Macron in der Defensive
Offene gesellschaftliche Krise in Frankreich enorm vertieft - der Kampf geht in eine neue Runde
Am gestrigen 16.März wurde das Rentengesetz im französischen Parlament per Notverordnung, dem berüchtigten Paragrafen 49.3 der Konstitution, durchgedrückt. Nachdem es eine sichere Mehrheit für eine Abstimmung über das Gesetz nicht gab, griff die Regierung zu diesem letzten Mittel.
Rote Fahne News berichtete heute früh; mit Aktualisierung um 15 Uhr.
Ein Aufschrei geht durchs Land und in vielen Städten protestierten tausende Menschen am selben Abend! Das Diktat des Rentengesetzes ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeiter, der Frauen, der Jugendlichen, der Rentnerinnen und Rentner, der Kunstschaffenden, Juristen, Pflegekräfte, Ärzte, und all derer, die seit zwei Monaten mit demokratischen Mitteln ihre Opposition dagegen ausdrücken. Die Anwendung des Notparagraphen drückt eine tiefe Defensive, aber auch tiefe Missachtung jeglicher bürgerlich-demokratischen Gepflogenheiten durch die Macron-Regierung aus. Die Regierung verweigerte einen Dialog mit den Gewerkschaftsführungen und handelt mit Verachtung, Arroganz und Zynismus.
Das Vorgehen der Regierung Macron rückt die Frage der Rolle und des Charakters des bürgerlich-demokratischen Staates ins Scheinwerferlicht. Der Betrug zieht immer weniger, Macron als "Präsident der Superreichen", die Regierung als diktatorisch und volksfeindlich werden immer mehr erkannt. Macron und die Regierung müssen zurücktreten!
Oft wird gesagt: "Macron ist verrückt" oder "Macron lebt in einer andern Welt"- das stimmt nicht. Er ist nicht verrückt und er lebt in der kapitalistischen Welt! Er steht unter Vollzugszwang. Der französische Imperialismus ist im internationalen Konkurrenzkampf stark zurückgefallen und braucht, um wieder nach vorn zu kommen, verstärkte Ausbeutung und Umverteilung der geschaffenen Reichtümer. Darauf zielt das reaktionäre Rentengesetz. Auch die Vorbereitung eines Weltkriegs mit einer nie dagewesenen Hochrüstung und Großmanövern wie gegenwärtig im Südosten des Landes sind Politik des französischen Imperialismus bei einer Schlacht zur Neuaufteilung der Welt.
So handelt Macron als williger Diener seines Herren auf Gedeih und Verderb, selbst beim eigenen Untergang, den dieser Schritt gestern m Parlament eingeläutet hat. Dieselbe Politik haben wir doch schon unter Hollande und Sarkozy erlebt, die aber nicht scharf genug vorgingen und ebenfalls auf harten Widerstand stießen. Sie und ihre Parteien haben es mit ihrem eigenen politischen Aus bezahlt. Die Fortsetzung der Kämpfe wird erleben, dass der Staatsapparat mit Gewalt eingreift. Darauf müssen wir uns einstellen, vor allem wenn die Kämpfe die Herrschaft der Bourgeoisie mehr und mehr infrage stellen.
Das Regierungsdiktat hat den Zorn der Volksmassen nochmals gesteigert. Die Kämpfe gehen täglich weiter, mit Selbstlosigkeit, finanziellen und kräfteraubenden Opfern, mit viel Einsatz und Solidarität. Unbefristete Streiks sind ein zentrales Mittel, bisher vor allem in den öffentlichen, aber auch in privaten Betrieben. Hervorzuheben sind die Müllwerker von Paris, die seit zwei Wochen streiken, und das bei den hohen Pariser Lebenskosten und den kleinen Gehältern. Die Kämpfe werden sich radikalisieren, denn die unversöhnlichen Fronten sind klar und es kommt eine Kraftprobe auf uns zu. Zentrale Losungen müssen uns vereinigen und die ganze ökonomische und politische Situation, Ausbeutung und Unterdrückung auf den Punkt bringen. Inflation und Armutsgehälter, Arbeitslosigkeit und Prekaritat, aber auch und vor allem Rechtlosigkeit und Unterdrückung, um die Lebenssituation zu verbessern. Für ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht! Für freie gewerkschaftliche und politische Betätigung im Betrieb und Gesellschaft!
Mehr und mehr wird die Erinnerung an den "Mai 1968" wach, als sich in aufstandsähnlichen Kämpfen eine revolutionäre Situation in Frankreich entwickelte. Die gesamten gesellschaftlichen Grundlagen müssen sich ändern. Doch wenn auch die Kämpfe im Mai 68 erbittert waren, sie führten nicht zur notwendigen sozialistischen Revolution. Richtig steht an eine Wand gesprüht: "Ich will nicht nur den Mai 68, sondern den Oktober 1917". Die Offenheit für eine revolutioinâre Veränderung wächst aktuell sprunghaft, ist aber auch mit vielen Illusionen und Verwirrung verbunden, mit teilweise anarchistischen, pazifistischen, anti-kommunistischen Standpunkten. Es fehlt eine starke, breit verankerte und erfahrene marxistisch-leninistische Partei, die die sozialistische Revolution propagieren, vorbereiten und führen kann. Das ist das heute das Hauptproblem und dafür setzen sich die ICOR-Parteien "Union prolétarienne ml" und die "Unité Communiste" in Verbindung mit den Kämpfen ein.
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