Berlin
Nachlese Rosa-Luxemburg-Konferenz: Unruhige Zeiten für DKP und Junge Welt
Die Tageszeitung „Junge Welt“ veranstaltet die jährliche internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, die aber den Namen dieser bedeutenden kommunistischen Revolutionärin nicht verdient. Politisch tragende Kraft ist die revisionistische DKP.
Zu dieser Konferenz am Vortag der Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Berlin kamen etwa 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie standen in langen Schlangen bis zu zwei Stunden in der Kälte vor dem Eingang. Eine gute Gelegenheit, um ins Gespräch zu kommen. Jeder zweite Besucher nahm interessiert das Extrablatt der MLPD, in dem sie gegen das Verbot der Jungen Welt protestierte, einen Infotisch der MLPD auf der Konferenz durchzuführen. Es gab viel Zustimmung zu dem Protest, und auch viele Schriften der MLPD wurden gekauft. Selbst unseren Infotisch vor dem Konferenzhotel versuchte die Junge Welt durch die Polizei abräumen zu lassen. Peinlich, so zu demonstrieren, dass die DKP-Führung sich vor kritischen Diskussionen fürchtet.
Es gab unseren Argumenten gegenüber nur wenig total ablehnende Reaktionen bei den Teilnehmern; viele aus dem Leserkreis der Jungen Welt waren noch nirgends organisiert und gekommen, um sich anzuhören, was die Veranstalter zu Krieg und Frieden sowie zum Sozialismus zu sagen hatten. Eine offene Diskussion war auf der Konferenz nicht vorgesehen. In neun Stunden gab es ohne jede Pause dreizehn Referate und Statements, teils so eng voll gepackt mit Informationen, dass man als Zuhörer kaum noch mitkam.
Unter den Referenten war ein Professor aus Peking zugeschaltet, der zu erläutern versuchte, wie friedlich Chinas Kapitalexporte in die Seidenstraße seien. Ein Diplomat a.D. aus Moskau behauptete: 66 Prozent der Russen sehnen sich nach der alten Sowjetunion, Sozialismus sei „in“: „Wir wollen die Sowjetunion mit friedlichen Mitteln wiederherstellen“ Wenn es stimmt, dass der Sozialismus in Russland „in“ ist, dann ist es allerdings eine grobe Irreführung der Menschen, ihnen die Wiederherstellung der zuletzt imperialistischen Sowjetunion als Lösung anzubieten, die dann auch ohne Sturz des faschistischen Putin-Regimes erreicht werden soll.
Die SDAJ, Jugendorganisation der DKP, hatte zusammen mit der DIDF-Jugend und dem SDS, dem Studierendenverband der Linkspartei, einen eigenen Aufruf zur Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration herausgegeben, in dem sie – im Gegensatz zur DKP – den „Einmarsch Russlands in die Ukraine“ kritisieren. Auf der Konferenz zeigte sich die SDAJ lammfromm: Die DKP hatte ihnen eine Podiumsdiskussion im Hauptsaal gestattet, aber nur zu dem Thema: „Inflation trifft Jugend ...“ - und sie hielten sich an diesen Maulkorb; man hörte auf dem Podium kein Wort zum Ukrainekrieg – und auch der Sozialismus war nur eine Randerscheinung. Aber letzteres galt für die gesamte Konferenz. Bei aller Kritik am Kapitalismus gab es keine Werbung für den Sozialismus, sondern Werbung für das revisionistische Kuba oder eben für die Sowjetunion - wohl gemerkt: Nach der Restauration des Kapitalismus im Land infolge des XX. Parteitags der KPdSU 1956.
Die abschließende Podiumsdiskussion brachte noch einmal das Dilemma der ganzen Konferenz auf den Punkt. Eine Teilnehmerin aus der Friedensbewegung in Hamburg, Christin Bernhold, wagte es zu sagen, dass „man auf die Vorgeschichte des Krieges verweisen kann, aber zugleich sagen können muss, dass der Krieg in der Ukraine auch im Interesse der herrschenden Klasse Russlands geführt wird“. Da ging gleich Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, an die Decke: Die zentralen Fragen seien Waffenlieferungen und Wirtschaftskrieg. Eine wichtige Aufgabe sei es, "pseudolinke Argumentationen" zu entlarven, mit denen politisch gegen Russland mobil gemacht werde. Für Theoriediskussionen sei jetzt nicht die Zeit... Nur wenige heftige Klatscher gab es – und das war dann auch das Ende der Konferenz. Bei diesen neun Stunden Non-Stop-Programm wurde an keiner einzigen Stelle eine Frage, ein Diskussionsbeitrag zugelassen, - schon gar nicht ein offenes Mikrophon. Müssen die Junge Welt und die DKP Kritik so sehr fürchten? Ja, sie müssen.