Trauerfeier für Toni Lenz

Trauerfeier für Toni Lenz

Er war ein Vorbild und ein "feiner Kerl"

Heute nahmen etwa 400 Menschen im Gelsenkirchener Willi-Dickhut-Haus Abschied von Anton „Toni“ Lenz. Dass so viele gekommen waren, zeigt, welch große Wirkung er in seinem Leben hinterlassen hat.

Von Rote Fahne Redaktion
Er war ein Vorbild und ein "feiner Kerl"
Gedenkfoto von Toni Lenz bei der heutigen Feier (Foto: RF)

Genossinnen und Genossen, Freundinnen und Freunde, Kollegen, Nachbarn, Verwandte, ehemalige Arbeitskollegen und Mitstreiter würdigten ihn auf unterschiedliche Weise. Umrahmt von Liedern und Gedichten brachten sie in ihren Redebeiträgen Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse und besondere Aspekte seines Lebens, seines Charakters, seines Kampfes ein. „Was man heute alles noch über Toni erfahren hat“, staunten einige. Die unterschiedlichen Beiträge ergaben ein vielseitiges und farbenfrohes Mosaik seines Lebens.

 

Gabi Fechtner, Vorsitzende der MLPD, sprach allen aus dem Herzen, als sie betonte, dass Toni Lenz „ein selbstloser, kulturvoller und fröhlicher Mensch, ein aufmerksamer Zuhörer und verantwortungsvoller, kompetenter Arzt“ war. „Er war ein Freund und das, was man einen „feinen Kerl“ nennt. Wir sind an diesem Tag von Trauer erfüllt, aber auch von dem Bedürfnis, Tonis Lebenswerk zu würdigen und in uns aufzunehmen.“

 

In seiner Verantwortung als Mitglied des Zentralkomitees hat Toni Lenz „in vielen Bereichen Bleibendes geleistet: in der Redaktion der Roten Fahne, dem 14-tägigen Magazin der MLPD, in der Öffentlichkeitsarbeit und insbesondere in der Jugendarbeit als Jugendpolitischer Sprecher der MLPD. Wirklich stilprägend war Toni in seiner kulturellen Arbeit.“

„Die Menschheit ist die Unsterblichkeit der sterblichen Menschen“

Zum ersten Mal seit ihrer Parteigründung war ein aktives Mitglied des Zentralkomitees der MLPD so mitten aus dem Leben gerissen, als Toni am 21. August 2021 zusammenbrach und sich nicht mehr erholte. Der Tod erscheint manchem wie ein absolutes Ende. Darauf ging Gabi Fechter ein: „Denkt man als kollektives Wesen, welches der Mensch ist, so wird deutlich: 'Die Menschheit ist die Unsterblichkeit der sterblichen Menschen.' So formulierte es Ludwig Börne, ein Journalist, der Friedrich Engels in seiner Jugend inspirierte. Auch als dialektische Materialisten sprechen wir in gewisser Weise von Unsterblichkeit. Nicht im körperlichen Sinne. Aber in dem Sinne, dass der unsterblich ist, der auf die Veränderung dieser Welt, und der Menschen Einfluss genommen hat, der Spuren hinterlassen, sich dem Kampf um Befreiung gewidmet hat, der nicht vergessen wird, sondern dessen Lebenswerk in unseres eingeht.“

 

Gabi Fechtner hob die große Selbstlosigkeit von Toni Lenz hervor: „Toni hat sich bewusst entschieden, den vorgezeichneten Weg einer bürgerlichen Karriere im kapitalistischen System zu verlassen. Er erkannte: Die Hauptkraft im Kampf für den Sozialismus ist die Arbeiterklasse, die der Minderheit der unterdrückenden Klasse unversöhnlich gegenübersteht. Er entschied sich, sein Leben und seine Arbeit voll in ihren Dienst zu stellen, mit ihr zu verschmelzen und von ihr zu lernen. Das erforderte auch eine Selbstveränderung von Toni.“


Tonis große Kollegialität, Kompetenz und bescheidende Lernbereitschaft unterstrich auch Stefan Engel, der 37 Jahre das Kollektiv des Zentralkomitees leitete und seit 1991 Leiter der Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG ist. Er war offen, stellte seine Kenntnisse zur Verfügung und brachte sich initiativ und 100% zuverlässig ein. Auch, als es darum ging, Jahrzehnte prägende Theorien seiner Berufstätigkeit als Anästhesist infrage zu stellen, wie die idealistische Theorie von zwei parallelen Nervensystemen.

 

„Kenne ich nicht, will ich nicht!“, das gab es bei ihm nicht, er setzte sich dran, sein gesamtes Studium auf den dialektischen Materialismus hin zu überprüfen und trug zum Buch „Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft“, der Nummer 38 der Reihe REVOLUTIONÄRER WEG, bei - das ihm gewidmet wurde. Stefan Engel betonte, wie wertvoll Toni für das Kollektiv war und bedankte sich bei ihm – für sein Lebenswerk, für viele Jahre Freundschaft, gemeinsames Lieder-Singen und Urlaube.

