Protest gegen Arbeitsplatzvernichtung

Protest gegen Arbeitsplatzvernichtung

Heftiger kölscher Protest gegen Nacht- und Nebelschließung der Zeitungsdruckerei

Etwa 500 Kolleginnen und Kollegen demonstrierten am Donnerstag vor der Druckerei von Neven Dumont in Köln mehrere Stunden. Die Amsterdamer Straße, eine Hauptverkehrsstraße, war dicht. Der Grund: In dieser Druckerei wurden bisher der Kölner Stadtanzeiger, die Kölnische Rundschau und der Express gedruckt, alle drei gehören zu den größten Zeitungen im Rheinland.

Von gos
Heftiger kölscher Protest gegen Nacht- und Nebelschließung der Zeitungsdruckerei
Protestkundgebung gegen die kaltschnäuzige Arbeitsplatzvernichtung bei Dumont in Köln (rf-foto)

Sie gehören der Familie Dumont, ein Medienimperium mit Aktivitäten in acht Ländern und 2500 Beschäftigten. Die Dumonts gingen dabei beispiellos kaltschnäuzig kriminell vor. Ein Kollege berichtete: „Als die Frühschicht am Mittwochmorgen in die Druckerei kam, wurden wir gleich zu einer Versammlung gerufen. Aber wir hatten schon gesehen: Druckvorlagen,  Material und Technik waren nicht mehr da! Die Geschäftsleitung hatte offensichtlich den Dienstag - Feiertag, 3. Oktober - genutzt, um sie in die neue Druckerei abzutransportieren. Furztrocken erklärte uns der CEO: ‚Ab sofort ist die Druckerei geschlossen und ihr müsst nach Hause gehen. Bis zum Jahresende bekommt ihr noch Geld, so lange läuft der Tarifvertrag noch, dann seid ihr entlassen. Ihr könnt jetzt noch eure Sachen aus euren Spinden holen, dann müsst ihr das Haus verlassen.‘ Und da kamen plötzlich gefühlt hundert Security-Leute! Die Dumonts hatten wohl Angst gehabt, dass wir was machen. Aber bevor wir überhaupt nachdenken konnten, hatten uns die Securities schon sehr nachdrücklich zu unseren Spinden und dann vor die Haustür begleitet.“ Das betraf 200 fest angestellte Drucker. Weitere 250 Leiharbeiter wurden ebenfalls sofort gefeuert.

 

Warum die Dumonts das gemacht haben? Die neue Druckerei in Koblenz, bei der Rheinzeitung, hat für ihre Drucker keinen Tarifvertrag; sie sind also so billig, dass dadurch der nächtliche Transport von Hunderttausenden von Zeitungen in einem Dutzend LKW nicht ins Kosten-Gewicht fällt. Von den Leiharbeitern redet niemand mehr. Aber auch die bisher fest angestellten Drucker sind in einer äußerst miesen Lage: Ihr Durchschnittsalter ist 57 Jahre. Wenn sie ab Januar arbeitslos sind, werden sie zuerst einmal kaum eine Stelle finden, sich selber aber bald in der Grundsicherung. Was sich dann auch ganz blöd auf die Rente auswirken wird, wie die Kollegen erzählten.

 

Die Dumonts hatten das ganze üble Spiel schon lange vorbereitet. Nicht nur die Geheimverhandlungen mit den Koblenzern, die sie dem Betriebsrat – wie den ganzen Schließungsplan – tunlichst verschwiegen hatten. Schon vor Jahren hatten sie die Druckerei aus ihrem Konzern ausgegliedert in eine selbständige GmbH, ebenso die Redaktionen. Die hatten dann einen eigenen Betriebsrat. So sollte die Belegschaft gespalten werden. Dabei haben sie juristische Fachleute an ihre Seite geholt: Laut Ver.di haben sie die Rechtsanwaltskanzlei Seitz engagiert. Diese arbeiterfeindlichen Rechtsverdreher unterstützen die Firma Borbet, haben einen Streik an an der Bonner Uniklinik versucht zu juristisch zu canceln, haben die Modefirma Esprit bei den Kündigungen einer Betriebsratsvorsitzenden gecoacht usw. usw.

 

Ein Vertreter von Ver.di verwies darauf, dass die Druck-Kollegen schon auf Lohnerhöhungen verzichtet hätten, obwohl die Druckerei bis zuletzt schwarze Zahlen schrieb. Alle Kollegen waren sich einig und fluchten: „Wenn wir vorher etwas gewusst hätten – wir hätten gestreikt und die Druckerei besetzt und verhindert, dass Material und Technik nach Koblenz gebracht werden!“ „Das haben auch die Dumonts befürchtet! Deshalb nehmen sie lieber einen Rechtsbruch und irgendwann eine kleine Strafe in Kauf – das sind Kriminelle!“ Eine unverschämte Heuchelei leisteten sich die Dumonts zusätzlich. Sie ließen schriftlich verlauten: „Unabhängig von der unternehmerischen Entscheidung gilt unser persönliches Bedauern allen betroffenen Mitarbeitenden.“ Und diese Ehrenbürger der Stadt Köln rühmen sich noch, schon seit 400 Jahren eine Zeitung heraus zu geben. Schon Karl Marx musste sich mit dieser Familie herumärgern. Er gab in Köln während der Revolution von 1848 die revolutionäre weit verbreitete „Neue Rheinische Zeitung“ heraus, und schon damals hetzten die Dumonts beharrlich gegen jede fortschrittliche Aktion so stur und reaktionär, dass Marx und viele Kölner sie nur noch „die Heuler“ nannten.

 

Der Betriebsratsvorsitzende  Harald Hartung kündigte eine breite Öffentlichkeitsarbeit an; DGB, Ver.di, verschiedene Parteien hätten ihre Unterstützung zugesagt. Ein Ford-Kollege trat ans Mikrofon und überbrachte solidarische Grüße: Im Kampf um jeden Arbeitsplatz dürfe keiner allein bleiben! Die Kölner beim Protest sehen das ähnlich. Die bekannte Kölsch-Kneipe Reissdorf am Hahnentor erklärte, ab sofort keine der Dumont-Zeitungen mehr in ihren Häusern auszulegen: „So geht man nicht mit Menschen und Mitarbeitern um, das ist zutiefst unkölsch und das Allerletzte.“ Hunderte von Lesern in den sozialen Medien erklärten sich solidarisch.

 

Die Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen müssen unabhängig davon, wie es konkret weitergeht, verarbeitet werden. Die Familie Dumont ist offenbar ein besonders abstoßendes Beispiel von Kapitalisten. Aber die Ursache für Arbeitsplatzvernichtung und Ausbeutung und Unterdrückung ist der Kapitalismus, die ganze Arbeiterklasse steht der Kapitalistenklasse unversöhnlich gegenüber. Ganz offensichtlich fürchtete diese auch bei Dumont die Kraft der Arbeiter, wenn sie klammheimlich die Fabrik leerräumen. Und eine Lehre für andere Belegschaften ist es auf jeden Fall, dass man wachsam sein muss und sich nicht mit schwarzen Zahlen und gar Lohn- und Urlaubsverzicht hinters Licht führen lassen darf.