Straßburg
Scholz: Offener Anspruch auf machtpolitische Führungsrolle der EU
Was Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Rede vor dem Europa-Parlament am 9. Mai lieferte, ist an Heuchelei schwer zu überbieten.
Übertüncht von allerlei humanistischen Phrasen wie „faire Partnerschaft“ und „Kooperation auf Augenhöhe“ meldete er offen eine stärkere machtpolitische Rolle des EU-Imperialismus in der Welt an. Man müsse den „eurozentristischen Blick hinter sich lassen“ , „sich der Welt zuwenden“, um Europa einen guten Platz zu sichern. Dazu brauche es eine „geopolitische, erweiterte, reformierte und zukunftsoffene“ EU.
So forderte er die schnelle Aufnahme der Ukraine, Moldaus, Georgiens und Mazedoniens in die EU. Er mahnte eine „engere Verzahnung der Verteidigungsanstrengungen“ und den Aufbau einer „integrierten europäischen Verteidigungswirtschaft“ an. Was heißt, dass die imperialistische Kriegsvorbereitung ganz im Sinne seiner Zeitenwende weiter forciert werden soll.
Dann beschwor er die rasche „Reform des EU-Asylsystems“, um die „irreguläre Zuwanderung besser zu steuern, ohne unsere Werte zu verraten“. Welche Werte denn? Dass man billigend in Kauf nimmt, wenn Flüchtlinge im Meer ersaufen? Dass man sie an den EU-Außengrenzen wochenlang in haft-ähnliche Transitzentren einsperrt und möglichst schnell wieder abschiebt? Oder dass man – wie Scholz bei seinem Besuch in Kenia – Tausende gut ausgebildete Fachkräfte abwirbt, die dort dringend gebraucht werden?
Um diese Pläne schneller und reibungsloser zu erreichen, soll die EU institutionell reformiert werden: Statt Einstimmigkeit soll es Mehrheitsentscheidungen geben, damit die Interessen der führenden imperialistischen Länder in der EU leichter durchgesetzt und widerspenstige Mitglieder an die Kandare genommen werden können.