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Streik im bundesweiten Verkehrswesen: Beste Stimmung - große Wirkung - kämpferische positive Ausstrahlung

Um Mitternacht begann der große gemeinsame Streiktag von ver.di und EVG in der laufenden Tarifrunde des Öffentlichen Diensts. Die Bahn hat den Fernverkehr komplett eingestellt. Auch im Regional- und S-Bahn-Verkehr von DB Regio fahren seit Betriebsbeginn keine Züge mehr. Der Güterverkehr wird weitgehend zurückgehalten.

Von gis
Streik im bundesweiten Verkehrswesen: Beste Stimmung - große Wirkung - kämpferische positive Ausstrahlung
Stürmische Zeiten - die Fahnen flattern im Hamburger Wind (rf-foto)

Auch der Flugverkehr und die Schifffahrt sind massiv betroffen. Mindestens 400.000 Flugpassagiere können nicht abheben. Das prognostizierte Verkehrschaos auf den Autobahnen ist ausgeblieben, vermeldet der ADAC. Die Bevölkerung lässt sich von der zunehmenden Hetze gegen den Streik nicht aufhetzen, obwohl Pendler ja das sogenannte Wegerisiko tragen und trotz Streik pünktlich zur Arbeit kommen müssen. Wer kann, bleibt im Homeoffice.

 

Das können natürlich nicht alle. Aber woher kommen denn plötzlich in Fernsehinterviews und Medienberichten aus der Bevölkerung negative Stimmen zum Streik, während bisher die Meinungsbilder positiv waren und die meisten Betroffenen ihr volles Verständnis für die Forderungen und den Streik ausdrückten? Des Rätsels Lösung heißt ganz einfach: Meinungsmanipulation. So wendet sich die Bildzeitung heute mit der Frage an ihre Leserschaft: "Was macht der Streik Ihnen kaputt" - und dazu eine Telefonnummer. Nicht ohne vorher noch zu behaupten, dass der Staat die Kosten für den Streik via Steuer- und Gebührenerhöhungen auf die Massen abwälzen wird. Ein Leser aus Leipzig schrieb an Rote Fahne News: "Ich habe mich gleich beschwert und gefragt: Was machen die zu niedrigen Löhne mit Ihrer Familie?"

 

Erstens ist laut ADAC das prognostizierte Verkehrschaos ausgeblieben. Und zweitens, und das ist das Wesentliche: Nicht die Streikenden tragen die Verantwortung für Behinderungen und Einschränkungen. Die Verantwortung tragen einzig und allein die Kommunalen Arbeitergeber, die Bahn und die Flughafenbetreiber mit ihren unverschämten provokativen "Angeboten", wonach die Arbeiter und Angestellten erhebliche Reallohneinbußen tragen sollen. Aber schon die bisherigen Warnstreiks und der heutige insbesondere zeigen: Die Bereitschaft zum Verzicht für den Krisen- und Kriegskurs von Monopolen und Staat wird immer weniger. Und es zeigt sich: Wo die Streikenden, Gewerkschafter, MLPD-Genossen und andere direkt mit Streikbetroffenen sprechen, da bekommen sie schnell Zustimmung.

 

Ein Bahnsprecher in Berlin lästert: "An diesem überzogenen, übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind." Nachteile hätten demnach auch Tausende Unternehmen in der Wirtschaft, die ihre Güter über die Schiene empfingen oder versendeten: "Gewinner des Tages sind die Mineralölkonzerne". Letzteres ist eine eigenartige Schlussfolgerung. Aber dass Unternehmen und Konzerne den Streik zu spüren bekommen, das ist gut und nicht schlecht. Ist es doch Sinn eines Streiks, dass er die bestreikten Unternehmen selbst und indirekt viele andere an dem trifft, was sie am meisten interessiert: Ihre Profite.

