Offener Brief einer Sprachschule an die Essener Polizei
Ein solches Vorgehen verurteilen wir auf das Schärfste!
Feryal Araz-Anurer, Geschäftsführerin der AIM Bildung GmbH in Essen, schreibt wegen eines rücksichtslosen Einsatzes in ihrer Einrichtung an die Essener Polizei:
… Am 12. April führte ein ziviles Einsatzkommando der Kriminalpolizei einen maskierten und bewaffneten Einsatz in unserer Sprachschule durch, um eine Person aus dem Unterricht heraus festzunehmen. Dabei gingen die Beamten sehr einschüchternd und rücksichtslos vor.
Mitarbeiter wurden in die Enge getrieben und daran gehindert, sich frei zu bewegen bzw. die Vorgesetzte anzurufen. Teilnehmende und Menschen, die sich in unseren Räumlichkeiten aufhielten, waren eingeschüchtert und verängstigt. Demzufolge bestehen große Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes.
Ein solches Vorgehen verurteilen wir auf das Schärfste! Wir erwarten eine Erklärung!
Wir sind eine seit zehn Jahren in Essen ansässige, durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zugelassene Sprachschule. In unserer Einrichtung werden Integrations- und Berufssprachkurse durchgeführt. Viele Menschen, die bei uns lernen, haben einen Fluchthintergrund und leiden unter den verschiedensten Traumata. Dank der Polizei Essen wurde diesen Traumata gestern ein weiteres hinzugefügt. Mit diesem Einsatz haben sie das Vertrauensverhältnis zwischen Sprachschule und Teilnehmenden beschädigt.
Erfolgreiche Integration setzt Selbstvertrauen und einen geschützten Raum voraus. Ein solches Verhalten, wie es das Einsatzkommando der Polizei an den Tag gelegt hat, ist daher vollkommen unakzeptabel. Auch die Polizei muss Rücksicht nehmen und Wege finden, ihre Arbeit zu machen, ohne dabei anderen zu schaden.
Liebe Polizei Essen, Sie haben nach ihrem Einsatz gestern verstörte und verängstigte Menschen zurückgelassen. Aber schön, dass Sie sich beim Gehen bei meinen Mitarbeitern noch bedankt haben. Das macht alles wieder gut … . (*Ironie aus*)
Und jetzt sagen Sie mir bitte, wie wir es schaffen können, dass die Menschen, die ihren rücksichtslosen, maskierten und bewaffneten Einsatz miterlebt haben, Vertrauen in die Polizei entwickeln können?!
Diese Menschen, die sie verängstigt zurückgelassen haben, hatten vielleicht noch nie Kontakt zur deutschen Polizei. Ihre Beamten haben den Eindruck erweckt, dass die Polizei in Deutschland aber auf diese Weise vorgeht. Möchten Sie wirklich dieses Bild von der Polizei erzeugen? Glauben Sie, dass unter diesen Voraussetzungen eine gelungene Integration möglich ist?
Ich könnte jetzt noch darauf eingehen, dass dieser Polizeieinsatz außerdem eine rufschädigende Wirkung auf unsere Sprachschule hat. Außenstehende haben nur gesehen, wie maskierte und bewaffnete Menschen unsere Sprachschule stürmten. Was glauben Sie, wie das auf Menschen wirkt, die gerade in Deutschland angekommen, versuchen hier Fuß zu fassen? Neben all den anderen Fragen und angerichteten Schäden ist diese allerdings nur zweitrangig.
Sehr geehrte verantwortliche Personen für diesen Polizeieinsatz, zeigen Sie guten Willen und übernehmen Sie die Verantwortung für die Konsequenzen, die sie verursacht haben. Ich lade Sie herzlich ein, uns zu besuchen und einen offenen Austausch mit unseren Teilnehmenden und Mitarbeiterinnen wie Mitarbeitern zu führen. Im besten Fall entschuldigen Sie sich für die Schäden, die sie verursacht haben. Aber hören Sie sich zumindest die Sorgen dieser Menschen an. Hinterlassen Sie kein Trümmerfeld.