Dokumentiert

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Sindelfingen: Gedenkfeier für Erdbebenopfer wird zur Propagandshow für Erdoğan

Leserbrief einer Kollegin an die „Sindelfinger Zeitung“ zur Berichterstattung über die Veranstaltung auf dem Marktplatz und zur Stellungnahme des Deutsch-Kurdischen Kultur-Vereins:

Ja, es war gut und richtig, gemeinsam der Erdbebenopfer zu gedenken und ja, wir schauen gemeinsam fassungslos auf die täglichen Schreckensmeldungen und versuchen, Solidarität zu zeigen und Hilfe zu leisten.

 

Großen Respekt für die Hilfsbereitschaft und den Einsatz, die so viele Menschen unentgeltlich leisten.

 

Doch kann man, angesichts der Tatsache, dass in Diyarbakir die Menschen verzweifelt hinter Zäunen auf Nachricht über die Verschütteten warteten und staatliche Hilfe sie nicht oder zu spät erreichte, wirklich davon sprechen, dass „alle Unterschiede beiseite gelegt wurden“, wie Generalkonsulin Kocak sagte? Oder angesichts der Tatsache, dass noch einen Tag nach dem Erdbeben in Nordsyrien kurdische Gebiete von türkischen Flugzeugen bombardiert wurden?

 

Die Redaktion schreibt auf der gleichen Seite: „Die Politik bleibt am Mittwoch in Sindelfingen dennoch in Hintergrund“. Das kann ich als anwesende Bürgerin so nicht bestätigen. Sogar auf dem veröffentlichten Foto sind ein Dutzend türkische Fahnen erkennbar. Sie wurden auch zu Dutzenden auf dem Marktplatz verteilt. Sicher soll das Recht, eine Fahne zu tragen, hochgehalten werden. Es waren jedoch keine kurdischen Fahnen erlaubt. Werden dann „alle Unterschiede beiseite gelegt ?“

 

Es ist vielmehr so, dass durch eine angebliche „Gemeinsamkeit“ verwischt und verharmlost wird, was sich tatsächlich in der Türkei abspielt. Es ist die kriminelle Baupolitik einiger korrupter Politiker und Baufirmen unter Leitung des Präsidenten Erdoğan, die für die katastrophalen Folgen dieses Bebens verantwortlich ist. Ein Präsident, der Geologie aus dem Lehrplan streichen und dafür Religion unterrichten lässt; ein Präsident, der die seit mehr als 20 Jahren eingetriebene "Erdbebensteuer" in Höhe von 38,4 Milliarden US-Dollar nicht für den Erdbebenschutz, sondern für den Bau sonstiger Bauprojekte zweckentfremdet hat. Alle diese Fakten sind in ihrer Zeitung nachzulesen!

 

Solidarität? Ja, unbedingt. Weiter spenden? Ja! Allerdings nicht an Stellen und Konten, die über die offiziellen regierungsnahen Institutionen laufen. Denen zu misstrauen ist angebracht. Die türkische Regierung verfügt über die modernste Kriegstechnologie und reagiert sofort auf jegliche demokratische Bewegung mit massiver Repression. Aber in den meisten betroffenen Städten war der Regierungsapparat wie vom Erdboden verschluckt.