Interessante Preisverleihung

Interessante Preisverleihung

Zum Abschluss der Berlinale 2023

Schlug man die Medienberichte zur Berlinale auf, so war die Ukraine allgegenwärtig. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, es sei nur um sie und den Ukrainekrieg gegangen.

Korrespondenz aus Ingolstadt

Aber der Eindruck trügt: Diese Berlinale hatte ein großes Verdienst. Sie widerstand dem massiven Druck, sich vor den Karren des westlichen Imperialismus und der Ukraine im beidseitig ungerechten Krieg mit Russland spannen zu lassen. Auf den offiziellen Seiten wurde massiv für die kriegerische Unterstützung der Ukraine geworben. Es waren auch Gruppen von Kriegsanhängern mit ukrainischen Fahnen zu sehen. Die perfide Methode der regierungsamtlichen Propaganda war, an der Solidarität mit den Massen im Iran anzusetzen, und den imperialistischen Krieg mit dem Kampf der Massen um Freiheit und Demokratie gleichzustellen.

 

Politisch wichtig war die Solidarität mit dem kämpfenden Volk, den kämpfenden Frauen im Iran. Diese wurde auch mit Bannern in verschiedenen Sprachen „Frauen, Leben, Freiheit" zum Ausdruck gebracht.

 

Kein Bär (sozusagen der Oscar der Berlinale) wurde an offene Kriegstreiber vergeben. Hadnet Tesfai moderierte in ihrer souveränen und freundlichen Art die Preisverleihung. Ausdrücklich erklärte sie die Solidarität mit den Menschen im Iran. Dass sie während der ganzen Preisverleihung nicht von der Ukraine sprach, ist als indirekter Protest gegen die Regierungspolitik zu verstehen, nicht als mangelnde Solidarität mit den Menschen in der Ukraine. Offenen Protest gegen den beiderseitig ungerechten Krieg und die Weltkriegsvorbereitung gab es auf diesem Filmfestival (noch) nicht.

 

Der Film „Superpower“ des Kriegshetzers Sean Penn wurde zum Flop. Ein Kommentator meinte, es sei allzu offensichtlich gewesen, dass diesen das Schicksal der Menschen in der Ukraine nicht interessiert, sondern kriegerische Heldentaten von Selensky und ihm selbst.

 

Demgegenüber gab es unter den preisgekrönten Filmen eine ganze Reihe, die Leben und Kampf der Menschen zum Inhalt hatten. Zum besten Kurzfilm wurde „Les Chenilles“ der Schwestern Michelle und Noel Kersewany aus dem Libanon gewählt. Der Film knüpft symbolisch an der alten Seidenstraße an, die ihre Heimat Levante, aus der sie fliehen mussten, mit Lyon, wo sie jetzt arbeiten und ausgebeutet werden, verbindet. Ihr anfängliches Misstrauen verwandelt sich in Solidarität, und die Seidenraupen verwandeln sich damit in Schmetterlinge. Amnesty International verlieh seinen Preis für einen Film, der die dramatischen Auswirkungen des Kriegs im Jemen auf die Lage der Menschen und besonders der Frauen dort beleuchtete.

 

Während offen reaktionäre Strömungen eine Abfuhr erhielten, findet eine Auseinandersetzung statt zwischen der Behandlung der großen und kleinen gesellschaftlichen  Fragen und der Flucht in eher esoterische Nischen, wenn z.B. Fragen der sexuellen Orientierung und Identität zu einseitig in den Mittelpunkt gestellt werden.

 

Joan Baez und Geraldine Chaplin kamen auch zur Berlinale, reif an Jahren, aber in alter Frische. Auf Boris Becker und seine Metamorphose zum Ehrenmann hätte man dagegen eher verzichten können.