Leserbrief

Leserbrief

Sind Friedensverhandlungen unter Imperialisten generell abzulehnen?

Die Rote Fahne Redaktion dokumentiert einen Briefwechsel zum Artikel „ver.di-Tarifrunden in politisch brisanten Zeiten“, der am 5. Februar auf „Rote Fahne News“ erschienen ist:

Leserzuschrift

Liebe Genossinnen, liebe Genossen, in dem Artikel „ver.di-Tarifrunden in politisch brisanten Zeiten“ heißt es im ersten Punkt unter anderem: „Im Gegenteil gehören die Kriegstreiber in Deutschland und international ins Visier genommen: Keine Waffenlieferungen mehr in die Ukraine! Für die Aufnahme ernsthafter Friedensverhandlungen statt Eskalation zum Weltkrieg! Das ist die Antwort auf die Burgfriedenspolitik von Frau Welge.“

 

Wie kann eine solch illusionäre Aussage / Forderung „Für die Aufnahme ernsthafter Friedensverhandlungen ...“ in Rote Fahne News durchgehen?

 

Lenin schreibt in seiner Schrift „Sozialismus und Krieg“: „Sie (die Kommunisten) werden sich an jeder Bewegung und jeder Demonstration, die auf diesem Boden (friedensfreundlicher Stimmung) erwächst, aufs leidenschaftlichste beteiligen, aber sie werden das Volk nicht betrügen, indem sie den Gedanken zulassen, dass ohne eine revolutionäre Bewegung ein Frieden ohne Annexionen, ohne Unterjochung von Nationen, ohne Raub, ohne den Keim neuer Kriege zwischen den jetzigen Regierungen und herrschenden Klassen möglich ist. Ein solcher Volksbetrug käme nur der Geheimdiplomatie der kriegsführenden Regierungen und ihren konterrevolutionären Plänen zugute. Wer einen dauerhaften und demokratischen Frieden will, der muss für den Bürgerkrieg gegen die Regierungen und die Bourgeoisie sein.“ (zitiert nach "Krieg und Frieden und die sozialistische Revolution", RW 22, S. 156)

 

„Ernsthafte(r) Friedensverhandlungen“ zu propagieren, bedeutet, die Illusion zu verbreiten, ohne den Kampf gegen den Imperialismus und für den Sozialismus die allseitigen Vorbereitungen eines Dritten Weltkrieges oder die Eigendynamik des beiderseitig imperialistischen Krieges hin zu einem Dritten Weltkrieg stoppen zu können. Lenin nennt das „Volksbetrug“.

 

Auch in der Broschüre „Der Ukrainekrieg und die offene Krise des imperialistischen Weltsystems“ wird auf Seite 73 durch die Überschrift der Erklärung der ICOR vom Mai 2022 hervorgehoben: „Verhindern wir den III. Weltkrieg durch die Stärkung der Kräfte für den Sozialismus.“ Ohne diese Orientierung des aktiven Widerstand wird er keinen Erfolg haben! Denn, so hebt der REOLUTIONÄRE WEG 22 auf S. 298 heraus: „Der Frieden, das beweist die Geschichte von zwei Weltkriegen, kann niemals in 'Partnerschaft' mit den Kriegstreibern verteidigt werden, sondern nur im entschlossenen Kampf gegen alle Maßnahmen der imperialistischen Kriegsvorbereitungen – psychologische wie militärische.“

 

Deswegen hebt Stefan Engel in seinem Beitrag auf der Lenin–Liebknecht-Luxemburg-Demonstration (LLL) in Gelsenkirchen hervor: „Der Klassenkampf zur revolutionären Überwindung des Imperialismus Richtung Sozialismus – das ist der Ausweg, der heute immer deutlicher wird.“ All diese Erkenntnisse und Aussagen – auch aus den Erklärungen 8 und 9 des Zentralkomitees der MLPD – werden durch diese „Antwort auf die Burgfriedenspolitik von Frau Welge“ ignoriert und beiseite gewischt. Das muss schnell und gründlich geklärt und auf Rote Fahne News selbstkritisch korrigiert werden.

Herzliche und revolutionäre Grüße

Antwort der Autoren

Vielen Dank für Eure Kritik an dem Artikel zur ver.di-Tarifrunde vom 5. Februar. Darin kritisiert ihr die Forderung „Für die Aufnahme ernsthafter Friedensverhandlungen statt Eskalation zum Weltkrieg!“

 

Es stimmt, dass der Artikel deutlicher hätte klarstellen müssen, dass es zu einem Waffenstillstand und zu vorherigen Friedensverhandlungen (wie soll er sonst zustande kommen?) nur durch den aktiven Widerstand kommt! Der Artikel geht zwar allgemein auf Fragen wie Druck machen, „ins Visier nehmen“ usw. ein, aber das hätte deutlich klargestellt werden müssen, um nicht Spielraum für pazifistische Illusionen aufkommen zu lassen. Der aktive Widerstand und die Angst der Imperialisten vor einer Revolution kann nämlich durchaus dazu führen, dass die jetzige Phase des Kriegs sich ändert. Das ändert nichts an der generellen Leitlinie, dass wir für die sozialistische Revolution eintreten und den aktiven Widerstand als Schule des Kampfs für den Sozialismus führen müssen.

 

Aber Friedensverhandlungen unter Imperialisten generell abzulehnen oder infrage zu stellen, ist nicht richtig. Auch nicht die These, dass diese gar nicht „ernsthaft“ sein könnten. Im Revolutionären Weg 22 wird verschiedentlich auf die Frage von Friedensverhandlungen eingegangen. An einer Stelle heißt es: „Appellieren an den guten Willen der Regierungen der Atommächte und an ihre Bereitschaft zur Einhaltung der Verträge wird nicht erfolgreich sein, wenn nicht der Druck von Millionenmassen sie dazu zwingt, wenn nicht die Friedensbewegung der ganzen Welt und besonders in Europa durch gewaltige Demonstrationen, Streiks usw. den Verhandlungen Nachdruck verleiht.“ (S. 52)

 

Herzliche Grüße