Freiburg

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Was hat der Urknall mit uns zu tun?

Die MLPD Freiburg hatte am 22. April zur Vorstellung des Buches „Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft“ ins Stadtteilbüro Weingarten eingeladen. Rund 20 Leute kamen. Manche hatten das Buch schon gelesen und Kritiken und Fragen mitgebracht.

Korrespondenz

Der Referent, der selber an dem Buch mitgearbeitet hatte, stellte in 45 Minuten die Kapitel zu Astrophysik, der Biologie, der Umweltforschung, der Medizin und zur so genannten „Alternativmedizin“ sowie zur modernen Psychologie vor und gab dann einen Ausblick auf die Perspektiven der modernen Naturwissenschaft. Im Vortrag zitierte er wichtige Polemiken aus dem Buch, so zu den Verfechtern der Urknalltheorie, die ihre idealistische Erklärung der Entstehung des Universums immer wieder anpassen müssen, um sie mit den neusten Beobachtungen und Erkenntnissen der Weltraumforschung, z.B. zum Alter von Galaxien, vereinbar zu machen bzw. dies zu versuchen.

 

In der nachfolgenden  Diskussion kritisierte ein Teilnehmer, dass das Buch eine scharfe Polemik an den Vertretern der Urknalltheorie führe, ohne eine eigene Theorie zur Entstehung des Universums vorzulegen. „Es handelt sich um ein erkenntnisthoretisch-philosophisches Buch“, antwortete der Referent darauf. „Die Kritik vom Standpunkt des dialektischen Materialismus soll Wissenschaftler ermutigen, ihr Spektrum zu erweitern.“ Die Urknalltheorie sei auch unter bürgerlichen Wissenschaftlern höchst umstritten, aber passe gut ins herrschende Weltbild, dass die Wirklichkeit unveränderbar sei, und werde deswegen in der Öffentlichkeit und in der Populärwissenschaft als allgemein anerkannt dargestellt. Um einen Lehrstuhl in Astrophysik zu bekommen, müsse man sich zu ihr bekennen.

 

Eine Kollegin stellte die Frage, warum man sich überhaupt um naturwissenschaftliche Themen streiten müsse. „Ich finde es eigentlich besser, sich mit Sachen aus dem eigenen Umfeld zu befassen, für konkrete Verbesserungen zu kämpfen und einander zu helfen.“ Eine andere Genossin berichtete von Problemen, das Buch zu verkaufen, da sie den Einwand „für mein tägliches Leben brauche ich keine Wissenschaft“ nicht zu entkräften wusste.

 

Verschiedene andere Teilnehmer verwiesen daraufhin auf die komplizierter werdende Wirklichkeit, die es immer schwieriger mache, sich selbstständig einen politischen Standpunkt zu neuen Fragen zu verschaffen. Tagespolitische Diskussionen greifen da oftmals zu kurz. So hätten es Faschisten und Querdenker während der Corona-Pandemie geschafft, auch Arbeiter und fortschrittliche Menschen mit reaktionären Verschwörungstheorien zu verwirren. Viele Kollegen lehnten auch Waffenlieferungen an die Ukraine gefühlsmäßig ab, gehen aber nicht dagegen auf die Straße, weil sie der bürgerlichen Propaganda, die ukrainische Regierung kämpfe dort für eine gerechte Sache, nichts zu entgegnen wissen.

 

„Fragen wie die nach dem Urknall haben sehr wohl mit dem täglichen Leben zu tun“, gab der Referent zu bedenken „Die Frage, woher wir kommen, und wohin wir gehen, stellt sich jeder Mensch, und zu jeder gesellschaftlichen Frage gibt es ein weltanschauliches Narrativ.“

 

Weil die klassenfremde bürgerliche Ideologie auch in die Lebens- und Denkweise der Massen eindringt, stellt die in dem Buch geführte Kritik an der bürgerlichen Naturwissenschaft auch langjährige persönliche Prägungen und Überzeugungen in Frage. So meinten einige Teilnehmer, dass sie die Lektüre bereichernd fanden und sie den meisten Thesen zustimmten, aber einzelnen Passagen entschieden widersprächen: etwa die Kritik an der medizinischen Lehrmeinung der „zwei Nervensysteme“ oder an homöopathischen Heilmethoden, die das Buch als unwissenschaftlich und weltanschaulich reaktionär bezeichnet, mit der eine Teilnehmerin aber persönlich scheinbar positive Erfahrungen gemacht hat. Wir konnten all diese Fragen in 40 Minuten nicht erschöpfend behandeln. Aber die Veranstaltung hat Lust gemacht, diese Diskussionen in der Studiengruppe oder beim nächsten Kneipenbesuch weiterzuführen. Zwei Kollegen kauften das Buch, einer hat auch Interesse am gemeinsamen Studieren.

 

Für das leibliche Wohl gab es Kaffee und Kuchen, Brote mit Bärlauchaufstrich und Getränke. Die Veranstaltung konnte - mit einem Überschuss - finanziert werden.