Leserbrief
Professor Münkler argumentiert eindimensional und ahistorisch
Elisabeth Höchtl aus Köln hat den folgenden Leserbrief als Reaktion auf einen Artikel aus dem „Kölner Stadtanzeiger“ geschrieben. In diesem Artikel beschimpfte der Politologe Herfried Münkler das Manifest von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht als „verlogen“ und „gewissenlos“. Der Leserbrief wurde vom „Kölner Stadtanzeiger“ online veröffentlicht:
Herr Professor Münkler argumentiert eindimensional und merkwürdig ahistorisch. Folgt man seiner Logik – wer angreift, hat die Kriegsschuld – dann hätte etwa Österreich-Ungarn die Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg. Wie im Ersten Weltkrieg auch, muss man jedoch im Krieg die Interessen der jeweiligen Machtblöcke untersuchen. Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, das hatte bereits Clausewitz erkannt. Im Ersten Weltkrieg prallten imperialistische Interessen der Alliierten und der Mittelmächte aufeinander. Vorausgegangen waren ein Rüstungswettlauf sowie die sogenannte „trade rivalry“, besonders zwischen England und Deutschland.
Ähnliches spielt sich zwischen Russland und der NATO ab. Die Ukraine ist seit einigen Jahren Brennpunkt eines imperialistischen Machtkampfs. Sowohl die USA und die EU als auch Russland fokussieren die strategische Ausdehnung ihrer europäischen Einflussgebiete auf die Ukraine. Russland will seine wirtschaftliche Unterlegenheit durch die Annexion von Gebieten der ehemaligen Sowjetunion kompensieren; das eigentliche, nur humanitär verpackte, Ziel der NATO ist die strategische Schwächung des neuimperialistischen Russland und damit auch dessen „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ mit China.
Insoweit ist dieser Krieg auf keiner Seite „gerecht“ – beide Seiten verfolgen imperialistische Interessen! Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs ist leider ausgesprochen real. Im Ersten Weltkrieg brauchte es Revolutionen, um dem Gemetzel ein Ende zu setzen. Das scheint mir heute nicht so viel anders zu sein!