Tarifabschluss bei der Bahn
Offiziell 52,3 % stimmten für Schlichtungsempfehlung des EVG-Vorstandes – „ein klares Votum“ sieht anders aus!
„Die Urabstimmung ist abgeschlossen: 52,3 Prozent der Teilnehmenden haben sich für die Annahme der Schlichtungsempfehlung ausgesprochen. Damit haben wir ein klares Votum der Mitgliedschaft für einen Tarifabschluss.“ - so der Vorstand der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).
Doch von einem „klaren Votum“ für einen faulen Abschluss kann nicht die Rede sein. Die Wahlbeteiligung lag bei 65,3 %. In Wahrheit haben also 34 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für die Annahme des Schlichterspruchs votiert. Trotz der Warnung vor einem unbefristeten Streik von bürgerlichen Medien und Politikern und undemokratischen Quoten bei der Urabstimmung¹, sprachen sich offiziell 47,7 Prozent gegen die Schlichtungsempfehlung aus. Das ist Ausdruck einer gewachsenen Klassenselbständigkeit, die eigene Rechnung aufzumachen, und des Wunsches bzw. der Forderung nach einer EVG als Kampforganisationen. Auch die erpresserische Aussage des EVG-Vorstandes, wenn 75 Prozent sich für unbefristeten Streik aussprechen, müssten sie damit rechnen, dass alle bisher erreichten Verbesserungen damit erstmal wieder weg wären², zog bei knapp der Hälfte der an der Urabstimmung teilnehmenden Mitgliedern nicht.
Was enthält der Abschluss?
Damit „erreichen wir effektive und nachhaltige Einkommenssteigerungen für viele Kolleginnen und Kollegen“ – meint die EVG-Führung. Schön wär's! Denn die Schlichtungsempfehlung sieht eine Lohnerhöhung erst ab Dezember um 200 Euro und weitere 210 Euro mehr ab August 2024 vor; bei einer Laufzeit von 25 Monaten. Zudem soll es im Oktober eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 2850 Euro geben. Gefordert aber war mindestens 650 Euro im Monat mehr, bei einer Laufzeit von 12 Monaten.
Das wäre auch durchsetzbar gewesen, wenn der EVG-Vorstand nicht davor eingeknickt worden wäre, die hohe Streikbereitschaft für eine Urabstimmung mit dem Ziel eines unbefristeten Flächenstreiks zu nutzen.
Deshalb galt lange Zeit die Zustimmung einer Mehrheit der EVG-Mitglieder als nicht sicher. Das blieb auch den bürgerlichen Medien nicht verborgen: „In den vergangenen Wochen hatten viele etwa mit Beiträgen in sozialen Netzwerken betont, dass sie mit dem Schlichtungsergebnis nicht einverstanden seien. Die Verhandlungsführer wurden zum Teil sehr deutlich kritisiert. Gewerkschaftskreisen zufolge hatten sich vor und während der Urabstimmung auch einige große Landesverbände skeptisch zum Schlichtervorschlag geäußert.“ berichtete am 28. August die Tagesschau.³
Zum Unmut über die späte und angesichts der Inflation unzureichende tabellenwirksame Lohnerhöhungen und die lange Laufzeit kommt hinzu, dass es „strukturelle Erhöhungen“ v.a. für Beschäftigten in Lohngruppen mit einer relativ geringen Bezahlung gibt. Dadurch gehen z.B. die Lokführer leer aus.⁴ Dieses Element im Tarifabschluss wirkt deshalb spalterisch.
Die MLPD hat den EVG-Mitgliedern geraten, die faule Schlichtungsempfehlung der EVG abzulehnen (wir berichteten) und Initiativen zu ergreifen, dass es zum unbefristeten Streik kommt. Damit der Tarifkampf und das Ergebnis nicht zum Rückzug der Aktivitäten oder gar Austritten führt, muss der Tarifkampf in Versammlungen gründlich ausgewertet werden.
Die Tarifauseinandersetzung ist jetzt abgeschlossen. Jetzt geht es um die Vorbereitung eines selbständigen Streiks für Lohnnachschlag und die Forderung für ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht. Dieses brauchen die Beschäftigten auch für den aktiven Widerstand gegen die Bedrohung der Existenz der Menschheit durch das imperialistische Weltsystem!