"Generationenkapital"
Wem nutzt die Aktienrente?
Finanzminister Christian Lindner wirbt für eine „Aktienrente“. Durch vom Staat angekaufte Aktien soll ein als „Generationenkapital“ bezeichneter Fonds gebildet werden, um daraus später teilweise die Renten zu finanzieren. Mit der abstrusen Wortschöpfung soll vorgegaukelt werden, dass damit die Rente der heute noch jungen Generation gesichert sei. Lindner bezeichnet das selbst ganz bescheiden als die „vielleicht größte Rentenreform seit Bismarck“.¹
Bisher funktioniert das Rentensystem in Deutschland nach dem so genannten Umlageverfahren, mit dem Beschäftigte und Unternehmen Beiträge in die Rentenkassen einzahlen.
Trotz steigender Rentenbeiträge und systematischer Absenkung des Rentenniveaus in den letzten Jahren funktioniert das immer weniger. Es gibt mehr Rentnerinnen und Rentner, zugleich gingen die Beitragseinnahmen hinter den Ausgaben zurück. Manche Bereiche wie Beamte und gut verdienende Selbständige bleiben außen vor. Bei wachsendem Niedriglohnbereich und Minijobs sinken natürlich auch die Einnahmen der Rentenversicherung. Und so muss die Bundesregierung immer höhere Zuschüsse aus Steuermitteln leisten. Im Jahr 2022 waren es bereits über 100 Milliarden Euro von den 350 Milliarden Ausgaben der Rentenversicherung.
Allerdings hatten sämtliche Bundesregierungen seit den 1950er-Jahren aus der Rentenkasse versicherungsfremde Leistungen finanziert, darunter Entschädigungszahlungen an "Stasi-Opfer", Subventionen, Aufrüstung der Bundeswehr und anderes mehr. Das summiert sich auf mehr als 900 Milliarden Euro.
Viele Kolleginnen und Kollegen machen sich völlig zu Recht Sorgen um ihre Altersversorgung. Gibt es doch schon jetzt eine immer größere Anzahl von Rentnern und vor allem von Rentnerinnen, die in Armut leben müssen. Die viel beworbene Sicherung durch private Zusatzversicherungen und Rücklagen auf dem Sparbuch oder aus Lebensversicherungen usw. werden von der Inflation weggefressen.
Was in all dem Gejammer über die Krise im Rentensystem unterschlagen wird: Die Arbeitsproduktivität ist in den letzten Jahrzehnten viel schneller gestiegen als die Zahl der Rentnerinnen und Rentner. Das heißt: Ein Werktätiger kann heute deutlich mehr Rentner finanzieren als früher. Ein wirklicher „Systemwechsel“ bei der Altersvorsorge wäre eine Abkehr von dem bisherigen Umlageverfahren entsprechend der Lohnsumme der Beschäftigten.
Eine Forderung der MLPD ist, dass die Rentenbeiträge, wie überhaupt die gesamten Sozialversicherungsbeiträge, allein und zu 100 Prozent durch die Kapitalisten in Form einer umsatzbezogenen Sozialsteuer finanziert werden. Das heißt, dass Konzerne deutlich mehr zahlen müssen als beispielsweise der Handwerksbetrieb mit einem geringeren Umsatz. Für solch einen Wechsel der Rentenfinanzierung sollte die Arbeiterbewegung sich stark machen und kämpfen.
Lindners „Generationenkapital“ ist dagegen in Wirklichkeit eine auf Spekulation aufgebaute Flickschusterei des Rentensystems. Lindners „Aktienrente“ ist nicht mehr als eine neue Subventionierung der Konzerne über die staatlichen Aktienkäufe – für die Lindner auch neue Schulden aufnehmen will. Jahr für Jahr soll der Fonds mit staatlichen Mitteln – also aus den Steuereinnahmen der Beschäftigten – aufgestockt werden.
Die Nutznießer sind nicht zuletzt Finanz- und Versicherungskonzerne. Denen ist es egal, ob die angesparten Anlagen in den kommenden Jahren durch die Kursentwicklungen schrumpfen oder wachsen. Sie machen in jedem Fall Jahr für Jahr bei diesem Geschäft ihre Profite. Dagegen ist der Wert der in dem Fonds angelegten Aktien für die Rentnerinnen und Rentner alles andere als sicher. Das heißt, das „Generationenkapital“ kann durchaus verzockt oder auch durch einen Börsencrash entwertet werden. Die Rente vom Auf und Ab der kapitalistischen Wirtschaft abhängig zu machen, sichert nicht die Rente, sondern macht sie zum Spielball der Spekulation.
Eine sichere Rente auf Dauer allerdings gibt es im Kapitalismus nicht – weil erkämpfte soziale Rechte immer wieder dem Profitstreben geopfert werden. Tiefe Krisen des Kapitalismus/ Imperialismus, der kapitalistischen Weltwirtschaft stellen zudem die Existenz der ganzen Bevölkerung überhaupt infrage.
Sichere Renten wird es daher erst im echten Sozialismus geben, wenn der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht der Profit. Das zeigen auch die Erfahrungen im Aufbau des Sozialismus in verschiedenen Ländern. So lange die Volksrepublik China sozialistisch war, wurden Rentenbeiträge direkt und alleinig bei den Betrieben erhoben. Das entsprach in den 1950er-Jahren drei Prozent der Lohnsumme. Die Höhe der Rente betrug 50 bis 70 Prozent des Standardlohns – je nach Dauer der Beschäftigung. Arbeiter waren mit 60 Jahren rentenberechtigt, Arbeiterinnen mit 55 Jahren.² Aus diesen von den Betrieben eingezogenen Sozialbeiträgen wurde auch das Gesundheitswesen finanziert. Man male sich aus, wie viel Potential allein der Verzicht auf X verschiedene, konkurrierende Krankenversicherungen freisetzen könnte? Auch in dem Bereich lohnt es, über den Tellerrand des Kapitalismus hinaus zu schauen.