Flüchtlingsgipfel

Flüchtlingsgipfel

Ein Gipfel der Faschisierung der Flüchtlingspolitik

Nach sechsstündigen Beratungen ging am Mittwoch um 21 Uhr der sogenannte Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern zu Ende.

Von gis
Ein Gipfel der Faschisierung der Flüchtlingspolitik
Diese Flüchtlingsabwehr ist bisher illegal - wird sie nun salonfähig?

Rote Fahne News hatte vorgestern prognostiziert, dass nach der - weitgehend vorgeschobenen - Debatte über das Geld die wahren Absichten der Bundesregierung und der Landesregierungen in der Verschärfung ihrer reaktionären Flüchtlingspolitik in den Vordergrund treten würden. So kam es. Allerdings gab es beim Geld doch eine Einigung, eine vorläufige. Der Bund wird eine Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Damit sollen die Kommunen u.a. die Digitalisierung der Ausländerbehörden vorantreiben können.

 

100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr, eine Milliarde für Flüchtlinge. Das Jahresbudget von Frontex, der Organisation für Flüchtlingsabwehr, ist mit 754 Millionen Euro fast genauso hoch. Die eine Milliarde kommt den Flüchtlingen auch nicht wirklich zugute. Nur ein Teil ist für die Unterbringung und Integrationsleistungen der Kommunen wie Sprachkurse gedacht. Die Investition in die Digitalisierung der Ausländerbehörden ordnet sich hingegen in die Leitlinie ein, Flüchtlinge, die nicht aus der Ukraine kommen, so schnell wie möglich loszuwerden. Mit Karteikarten und händischer Ablage lässt sich die angestrebte Beschleunigung von Asylverfahren nicht bewerkstelligen.

Bundesregierung jetzt voll auf Seehofer-Linie

Treffend heißt es heute in einem Kommentar der Frankfurter Rundschau: "Die Welt ist aus den Fugen geraten. In etlichen Ländern herrscht Krieg, nicht nur in der Ukraine. Die Klimakatastrophe zeitigt schlimme Folgen. Armut grassiert vielerorts. Die Zahl der Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, wächst. Deutschland muss sich darauf einstellen, ob es will oder nicht. ... Die Ergebnisse (des Gipfels, d. Red.) sind allerdings mehr als nur ernüchternd. Sie sind unzureichend, was die Aufteilung der finanziellen Lasten betrifft. Und sie sind menschenrechtlich höchst bedenklich. Die Bundesregierung hat die Not der Kommunen quasi nebenbei genutzt für einen Schwenk in der Asylpolitik."

 

Der verhasste ehemalige Bundesinnenminister Horst Seehofer, der sich die Abschiebung von 69 afghanischen Flüchtlingen zum Geburtstag schenken ließ, hat den ultrareaktionären Abschottungskurs wegen der massiven Proteste von Demokraten, Flüchtlingshelfern und Revolutionären nicht verwirklichen können. Im Koalitionsvertrag wurden - hart erkämpfte - flüchtlingspolitische Fortschritte festgeschrieben. Begleitet von einer unsäglichen Hetzkampagne gegen Flüchtlinge und Migranten wurden sie Stück für Stück zurückgenommen, gipfelnd in den Beschlüssen des Flüchtlingsgipfels. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) übertrifft Seehofer beinahe noch. Stramm setzt sie den Wunschkurs der Monopole um: Abschottung gegen wachsende Flüchtlingsbewegungen, gezielte Anwerbung von ausgebildeten Arbeitskräften zur Ausbeutung durch Konzerne und Monopole. Das ist die durch und durch menschenverachtende Flüchtlingspolitik des Imperialismus, der zuerst alle Fluchtursachen schafft und den Menschen dann auch noch das Recht auf Flucht nehmen will. Schon die Sprache mancher bürgerlicher Politiker und Medien ist verächtlich. Da ist von "Migrationsdruck" die Rede, von "Lastenverteilung", von "Einwanderung in Sozialsysteme", von "irregulärer Migration", von "abschieben" - in der Schweiz heißt es sogar "ausschaffen". Haben diese Leute denn mal darüber nachgedacht, was am Leben in Kriegs- und Krisengebieten "regulär" ist?

Programm der faschistoiden Bekämpfung von Flüchtlingen

Das von der Bundesregierung am 10. Mai veröffentlichte Ergebnispapier ist ein Programm der faschistoiden Bekämpfung von Flüchtlingen und des imperialistischen "brain drain" gegenüber abhängigen Ländern, ihnen die dringend in den Ländern benötigten ausgebildeten Arbeitskräfte wegzunehmen

 

Die Unterstützung der Kommunen besteht neben der genannten Investition in Digitalisierung in der Zahlung von "Bürgergeld an hilfsbedürftige Geflüchtete aus
der Ukraine und an anerkannte Asylsuchende sowie durch die mietzinsfreie Überlassung von Gebäuden und Grundstücken des Bundes". Und was ist mit den noch nicht anerkannten Asylsuchenden? "In den Debatten wird die Zahl der in Deutschland angekommenen Flüchtlinge und Asylbewerber übertrieben", sagt Rechtsanwalt Frank Jasenski von der Anwaltskanzlei Meister & Partner. "Eine Million Menschen kommen aus der Ukraine. Mit Waffenlieferungen an das Selenskyj-Regime sorgt Deutschland mit für die Verlängerung des Kriegs. Asylbewerberinnen und -bewerber aus anderen Ländern, hauptsächlich Syrien, Afghanistan und die Türkei, machen 248.000 aus. Ihre Unterbringung und Integration könnte gut finanziert werden. Zumal die Leute ja arbeiten und selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen wollen."