 

Überzogen? Übertrieben? Das sehen die Beschäftigten ganz anders. Angesichts einer Inflationsrate für Arbeiterfamilien von 15 bis 20 Prozent sind die Lohnforderungen von EVG und ver.di nicht mehr als recht und billig! In Köln am Breslauer Platz zeigt ein streikender EVG-Kollege stolz sein Schild: "Unser Gehalt ist nicht mehr genug, ohne uns fährt weder Bus noch Zug!" Bemerkenswert: Junge Leute von der Fridays-for-Future-Bewegung sind mit dabei!

 

Aus Frankfurt berichtet ein Korrespondent: "Früh morgens kamen 300 Kolleginnen  und Kollegen zur Streikversammlung vor den Frankfurt Hauptbahnhof. Lautstark zeigen sich Gewerkschaftsmitglieder der EVG, von ver.di und der Comba mit Fahnen und Transparenten. Eine gute kämpferische und optimistische Stimmung herrscht. 'Historisch' nannte ein Ver.di-Vertreter den gemeinsamen Streik, dass Bahn, Straßenbahn und Busse stillstehen in Frankfurt, in Nachbarstädten und bundesweit. Der Hauptbahnhof menschenleer zeigt, wie stark alle Unternehmen betroffen sind. Die Bedeutung der Beschäftigten der Verkehrsunternehmen ist unübersehbar. Die Streikenden sehen den Warnstreik als völlig  berechtigt. Unterschiedlich sind die Erwartungen, „ob die Unternehmen sich bewegen“ zu einem besseren Angebot. Einige meinten „erst mal sehen, ob sie zulegen“, andere glaubten nicht daran und hatten den nächsten Streiktag im Blick. „Dann muss es die Urabstimmung zum Vollstreik geben“.

 

Große Zustimmung erhält das gemeinsame Vorgehen der Gewerkschaften EVG, Ver.di und auch Comba. Das müsste der „Normalfall sein, dass man zusammen kämpft und seine Stärke ausspielt“. Für einige war es „mein erster Warnstreik mit der Gewerkschaft“. Sie sind hoch motiviert, ihre Forderungen nach +10,5% durchzusetzen. Bei der aktuellen Inflation ist es eine Provokation der Unternehmen, kein ernsthaftes Angebot vorzulegen, mit 2+3%  Lohnerhöhung in zwei Jahren zu kommen und weitere Verschlechterungen zu fordern.

 

Empört sind viele über die Unternehmer-Überlegungen, gemeinsame Warnstreiks der Gewerkschaften zu verbieten, zwangsweise Verhandlungen vor jedem Streik zu verlangen und das Streikrecht weiter einzuengen. Die Forderung nach einem allseitigen und vollständigen gesetzlichen Streikrecht stößt auf Zustimmung. Offensichtlich stärkt der Warnstreik die Kampfmoral und hebt das Bewusstsein der eigenen Kraft. Verfolgt werden die Streiks in Frankreich, die dort die Regierung in Bedrängnis bringen. Davor haben die Herrschenden bei uns Angst. Politische Fragen bekommen eine größere Rolle. Wieso wird eine Milliarde für Waffen im Ukrainekrieg und Bundeswehrausbau sofort bereitgestellt, während die Folgen der Politik die Arbeiter tragen? Dafür zeigen die Streikenden kein Verständnis."

 

Der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, Ralph Beisel, sieht in dem Streik den "Versuch, per Generalstreik französische Verhältnisse in Deutschland einziehen zu lassen". Ein Generalstreik ist es noch nicht, aber in aller Deutlichkeit zeigt der heutige Streiktag die Kraft der Arbeiter und Angestellten! MLPD-Genossinnen und -Genossen in ver.di sind natürlich beim Streik voll dabei. Und gehen mit Offenem Mikrofon, Flugblättern, Transparenten, Literatur und jeder Menge überzeugender Argumente für die Arbeiteroffensive auf die Kundgebungen und Demonstrationen.

 

Rote Fahne News wird heute Abend weiter berichten. Herzlichen Dank für die Berichte, Korrespondenzen und Fotos, die wir sukzessive veröffentlichen.