Zum 100. Geburtstag des Künstlers
Roy Lichtenstein – Kunst gegen Krieg oder für den Kommerz?
Am 27. Oktober 1923 wurde Roy Lichtestein in New York geboren. Er wurde weltweit vor allem durch seine großformatigen Comic-Bilder bekannt. Die Documenta 4 im Jahr 1968 in Kassel verhalf ihm in Deutschland zum Durchbruch. Seine Bilder waren gefragt und wurden sehr teuer. Wie kam es dazu?
Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sich der Kunstmarkt von Paris nach New York. Mehrere hundert Millionen Dollar investierte der US-Auslandsgeheimdienst, um in einer der größten Nachkriegsoperationen ein weltweites antikommunistisches Kulturnetz zu knüpfen. Zentrum der CIA-Aktivitäten war der "Kongress für kulturelle Freiheit" (1). Nationale Zweigorganisationen unterhielt der "Kongress" in sämtlichen Staaten Westeuropas. Ziel war der Kampf für "amerikanische Werte" in Bildender Kunst, Literatur und Musik.
In der bildenden Kunst hieß dies: sozialistischer Realismus ist totalitär, ungegenständliche Kunst ist demokratisch und frei. Aber der vom CIA zunächst gepuschte sogenannte „abstrakte Expressionismus“ (2), geriet in die Krise, da er sich hauptsächlich an Intellektuelle und elitäre Kreise wandte. Immer neuere Kunstarten wurden hauptsächlich in den USA entwickelt und gefördert wie „action painting“, „op art“ oder „kinetische Kunst“. Erst mit der „pop art“ Anfang der sechziger Jahre entstand eine gefällige, vergnüglichere Richtung, die insbesondere auch unter Jugendlichen Anklang fand.
Wie Andy Warhole kam Roy Lichtenstein von der Werbegrafik und vom Design zur Kunst. Nachdem er sich mit abstrakten Kompositionen vergeblich mühte Käufer zu gewinnen, versuchte er es mit Comics, die er in Übergröße produzierte. Durch seinen Versuch, die industrielle und damit kommerzielle Produktion der Comics zu kopieren, steigerte Lichtenstein die Verbindung zwischen Kunst und kapitalistischem Kommerz.
Lichtenstein wurde schnell in die Pop Art integriert, eine Kunstrichtung, die in den 1960er Jahren zu einer vorherrschenden künstlerischen Ausdrucksform im Kalten Krieg wurde. Seine comicartigen Kriegsbilder, Bilder voller militärischer Aggressivität, (1963, 1964) wurden häufig als eine Antikriegshaltung des Künstlers interpretiert. Da diese Bilder hauptsächlich während des vietnamesischen Befreiungskampfes (ca. 1955 bis 1975) in Europa (z. B. in größerem Umfang 1968 auf der 4. Documenta in Kassel) bekannt wurden, wurden sie in Deutschland häufig dazu noch antiimperialistisch interpretiert.
Später dazu befragt, sagte Roy Lichtensteiner: „Persönlich finde ich, unsere Außenpolitik ist in vieler Hinsicht barbarisch gewesen, aber das ist es nicht, worum es mir bei meiner Arbeit geht, und ich will diese weitverbreitete Position auch nicht ausschlachten. Das Thema meiner Arbeit betrifft eher unsere amerikanische Definition von Bildern und visueller Kommunikation.“ (3) Lichtenstein wollte seinen Galeristen und deren Kunden nicht vor den Kopf stoßen. Bereits Mitte der sechziger Jahre konnte er von seinen Werken leben. Der "Kongress für kulturelle Freiheit" (CCF) löste sich 1967 auf, nachdem öffentlich ruchbar wurde, dass er über all die Jahre insgeheim vom amerikanischen Geheimdienst CIA finanziert und von dessen Vertretern gelenkt worden war.
Lichtenstein war durch seine überdimensionalen Comicbilder bekannt geworden, was von manchen Kritikern als Hinwendung zu einer volkstümlichen verständlichen Kunst gewertet wurde. In Wirklichkeit wurde sie zu einer bloße Anpassung an plakative und konsumorientierte Zustände im Kapitalismus.