Netanjahu in Berlin und Israel unerwünscht
Proteste gegen seinen Staatsbesuch in Deutschland
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist seit dem 15. März für einen dreitägigen Staatsbesuch in Berlin. Teil des Programms ist ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Das Programm wird unter der höchsten Sicherheitsstufe durchgeführt. Das heißt: unter dem Schutz von 4000 Polizisten. Gegen diesen Besuch protestierten am 16. März in Berlin mehrere Hundert Menschen, unter anderem mit Plakaten: „Netanjahu go home“. Zeitgleich protestierten in Israel erneut Menschen unter anderem mit Plakaten wie: „Netanjahu – don't come back!“.
In Berlin gab es eine Kundgebung vor dem Bundestag, zu der verschiedene palästinensische Organisationen ausgerufen hatten. Zu der Kundgebung am Brandenburger Tor hatte ein israelisches „Bündnis für Demokratie“ aufgerufen. Auch im Internet gab es verschiedene Petitionen und Proteste, die unter anderem von der Bundesregierung forderten „sich klar und öffentlich von der antidemokratischen und rassistischen Politik der Regierung Netanjahus zu distanzieren“.¹
Gemeinsames Anliegen der Proteste ist die Kritik an der reaktionären Politik der Netanjahu-Regierung, die erstmals einer Regierungskoalition unter Beteiligung von faschistischen Parteien den Weg bereitet hat. Entsprechend ist eines ihrer ersten Vorhaben eine Gesetzesänderung, die dem Parlament erlaubt, Entscheidungen des höchsten Gerichts aufzuheben. Ein Teil davon ist die massive Verschärfung der Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung mit freier Bahn für Kräfte einer reaktionären zionistischen Siedlungspolitik.
Seit ihrem Antritt ist die israelische Regierung mit den größten Massenprotesten seit der Staatsgründung konfrontiert. Im Zuge dessen beginnt sie selbst kritische israelische Journalisten zu unterdrücken. Bei aller Berechtigung der Massenproteste ist es ein Problem, welches sich auch in Berlin widerspiegelte, dass die Proteste getrennt in die palästinensische Bevölkerung einerseits und die israelische Bevölkerung andererseits auf die Straße getragen werden.
So fanden direkt nacheinander in ca. 1000 Meter Entfernung die oben genannten Protestkundgebungen in Berlin statt.
Ca. 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zu der Kundgebung palästinensischer Organisationen, an der das Demokratische Komitee Palästina maßgeblich beteiligt war, aber auch Vertreter der BDS-Kampagne und der „Jüdischen Stimme“ waren dabei. Sie kritisierten insbesondere die noch an Schärfe zunehmende Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch die Netanjahu-Regierung, aber auch die Hetze hier in Deutschland gegen die Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf. Ibrahim Ibrahim vom Demokratischen Komitee Palästina, betonte im Anschluss, dass es wichtig war, dass hier gemeinsam palästinensische, jüdische und deutsche Teilnehmer protestiert hatten.
Nach dem Abschluss ihrer Kundgebung erlebten sie gleich ein Lehrbeispiel der deutschen Demokratie, wie sie von Olaf Scholz und Frank-Walter Steinmeier repräsentiert wird. So wies ihnen die Polizei an, auf ihrem Heimweg nicht das Brandenburger Tor zu passieren, weil dort die Kundgebung des israelischen Bündnis beginnen würde. Auf Rückfrage nach dem Grund, gab es die dreiste Antwort der Polizei, dass man so Tumulten und gewalttätigen Auseinandersetzungen vorbeugen wolle. Dem Zusammentreffen von Palästinensern mit Israelis grundlos gewalttätige Auseinandersetzungen zu unterstellen, und es dann noch so darzustellen, dass diese in der Regel von den Palästinensern ausginge ist Teil der Diffamierung von Befreiungskämpfen. Ganz in diesem Ton hetzt auch die Berliner Zeitung mit ihrer Aussage von einer „israelfeindlichen Kundgebung“.² Als einziges Argument kommt in der Folge, dass die Teilnehmer „Viva Palästina“ riefen und Israel als Apartheids-Staat bezeichneten.
An der Kundgebung des israelisches Bündnis für Demokratie beteiligten sich circa 400 bis 500 Personen. Hier waren Schilder zu sehen mit Aufschriften wie: „Kriminelle gehören in den Knast, nicht in die Regierung“ oder „Keinen Fußbreit den Faschisten! Keine Geschäfte mit rechtsextremen Regimen!“. Beteiligt hatte sich hier auch Chadasch, ein Bündnis linker Parteien aus Israel. Sie stachen besonders dadurch hervor, dass sie die Kritik an Netanjahus Politik in ihren Auswirkungen auf die israelische und palästinensische Bevölkerung kritisierten, mit Losungen wie: „Palestinian lifes matter“ oder: „The power united jewish und palestinian solidarity“.
Dem entgegen ließen die Veranstalter den Inhalt ihres Demokratieverständnisses schnell durchscheinen, als sie noch vor Beginn der Kundgebung zwei Jugendlichen mit der Polizei drohten und sie dazu aufforderten ihre palästinensische Flagge, die unerwünscht sei, einzupacken.
Die MLPD unterstützt die Proteste gegen die Netanjahu-Regierung und ebenso gegen ihre Hofierung durch die Bundesregierung unter den Deckmantel des bürgerlichen Antifaschismus, wonach jeder Deutsche auf Grund der Schuld des Hitler-Faschismus solidarisch mit Israel sein müsse. Und das losgelöst von den Unterschieden zwischen der Regierung und der Bevölkerung. Die MLPD hat sich aber nicht aktiv an den Protesten beteiligt, da beide Kundgebungen sich nicht von der Teilnahme von islamistisch-fundamentalistischen bzw. faschistoiden Kräften distanzierten. So sagte unter anderem ein Vertreter des israelischen Bündnisses für Demokratie, dass der Kampf um Israels Demokratie eine Frage von Menschenrechten sei und nicht von rechten oder linken Ansichten. Die MLPD wendet sich gegen solche kleinbürgerlich-sozialchauvinistischen Theorien und sieht die Perspektive im gemeinsamen Kampf der palästinensischen und israelischen Arbeiterklasse und der breiten Massen im Kampf um Befreiung und um Sozialismus.