Kompetente Diskussion rund um das Drama der bürgerlichen Psychologie

Alle hatten dazu den Text »Die moderne Psychologie zwischen Dichtung und Wahrheit« [1] von Stefan Engel gelesen. Hermann Hilpert, jahrelang als Psychologe tätig, und Jörg Weidemann, Krankenpfleger und Landesvorsitzender der MLPD, hatten den Nachmittag vorbereitet. Sie fassten wesentliche Erkenntnisse von Stefan Engel in 13 Thesen zusammen. Diese Methode wurde auch als geeignet dafür empfohlen, um sich einen solchen Text zu erobern.

Nachdem die Thesen vorgestellt waren, gab es eine längere Pause, damit sich das gute Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Diskussionsrunde vorbereiten konnte. Es folgten gut zwei Stunden fesselnder Diskussion – kompetent und mit demokratischer Streitkultur.

Ob es nicht übertrieben sei, dass die heute allgegenwärtige moderne Psychologie vor allem auf die Funktionsfähigkeit des Einzelnen im Kapitalismus und des Kapitalismus überhaupt abziele. Und das, obwohl der überwiegende Teil aller Psychologen mit dem festen Vorsatz ins Berufsleben startet, den Menschen zu helfen.

Dass es unter den Betroffenen – immerhin 20 Prozent der Bevölkerung jedes Jahr in Deutschland - viele Ressourcen für den gesellschaftsverändernden Kampf gibt und nicht vor allem Opfer. So wollen sich immer weniger Eltern damit abfinden, dass ihre ADHS-kranken Kinder mit Medikamenten abgedämpft werden. Sie suchen nach Antworten.

Überraschend: Der dialektisch-materialistische Ansatz tritt einer Individualisierung psychischer Erkrankungen und ihrer Therapie entgegen. Gleichzeitig richtet er ein Höchstmaß an differenzierter, individueller Diagnose und Therapie aus. Aber eben auch den Kampf gegen die krankmachenden gesellschaftlichen Verhältnisse als Teil davon. Eine sozialistische Gesellschaft ist Grundbedingung mit dem Massenphänomen psychischer Erkrankungen nachhaltig fertig zu werden, so eine der Schlussfolgerungen des heutigen Nachmittags.