Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft
Anhäufung von Wissen - Schleppender wissenschaftlicher Fortschritt
Im Januar 2023 veröffentlichten die Wissenschaftler Russel Faunk, Michael Park und Erin Leahey im renomierten Fachmagazin „Nature“ eine Studie, die behauptet, dass die "bahnbrechenden Erkenntnisse" weniger geworden seien. (1)
Das läge an zu viel Wissen und zu großer Spezialisierung, wird vorgebracht. Trotz rasanter Fortschritte im Bereich der Biotechnologie oder der mRNA-Technologie, wer genau hinsehe, "kann in verschiedenen Gebieten von Wissenschaft und Technik gewisse Ermüdungserscheinungen beobachten", kommentierte etwa der österreichische Standard. (2)
Die Menge des wissenschaftlichen und technischen Wissens ist in den letzten Jahrzehnten sprunghaft gewachsen. Die wissenschaftliche Literatur verdoppelt sich alle 17 Jahre. „Aber der wissenschaftliche... Fortschritt hat sich verlangsamt“, laut dieser Studie – „trotz all der weiter steigenden Ausgaben für Wissenschaft und Technik und der deutlich vermehrten Zahl an Wissensarbeitern.“ (3)
Das haben früher schon andere Studien belegt, bei der Entwicklung von Halbleitern oder Medikamenten z.B. „Papers, Patente und sogar Förderanträge sind im Vergleich zu früheren Arbeiten weniger neu und verbinden weniger wahrscheinlich unterschiedliche Wissensgebiete, was beides Vorläufer von Innovationen sind", so die Autoren in „Nature“. Sie haben dafür 45 Millionen wissenschaftliche Veröffentlichungen von 1945 bis 2010 und 3,9 Millionen Patente von 1976 bis 2010 ausgewertet. Ihr Fazit: Durchbrüche, die die Wissenschaft in eine neue Richtung lenken, nahmen in den Jahren 1945 bis 2010 bei den Sozialwissenschaften um 91,9 Prozent ab, bei den Physikwissenschaften liegt der Rückgang bei 100 Prozent (!), bei Patenten für Computer und Kommunikaton bei 78,7 Prozent und bei Arzneimittel und Medizin bei 91,5 Prozent. Das belegt konkret, was das neue Buch von Stefan Engel „Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft“ bereits im Vorwort grundsätzlich aufwirft: „Im Fokus der Kritik stehen die krisenhaften, schädlichen Rückwirkungen der bürgerlichen Ideologie auf den Fortschritt der Naturwissenschaften. Sie untergraben tendenziell die Wissenschaftlichkeit, hemmen die gesamtgesellschaftliche Entwicklung und haben gravierende negative Folgen für Mensch und Natur.“ (4)
Die Autoren der Studie ziehen Bilanz: „Wir stellen fest, dass es immer unwahrscheinlicher wird, dass Veröffentlichungen und Patente mit der Vergangenheit in einer Weise brechen, die Wissenschaft und Technologie in neue Richtungen lenkt. Dieses Muster gilt für alle Fachgebiete und ist über mehrere verschiedene zitier- und textbasierte Metriken (*) hinweg stabil.“ (5) Einigermaßen ratlos vermuten die Forscher Funk, Park und Leahey "eine grundlegende Veränderung in der Natur von Wissenschaft und Technologie". (6) Das ist doch mehr als nebulös. Die bürgerlichen Forscher sind nicht in der Lage, die weltanschauliche Ursache der krisenhaften Entwicklung der Naturwissenschaften zu erfassen. In „Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft“ heißt es dagegen: „Die bürgerliche Naturwissenschaft verlor ihre in sich geschlossene theoretische Grundlage, indem sie den dialektischen Materialismus verdrängte oder sich sogar feindlich gegen ihn stellte. Das untergräbt zunehmend ihren wissenschaftlichen Charakter.
So erreichen Forschung und Entwicklung zwar bis zum heutigen Tag eine gigantische und auch fortschreitende Vielfalt von richtigen Einzelerkenntnissen. Die Metaphysik verzichtet jedoch weitgehend auf die Untersuchung des universellen Zusammenhangs der vielfältigen Einzelerkenntnisse. Das verschärft den Widerspruch zwischen dem Einzelwissen, das beschleunigt wächst, aber nicht mehr wissenschaftlich verallgemeinert wird. Die Weiterentwicklung auch der theoretischen Grundlagen der Wissenschaften degeneriert mehr und mehr zur Randerscheinung. So entwickelte sich die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaften, die immer häufiger offen aufbricht.“ (7)