 Uhr in den Treff International in Berlin ein zur Veranstaltung "Reisebericht mit Bildern aus Indien über eine erfolgreiche Bauernblockade". Mehr als ein Jahr blockierten die Bauern im Bündnis mit der Bevölkerung die Zufahrtsstraßen zur Hauptstadt Neu Delhi. Millionen kleiner Bauern zwangen gemeinsam mit Arbeitern und großer Beteiligung der Bevölkerung aus den umliegenden Bundesstaatend die Modi-Regierung zur Rücknahme von Agrargesetzen. Diese hätten den Ruin von Millionen Bauern und kleinen Händlern bedeutet. Gerd Zitzner von der Agrarplattform im Internationalistischen besuchte mit einer Reisegruppe im September letzten Jahres das Land und konnte unter anderem mit einem Bauernführer aus dem Punjab sprechen.

 

Freitag, 20. Januar 2023, 18.30 Uhr
Treff International
Reuterstraße 15
12053 Berlin/Neukölln

5 Euro Eintritt (ermäßigt 3 Euro)