Korpuskel- und Wellentheorie
Im Lichte des Revolutionären Weg 38: Goethes Farbenlehre
"Die Ursache für das Festhalten an der Urknalltheorie ist nicht allein gekränkte Eitelkeit, einen Irrtum nicht zugeben zu wollen. Die Hauptursache liegt in der gesellschaftlich dominierenden Weltanschauung des Idealismus.“ (Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft S. 55)
Die Untersuchung der Krise der Physik mitsamt der Urknalltheorie weckte meine Neugier an dem legendären Streit zwischen Goethe und Newton über die Farbenlehre (von beiden Seiten auch nicht frei von Eitelkeiten). Johann Wolfgang Goethe revolutionierte als Anhänger von Friedrich Hegel die deutsche Sprache und Dichtung durch die Anwendung der dialektischen Methode. Mit Immanuel Kant vertrat er weltanschaulich die Existenz der objektiven Wirklichkeit, „das „Ding an sich“ unabhängig von der menschlichen Wahrnehmung. „Die Unterscheidung des Subjekts vom Objekt … dieses hatte Kant mit mir gemein und ich freute mich, ihm hierin zu begegnen.“ [1] Insofern war Goethe Materialist.
Auf dieser Grundlage betrieb er zeitlebens intensive Naturforschungen und entwickelte ein Verständnis von der Natur in ihrer Gesamtheit und den Menschen als Teil von ihr. Neben den naturwissenschaftlichen Studien zur Botanik, Zoologie, Geologie und Witterungslehre war ihm die Farbenlehre ein besonderes Anliegen. Dies schloss eine Untersuchung der Geschichte der Farbenlehre von der Urzeit bis ins 18. Jahrhundert ein. Unter der vorherrschenden bürgerlichen Ideologie war er jedoch nicht zur bewussten Anwendung des dialektischen Materialismus in der Lage, wie er von Marx und Engels entwickelt wurde.
So führte er uneinsichtig einen aussichtslosen Feldzug, um die bahnbrechende Newton'sche Entdeckung der spektralen Zerlegung des Lichts als einen angeblich „dem menschlichen Geist höchst schädlichen Irrtum“ zu belegen. Dabei sind alle Farben nichts anderes als unterschiedliche Wellenlängen des Lichtes. Weitere Experimente belegten, dass das sichtbare Licht wiederum nur ein winziger Bruchteil der ganzen Bandbreite von Strahlen unterschiedlicher Wellenlänge bildet. Wobei das menschliche Auge nur bestimmte Wellenlängen (von rot bis violett – aber schon nicht mehr infrarot und ultraviolett) aufnehmen kann.
An dem langen Streit über die Deutung der inneren Struktur des Lichtes (Korpuskeltheorie und Wellentheorie) nahm Goethe keinen Anteil. Er blieb trotz seines dialektischen Verständnisses des menschlichen Denkens in der Farben- und Lichttheorie der Metaphysik verhaftet. „Farben sind Taten des Lichts“ [2]. Die Farben seien demzufolge nicht im Licht enthalten. Das Licht könne nicht etwas enthalten, das dunkler als es selbst ist. Farben könnten nur durch die mechanische Mischung von Licht und Finsternis entstehen. Oder wenn das Licht durch ein dunkleres Medium dringe.
Goethe stellt die Frage nach dem Wesen des Lichts ausdrücklich nicht, sondern beschränkt sich bewusst auf dessen Erscheinungen und die Wirkung auf den Menschen: „Denn eigentlich unternehmen wir umsonst, das Wesen eines Dings auszudrücken. Wirkungen werden wir gewahr und eine vollständige Geschichte dieser Wirkungen umfasste wohl allenfalls das Wesen jenes Dings.“ [3]
Goethe bestreitet damit zugleich mit Kant die grundsätzliche Erkennbarkeit der objektiven Wirklichkeit. „Kant hat unstreitig am meisten genützt, indem er die Grenzen zog, wie weit der menschliche Geist zu dringen fähig sei und dass er die unauflöslichen Probleme liegen ließ.“ [4] Dem folgte Goethe in seiner positivistischen Denkweise, dass die inneren Gesetzmäßigkeiten, also das Wesen eines Dings nicht erkennbar seien, sondern nur Aussagen möglich seien über die äußeren Erscheinungen der Dinge.
Das Buch „Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaften“ untersucht in dem Abschnitt „Die weltanschauliche Sackgasse der modernen Physik“ sehr verständlich auch für Nichtfachleute den Rückfall der Physik in den Idealismus Immanuel Kants bei der Deutung der Quantentheorie.
Zur Vertiefung des Streits um die Farbenlehre, das Licht (Korpuskel contra Welle) sowie Bewegte Materie (Korpuskel und Welle als Einheit): Willi Dickhut, Materialistische Dialektik und bürgerliche Naturwissenschaft S. 197ff