Buh-Rufe für den Deutschlandchef
Außerordentliche Betriebsversammlung bei Ford Köln am gestrigen 23. Januar
„Die verarschen uns“ - das war ein häufiger Kommentar, den wir von Kollegen hörten, die aus den Versammlungen kamen. Versammlungen, Plural, denn in die erste Versammlung um 9.45 Uhr passten nur 5.000 Leute, der Rest wurde wieder weggeschickt und zu einer zusätzlichen dritten Versammlung um 12.45 Uhr bestellt.
Für die Spätschicht war bereits im Vorfeld eine eigene Versammlung ab 15.15 Uhr angesetzt worden. Auch der Zug der Kollegen aus der Fertigung der Y-Halle, der geschlossen als Demozug zur Versammlungshalle gezogen war, gehörte zu den Weggeschickten. Für sie wurde dann eine Ersatzversammlung am Mittag durchgeführt – eine geplante, organisierte Desorganisation, kein Zufall.
Erstmals war bei diesen Versammlungen von vornherein der Tagesordnungspunkt „Aussprache“ gestrichen worden, die Kollegen sollten sich nicht selbst äußern. Dagegen gab es Zwischenrufe, Unmut, Protest, der aber abgebügelt wurde. Man werde noch „weitere Gelegenheiten schaffen“. Ausrede! Kritik war nicht erwünscht, zu groß war die Angst von einem selbständigen Kampf ausgehend von der Versammlung – wie es in Saarlouis bei Bekanntgabe der Schließungspläne letztes Jahr der Fall war (Rote Fahne News berichtete). Trotzdem war die Stimmung kämpferisch und wütend, der Deutschland-Chef wurde immer wieder von Buh-Rufen und Pfiffen unterbrochen – obwohl er nur wenige Minuten überhaupt auf der Bühne war.
Bekanntgegeben wurde schließlich, und zwar vom Betriebsrats-Vorsitzenden, nicht von der Geschäftsleitung, dass 65 Prozent der Beschäftigten der Entwicklungszentren in Köln, Dunton (Großbritannien) und Lommeln (Belgien) "eingespart" werden sollen. Von 6.500 sollen 2.200 übrig bleiben. Für Köln hieße das von derzeit 3.800 nur 1.300. Das soll innerhalb der nächsten zwei Jahre umgesetzt werden.
Weiterer Abbau im sogenannten „Admin-Bereich“ (alles außer Produktion und Entwicklung), hier Reduzierung um 20 Prozent. Das betrifft auch das Ersatzteillager Merkenich. Für das Forschungszentrum Aachen gibt es noch keine Entscheidung, es steht aber faktisch vor der Schließung, weil es an der Entwicklung hängt. Am Kölner Standort sind somit 25 Prozent der Belegschaft betroffen! Es geht um Arbeitsplätze in ganz Europa, und auch die Schließung von Saarlouis muss in diesen Zusammenhang eingeordnet werden. Die Ford-Belegschaft muss darauf auch in Europa antworten.
Es gäbe laut Gesamtbetriebsratsvorsitzendem Benjamin Gruschka nun Weg A, eine auch öffentlich geführte Auseinandersetzung, wo der Betriebsrat mit „allen Möglichkeiten der Mitbestimmung massiv in die Pläne von Ford eingreifen und sie stören“ will. Mit dem Wunschergebnis eines „Erwachens und Umdenkens der Ford-Führung in den USA“. Aus diesem Wunschtraum sollte er selbst lieber mal „erwachen“. Weg B sei eventuell ein Sozialtarifvertrag mit der IG Metall.
Es gibt aber auch einen Weg C: Selbständiger Streik für jeden Arbeitsplatz, darin die IG Metall zur Kampforganisation machen und für den konzernweiten Zusammenschluss und Kampf der Belegschaften eintreten. Die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich als Konzernvereinbarung kann Arbeitsplätze erhalten! Das alles müssen die Kollegen jetzt verarbeiten, beraten und finden in der MLPD ihren Verbündeten, der ihnen mit Rat und Tat und einem Schatz an Erfahrungen zur Seite steht.
Vor dem Tor der Werkshalle kam es zu öffentlich geführten Auseinandersetzungen über das weitere Vorgehen. Einige Kolleginnen und Kollegen demonstrierten mit Transparent, Schildern und einem offenen Mikrofon ihre Bereitschaft, für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu kämpfen und kritisierten, dass es keine Aussprache gab.
Es ist in der Belegschaft noch nicht geklärt, wie man weiter vorgehen muss. Die IG-Metall-Bevollmächtigte in Köln kündigte Maßnahmen an, „die weh tun“, wenn Ford an diesen Plänen festhält. Dabei ist doch jetzt schon klar, was Ford vor hat. Kollegen sagten zum Beispiel: „Das geht seit ERA (Entgeltrahmen-Abkommen - Anm. d. Red.) so – Arbeitsplatzabbau über Abfindungen, dritte Schicht gestrichen, Saarlouis, jetzt Köln“ - und manche reagierten dann mit einem „sollen sie den Laden doch gleich ganz dicht machen“.
Ein „Sozialtarifvertrag“, den die IG-Metall-Führung ins Spiel bringt, wird daran nichts ändern – im Gegenteil! Er ist der Weg in die Niederlage, weil Arbeitsplatzvernichtung akzeptiert wird. Bestenfalls hier und da den Abbau finanziell „abpuffern“. Das muss grundsätzlich abgelehnt und dazu erst mal durchschaut werden. Viele Kollegen sagen auch bewusst: „Ich hab nur noch ein paar Jahre. Aber was ist mit der Jugend?!" Aber es kamen auch Meinungen wie: „Man muss den alten Marx wieder aus dem Regal holen und abstauben – er hatte so recht“. Manche ärgerten sich auch, dass die Belegschaft noch nicht geschlossener reagiert hat und die Versammlungen für einen Proteststreik genutzt hat: „Wir hätten bleiben sollen.“
Es gibt jetzt viel auszuwerten – und Schlussfolgerungen zu ziehen, damit die Fordler sich für den Weg des selbständigen Kampfs entscheiden!