Gedenken an die Selbstbefreiung von Buchenwald

Gedenken an die Selbstbefreiung von Buchenwald

Immer mehr im Zeichen des bürgerlichen Antifaschismus

Am 11. April 1945 hatten die Häftlinge im damaligen Konzentrationslager Buchenwald - mit dem Wissen der heranrückenden US-amerikanischen Armee - einen bewaffneten Aufstand gegen die Aufseher des Hitler-Faschismus organisiert und das Lager befreit. Um 15.15 Uhr ertönte über die Lautsprecher: „Kameraden, wir sind frei!“ Diese mutige Selbstbefreiung rettete 21.000 Menschen das Leben.

Korrespondenz
Immer mehr im Zeichen des bürgerlichen Antifaschismus
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer lehnen die immer stärkere Umorientierung auf bürgerlichen Antifaschismus ab (rf-foto)

Am Sonntag, dem 16. April 2023, fand die jährliche Gedenkveranstaltung auf der heutigen Gedenkstätte des ehemaligen KZ Buchenwald statt. Ca. 250 Leute nahmen teil. Es kamen auch zwei Buchenwald-Überlebende zu Wort. Sie berichteten von dem brutalen Terror der Nazis. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand dieses Jahr das Gedenken an die Sinti und Roma, die von den Faschisten als Teil einer „minderwertigen Rasse“ ermordet worden waren. Es sprachen unter anderem Bodo Ramelow (Linkspartei), Ministerpräsident von Thüringen, der Vizepräsident des Zentralrats der Sinti und Roma, Jacques Delfeld, der die Rede für den krankheitsbedingt fehlenden Zentralratsvorsitzenden, Romani Rose, hielt, und Doreen Denstädt, Migrationsministerin in Thüringens.

 

Ramelow setzte sich mit einer prominenten Rede in Szene und trägt als Leiter der Staatskanzlei Thüringen, der die Gedenkstätte Buchenwald unterstellt ist, die Hauptverantwortung für die stete Umorientierung der Gedenkstätte hin zum bürgerlichen Antifaschismus. Er selbst profiliert sich, andere Kräfte sollen herausgedrängt werden – ein Vorgeschmack auf die kommende Thüringer Landtagswahl 2024?

 

Denn das Gedenken wird immer mehr auf Grundlage des bürgerlichen Antifaschismus gestellt, was in diesem Jahr einen neuen Höhepunkt erfuhr und zu Recht zu Unmut und Protest unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern führte:

  1. Der Ablauf, die Gedenkzeremonie mit dem bekannten antifaschistischen Lied „Moorsoldaten“ zu eröffnen, der sich jahrelang bewährt hatte, wurde gestrichen.
  2. Es war stets eine große Ehre für junge Schülerinnen und Schüler, die Fahnen der Länder, aus denen die Häftlinge Buchenwalds kamen, bei der Veranstaltung in einer eindrucksvollen Reihe aufgestellt zu tragen. Die Fahnen verkörperten den Internationalismus, der die Häftlinge prägte und der es ihnen ermöglichte, trotz Sprachbarrieren die gemeinsame Befreiung zu planen und vorzubereiten. Dieses Jahr wurde keine einzige Länderfahne hochgehalten.
  3. In keiner der Reden fiel das Wort „Faschismus“. Der unfassbare Terror der „Nazis“ war aber nicht „ideologiefreies“ Handeln „der Deutschen“ im Allgemeinen. Er war Ergebnis der Ideologie des Faschismus – der aggressivsten und reaktionärsten Form der Unterdrückung und Gewaltausübung des Kapitalismus der Arbeiterklasse gegenüber! Heutzutage können sich viele nicht vorstellen, zu welchen Grausamkeiten die Hitler-Faschisten fähig waren – Buchenwald und die gesamte Vernichtungsmaschinerie der Faschisten zeigen aber, wozu eine solche zutiefst reaktionäre Ideologie führen kann. Es gab aber auch deutsche Arbeiter, die ausgehend von ihrer Überzeugung für die proletarische Ideologie Widerstand gegen die Hitler-Faschisten, die Handlanger des Kapitals, organisiert haben – in Buchenwald und anderswo. Im Schwur von Buchenwald, der acht Tage nach der Selbstbefreiung am 19. April auf dem ehemaligen Appellplatz von 19.000 Häftlingen gehalten wurde, heißt es: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Den Schwur von Buchenwald, „den Nazismus mit seinen Wurzeln“ zu bekämpfen, kann man nur umsetzen, wenn man den Faschismus als Klassenherrschaft des Kapitals beim Namen nennt!
  4. Die Gedenkstättenleitung verkündete eine neue Hausordnung, die eindeutig eine „lex MLPD“ ist. Dort heißt es u.a.: „Nicht gestattet sind das Anbringen und Mitführen von Plakaten, Fahnen und Transparenten (ausgenommen sind Traditionsfahnen der Überlebendenverbände); die Ausgabe von Druckerzeugnissen aller Art.“ Das richtet sich eindeutig gegen die MLPD. Um tatsächlich feindselige Symbole, wie faschistische Fahnen und Symbole zu verhindern, braucht es eine solche Hausordnung nicht. Das langsame Streichen der Fahnen ist Bestandteil des bürgerlichen Antifaschismus. Seit der ersten Gedenkfeier in Buchenwald waren Fahnen ein selbstverständlicher Bestandteil des Gedenkens und des Stolzes der Häftlinge. Fahnen repräsentieren politische Organisiertheit, ohne die die Häftlinge in Buchenwald dem Tode geweiht gewesen wären. Diese Fahnen sollen nun verboten werden? Das rief Protest hervor. Jedes Jahr waren die Gedenkzeremonien geprägt von einem Fahnenmeer der verschiedensten Organisationen, Bewegungen und Parteien! Es ist Opportunismus, sich diesem versuchten Fahnenverbot zu beugen und von vornherein keine Fahne mitzubringen, wie das bspw. die Linkspartei getan hat.
  5. Es ist ein Skandal, dass die Gedenkstättenleitung sich an die Spitze stellt und uns vor Ort mit Hausverbot gedroht hat, sollten die Fahnen von MLPD und REBELL nicht entfernt werden. Die Fahnen blieben oben. MLPD und REBELL tragen die Fackel der Häftlinge heute weiter. Unsere Fahnen symbolisieren den Kampf der Häftlinge und Ausdruck unserer tiefen Überzeugung, dass die Arbeiterklasse sich politisch organisieren muss, um den Faschismus bekämpfen zu können. Der mutige Zusammenschluss der Häftlinge in einem überparteilichen internationalen und illegalen Lagerkomitee ist uns ein Ansporn dazu, auch heute die Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg aufzubauen. Es ist ein Skandal, dass die Gedenkstättenleitung die Polizei beauftragte, unsere Personalien aufzunehmen und uns mit Anzeige gedroht hat. Sie waren auch noch so feige, das zum Schluss auf dem Parkplatz zu tun, wo das quasi keiner mitbekommen hat! Das hätte auch unter vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern massiven Protest hervorgerufen. Gerade in Buchenwald, wo die überparteiliche Zusammenarbeit wortwörtlich lebensnotwendig wurde und die Kommunisten eine führende Rolle in der Organisierung des aktiven Widerstands gespielt haben, sollen kommunistische Fahnen verboten werden! Das ist eine Schande dem Andenken des Kampfes der Häftlinge gegenüber. Wir protestieren entschieden gegen diesen Angriff! Die demokratische Öffentlichkeit kann diese Vorgänge nicht auf sich beruhen lassen.