Hetzkampagne von AfD und anderen Ultrareaktionären
Nehmen Flüchtlinge deutschen Senioren ihr Zuhause weg?
Berlin erlebt ein neues Paradebeispiel für reaktionäre Meinungsmanipulation: „Geflüchtete ziehen nun dort ein - Drama um Berliner Seniorenheim - beim Rauswurf weinten die alten Menschen“ (Focus 28.2.23).
Auf Twitter hetzt die AfD: "Platz für 'Flüchtlinge' - wohlweislich in Anführungsstrichen! - Deutsche Mieter werden gekündigt." Die Berliner Story geht so: 110 alte Menschen müssen aus ihrem schönen, ruhig gelegenen Pflegeheim in Berlin-Wedding ausziehen, weil dort Flüchtlinge einziehen. Die alten Menschen weinen, sie müssen zusehen, wie ihre schönen Möbel in Container geworfen werden, während in den oberen Etagen bereits die ersten Flüchtlinge einziehen. Das Ganze wird sofort von allen möglichen Zeitungen nachgedruckt, von „BZ“ bis hin zur reaktionären Züricher „Weltwoche“.
Die wahre Geschichte ist allerdings weniger tauglich für reaktionäre Propaganda. Träger des fraglichen Pflegeheims ist die „Johannesstift Diakonie“, nach eigenen Angaben „das größte konfessionelle Gesundheits- und Sozialunternehmen in der Region Berlin und Nordost-Deutschland“. Dieser Konzern verspricht „zugewandte Betreuung im Einklang mit unseren christlich-diakonischen Werten“. Die wahren Werte dieses Konzerns sind in der Gewinn- und Verlustrechnung säuberlich aufgelistet, die zuletzt für 2021 veröffentlicht wurde. In 60 Einrichtungen und bei 37 Tochtergesellschaften arbeiten 10.435 Beschäftigte und erwirtschafteten immerhin einen Konzerngewinn von 8,5 Millionen Euro. Aber O Schreck, im Jahr vorher waren es noch 9,86 Millionen Euro Reingewinn. Da musste etwas passieren. Jetzt wird es etwas bizarr, denn es kommt eine zweite Einrichtung der evangelischen Kirche ins Spiel, nämlich das „Paul-Gerhard-Stift“, das Eigentümer der fraglichen Immobilie ist. Zwischen den beiden Einrichtungen der christlichen Nächstenliebe ist ein Streit um Pacht- und Mietzahlungen entbrannt, der dazu geführt hat, dass der Vertrag im Jahr 2021 aufgelöst wurde. Damit war klar, dass die pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner vor die Tür gesetzt werden. Wohlgemerkt im Jahr 2021, als es noch keine Ukraine-Flüchtlinge gab und auch die Zahl der sonstigen Flüchtlinge mit 190.000 sehr überschaubar war. Es ging schlicht und ergreifend um das Geld. Die Wut der Betroffenen und deren Angehörigen richtet sich denn auch nach allen vorliegenden Berichten vor allem gegen die „christlichen“ Manager und nicht gegen die Geflüchteten.
Die zwei kirchlichen Stifte stritten sich also um die lukrative Senioren-Einrichtung und einigten sich schließlich auf dem Rücken der Bewohner. Nachdem deren Auszug bereits beschlossen war, begann der Ukraine-Krieg und damit eine neue Fluchtwelle. Zugleich stieg die Zahl der Geflüchteten aus anderen Regionen erneut an. Das christliche Management des „Paul-Gerhard-Stifts“ erkannte, dass die "Nächstenliebe" bei Unterbringung von Geflüchteten noch lukrativer ist als die Pflege von Senioren. Inwieweit ein gewisser Martin Matz (SPD) seine Finger im Spiel hatte, ist noch nicht klar. Matz war von 2018 bis 2021 Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Soziales. Er ist auch Vorsitzender des Kuratoriums des Paul-Gerhardt-Stifts. Aber solche Zusammenhänge sind ohnehin für die reaktionäre Meinungsmanipulation uninteressant. Ohne den geringsten Beleg titelt denn auch das online-Portal der Funke-Mediengruppe „Der Westen“: „Berlin: Senioren fliegen wegen Geflüchteten aus Altenheim! Betroffene fassungslos – ‚Gab viele Tränen‘“ (28.2.23)
Im Unterschied zu deutschen Seniorinnen und Senioren müssen Flüchtlinge in Deutschland zunächst in Sammelunterkünften untergebracht werden, wozu sich Wohnheime u.ä. eignen. Nicht nur in Berlin werden Altersheime und zum Teil auch Wohnungen in Flüchtlingsheime umgewandelt. Auch im Süden Deutschlands, in Lörrach, gibt es ein ähnliches Beispiel: 40 Bewohner aus einem Wohnkomplex der städtischen Wohnbau Lörrach sollen ausziehen, damit dort 100 Flüchtlinge untergebracht werden können.
Die AfD nutzt diese Beispiele, um ihre Hetze gegen Flüchtlinge weiter unter die Massen zu tragen: Die Flüchtlinge seien schuld, wenn "deutsche Bürger" ihren Wohnraum verlieren. Das ist eine Lüge und dient nur zur perfiden Spaltung und als Rechtfertigung dafür, dass Europa noch mehr zur Festung ausgebaut wird. Die Bundesregierung versprach, pro Jahr 400 000 Wohnungen zu bauen. Doch dieses Ziel ist in weiter Ferne. PRO ASYL schreibt im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsgipfel, der vor wenigen Tagen in Berlin stattgefunden hat: „Die Krise der Unterbringungspolitik besteht seit Jahren und nicht erst, seitdem Schutzsuchende aus der Ukraine aufgenommen wurden. Lösungsansätze dafür beginnen mit einer Debatte über die Aufhebung der Wohnpflicht in Sammelunterkünften und enden mit einem Kurswechsel mit dem Ziel: Wohnungen statt Lager“, sagt Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL. „Debatten über Abschiebungen sind hier nicht zielführend und befeuern nur eine diskriminierende und ausgrenzende Stimmung."
Die Kündigung von Wohnungen langjähriger Mieter oder von Pflegeheimbewohnern ist grundsätzlich keine Lösung des Wohnungsproblems für Flüchtlinge. Das befeuert nur die völkische Hetze der AfD, die so versucht, sich als Anwalt der Armen und Alten auszugeben. In Wahrheit stützt die AfD die Monopole und die imperialistischen Regierungen, die für die gesellschaftlichen Probleme nicht nur hier, sondern auch in den Ländern, aus denen Flüchtlinge kommen, verantwortlich ist.
- Vollständige Übernahme der Kosten der Flüchtlingsbetreuung durch Bund und Land!
- Sofortiger Stopp von Abschiebungen auf antifaschistischer Grundlage!
- Volle rechtliche Gleichstellung aller dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität!
- Wer die Fluchtursachen bekämpfen und grundlegend überwinden will, der muss das imperialistische Weltsystem bekämpfen!