"Ihn interessierte der ganze Mensch"

Toni Lenz hat viel erreicht in seinem Leben, das viel zu früh und schließlich nach 17-monatiger schwerer Krankheit zu Ende ging. „Wenn er von etwas überzeugt war, kämpfte er es auch durch“, berichtet seine Frau Michaela Weber in ihrem Beitrag. Sich gegenseitig in tiefer Freundschaft zu prägen und dabei zu verändern, das war Teil ihrer 25-jährigen Partnerschaft. Von ihr stammte auch der Eindruck: „Er beschränkte sich nicht auf Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen, ihn interessierte der ganze Mensch. Privatleben und Politik – das war für ihn nie etwas Getrenntes, nie!“ Und Gabi Fechtner berichtete: „Toni hat nicht nur schön daher geredet. Er war sich nie zu schade, auch bei den einfachsten Dingen des Lebens zu helfen. So hat er am Tor bei ZF einen jungen Kollegen kennengelernt, der mit seinem Alltag nicht zurecht kam. Die Arbeitssituation hat ihn sehr gefordert. Toni hat ihn zu Hause besucht und die beiden haben zuerst mal eine Grundreinigung gemacht; gemeinsam überlegt, was ist wichtig, was ist nicht so wichtig im Leben.“


Toni Lenz arbeitete bis zu seiner schweren Erkrankung in Teilzeit in der Essener Gemeinschaftspraxis Anästhesie-Centrum. Sein ehemaliger Chef, Dr. med. Damian Posielek, erzählte, wie Toni sich immer selbst vorstellte: „Ich bin Marxist und Anästhesist“, während er eher "Anästhesist und Kapitalist" sei, bezüglich der Leitung der Praxis. Toni sei der „Sozialbeauftragte“ gewesen, der das Team zusammengehalten habe. Er habe immer auf Augenhöhe und hochkompetent gearbeitet und mehrfach in kritischen Situationen Leben gerettet. Auch wenn er selbst kein Marxist-Leninist sei, so teile er doch Tonis Einstellung zur Menschheit, die enger zusammenwachsen müsse.


Toni Lenz war Internationalist und im Zentralkomitee verantwortlich für die Beziehungen zu revolutionären Organisationen zunächst im Iran, später dann in Italien. Vria Aranan von der Kommunistischen Partei Iran und Komala bedankte sich und berichtete über die enge Zusammenarbeit mit Toni: Die letzten Informationen, die er Toni nicht mehr geben konnte, wären die Besten gewesen – von sich erhebenden Frauen und kämpfenden Arbeitern im Iran, von der rebellierenden Jugend gegen das Regime.

 

Aus Italien kamen Grüße und Anteilnahme von Gino – einem Partner von People to People – und von der CARC (Komitee zur Unterstützung des Widerstands für den Kommunismus). Ein Vertreter der italienischen Gewerkschaft SI Cobas schreibt: „Diese Leere kann nur durch das Heranwachsen jüngerer Kämpfer gefüllt werden – eine Aufgabe, die Toni meines Wissens nach erfolgreich erfüllt hat.“


Der Jugendverband REBELL – die heutige und die vorherigen Generationen – prägte Toni. Unvoreingenommen auf die Menschen zuzugehen, Freundschaften zu entwickeln und unversöhnlich die Unmenschlichkeit des Systems zu bekämpfen. „Danke Toni, für alle Wurzeln und für alle Flügel, die du uns gegeben hast.“

 

Gerd von der MLPD-Gruppe, die sich auf den Automobilzulieferer ZF in Schalke bezog, berichtet von der Anteilnahme der Kollegen am Tor an Tonis Tod. Er hatte unter ihnen viele Freunde, war ein Top-Verkäufer des Rote Fahne Magazins. Sie schätzten Toni, der auch Initiator der Zeitung „Selber lenken“ „von Kollegen für Kollegen“ war. Christiane Link vom MLPD-Kreisverband Gelsenkirchen, wo er jahrelang Kreisvorsitzender war, würdigte seine enge Verbindung zu den arbeitenden Menschen des Reviers. Die Kreisleitungen aus Essen, wo Toni viele Jahre lebte, nahm sich vor,  seinen Stil der Herzlichkeit und Verbundenheit zu den arbeitenden Menschen künftig wieder mehr zur Geltung zu bringen. Beiträge kamen auch von seiner Hausgemeinschaft und von Carmen Dachner und Yasemin Akkoc vom Frauenverband Courage – Toni war Berater, Frauenaktivist, Umweltkämpfer, Initiator von Hoffesten und Spanferkel-Grillen, die Gitarre bei jedem Fest dabei, ein Arzt mit jederzeitigen Ratschlägen.

 

Jan Specht, Stadtverordneter von AUF Gelsenkirchen, berichtet: Toni war immer geradlinig, verfocht Arbeiterinteressen und "suchte und fand Bündnispartner“. Bei Wirtschaftsausschusssitzungen lernte auch Ali Akyol von WIN (Wählerinitiative NRW) Toni kennen als einen sehr verbundenen, ehrlichen und verlässlichen Politiker – Tugenden, die man "heute in der Parteienlandschaft oft vermisst". Toni suchte enge Zusammenarbeit und wollte mit vielen Anfragen und Anträgen immer etwas für die Menschen, die Jugend, die Bergleute erreichen.


Die Lieder von Band-Mitgliedern der Gehörwäsche und vom Ruhrchor, Freiheit, Gracias a la vida, Solidarity forever und das von Toni selbst geschriebene "Dioxin-Lied" hätten Toni gut gefallen.

 

Viele nutzten die Gelegenheit, Anteilnahme und Erinnerungen in den Kondolenzbüchern mitzuteilen, die am liebevoll gestalteten Tisch auslagen. Daneben viele Fotos und Erinnerungsstücke: das Stimmgerät seiner Gitarre, Liederbücher der Bergarbeiter, ein Gedichtband von Heinrich Kämpchen und auch der Schalke-Schal fehlte nicht. Im Anschluss saßen viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Feier noch zusammen bei einem tollen Mitbringbuffet.

 

"Wir setzen sein Werk fort!" - das war die Botschaft der Trauerfeier.