Sonderbevollmächtigter der Regierung für "Rückübernahme"

Seit dem 1. Februar 2023 ist der FDP-Politiker Dr. Joachim Stamp Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für Migration, angesiedelt im Bundesinnenministerium. Von einigen Medien wurde er schon zum Abschiebeminister gekürt. "Um ausreisepflichtige Personen in ihre Herkunftsländer zurückzuführen, ist es notwendig, die Kooperation mit zahlreichen Herkunftsländern zu verbessern." Stamps Gesellenstück ist ein Abkommen über eine "umfassende Migrations- und Mobilitätspartnerschaft" mit Indien. Darin wird geregelt, dass gut ausgebildete Fachkräfte aus Indien nach Deutschland kommen und abgelehnte indische Asylbewerber von Indien "zurückgenommen" werden müssen. Stamp soll viele solcher Abkommen auf den Weg bringen. Dabei sind auch Sanktionen im Gespräch wie Reduzierung entwicklungspolitischer Zahlungen, wenn Länder nicht "spuren". Da kann Bundeskanzler Scholz - wie kürzlich auf seiner Keniareise - noch so viel von Zusammenarbeit auf Augenhöhe reden. Das ist nackte imperialistische Erpressungspolitik. Wie die Lage für rückkehrende Flüchtlinge aussieht, welchen Verfolgungen sie ausgesetzt wären, interessiert Herrn Stamp und Frau Faeser nicht. Indien z.B. wird von einem Faschisten regiert. Die in Deutschland lebenden Geflüchteten wollen in ihrer großen Mehrheit Arbeit, Ausbildung, Asyl und nicht ausgetauscht werden gegen "bessere" Migranten!

Hürden gegen Abschiebungen sollen fallen

Mehr Abschiebungshaftplätze, die Verlängerung der Zeit, die Menschen dort verbringen, Informationsweitergabe und der Einsatz von Gewalt bei Abschiebungen sind Thema im Beschluss vom 10. Mai, z.B. hier: "Um Fragen bei polizeilichen Aufgriffen von vollziehbar ausreisepflichtigen Personen – auch durch die Bundespolizei – sowie in Eilrechtsschutzverfahren jederzeit zügig klären zu können, stellen Bund und Länder eine durchgängige Erreichbarkeit der jeweils zuständigen Behörden sicher." Die letzten gesetzlichen Hürden gegen Abschiebungen sollen fallen. Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sollen keine aufschiebende Wirkung mehr haben. Das alles bedeutet nichts anderes, als dass die Flüchtlinge und Asylbewerber Freiwild werden sollen, ihrer verbliebenden bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten beraubt!

Asylverfahren sollen ausgelagert, Grenzkontrollen ausgebaut werden

"Optimiertes Aufgriffsverfahren" ist laut Beschluss vom 10. Mai ein wichtiges Ziel von Bund und Ländern. Das heißt: Flüchtlinge sollen so früh wie möglich auf ihrem Fluchtweg inhaftiert und zurückgeschoben werden. Damit würden die bisher als illegal deklarierten Pushbacks wie in Griechenland auf breiter Front salonfähig! Flucht wird illegalisiert, Unterdrückung von Flüchtlingen legalisiert. "Die Bundesregierung tritt in den laufenden Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) auf europäischer Ebene für verpflichtende Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen für bestimmte Personengruppen ein." Diese Personengruppen sind z.B. Flüchtlinge aus Afghanistan, Ghana, Senegal. Aus Sicht der Herrschenden gelten viele als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge. Ein Fischer, dessen Arbeitsmöglichkeit durch Umweltzerstörung wegbricht - ein "Wirtschaftsflüchtling"? Eine Textilarbeiterin aus Bangladesch, deren Arbeitsplatz vernichtet wird - ein "Wirtschaftsflüchtling"? Diese Flüchtlinge sind Arbeiter und Arbeiterinnen! Sollen gegen sie etwa libysche Küstenwachen oder faschistoide Grenzpolizisten Asylverfahren durchführen? Wer es trotz aller Hindernisse bis Österreich oder nach Deutschland schafft, soll durch Ausbau der Grenzkontrollen und Schleierfahndung jederzeit abgefangen und abgeschoben werden können.

Nein zu dieser Faschisierung der Flüchtlingspolitik!

Was Seehofer nicht hingekriegt hat, will jetzt eine SPD-/FDP-/Grünen-Regierung auf den Weg bringen. Kein Demokrat, kein Christ, kein fortschrittlicher Mensch kann sich damit abfinden. Es ist Ausdruck einer massiven Rechtsentwicklung von Regierungen und bürgerlichen Parteien. Menschen werden zu Freiwild erklärt. Das Programm muss vom Tisch! Auch deswegen, weil eine Regierung, die so gegen Flüchtlinge vorgeht, tut es früher oder später auch gegen die "einheimische" Arbeiterklasse und die Massen. Klären wir über den wahren Inhalt der Festlegungen des Flüchtlingsgipfels auf! Schließen wir Menschen zusammen im Kampf gegen diese ultrareaktionäre Flüchtlingspolitik! Werben wir für eine sozialistische Alternative zur menschenverachtenden Politik des Imperialismus! Für das Recht auf Flucht! Vorwärts zur internationalen sozialistischen Revolution!

 

 

 

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