Ostsee
Nochmals zur Jahrhundertsturmflut: „Mecklenburg-Vorpommern - Glück gehabt?“
Nach der großen Ostseesturmflut am vorletzten Wochenende gibt Mecklenburg-Vorpommerns Agrar- und Umweltminister Till Backhaus (SPD) gleich wieder Entwarnung. Im NDR beschwichtigte er ausgerechnet vor dem gebrochenen Deich in Wieck auf dem Darss: „Wir haben großes Glück gehabt. Zwar gibt es Schäden an unseren Küstenschutzanlagen, sie haben aber voll ihre Funktion erfüllt. Wir haben keine Menschenleben zu beklagen, keine Verletzten und keine Kapitalwerte verloren. Das ist das Wichtigste“.
Die Botschaft: Er, die Landesregierung und der Katastrophenschutz haben alles im Griff, wir brauchen uns keine Zukunftssorgen zu machen, als ob die globale Klima- und Umweltkatastrophe nicht begonnen hätte!
Auch der Leiter des schleswig-holsteinischen Katastrophenschutzstabs, Dirk Hundertmark, zeigte sich im NDR überrascht vom Ausmaß der Sturmflut: "Wir haben erlebt, dass das Hochwasser deutlich höher war und deutlich schneller kam als prognostiziert." Die Sturmflut hatte an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste schwer gewütet. Rund 2.000 Menschen mussten evakuiert werden und eine Frau auf Fehmarn wurde in ihrem Auto von einem umstürzenden Baum erschlagen. In Städten wie Flensburg, Schleswig und Eckernförde wurden ganze Straßenzüge überschwemmt. Der Strom war abgestellt, mehrere Deiche brachen, zahlreiche in Häfen liegende Boote gingen in den Fluten unter oder wurden an Land gespült. Die Schäden werden bereits auf eine dreistellige Millionenhöhe geschätzt.
Tatsächlich wurde Mecklenburg-Vorpommern von der Sturmflut am Wochenende weniger in Mitleidenschaft gezogen als das benachbarte Schleswig-Holstein. Doch hätte der Wind während des Sturms nur weiter auf Nord gedreht, wären die Folgen für das Land und die Schäden an den Küstenschutzanlagen weit schlimmer gewesen. Dann hätten die bisherigen unzureichenden Küstenschutzmaßnahmen nicht ausgereicht und ihre „Funktion“ erfüllt. Wenn jetzt bereits der Promenadenweg in Sassnitz zu großen Teilen von den gewaltigen Wassermassen zerstört und selbst massive Steinblöcke verschoben wurden, zu welch großen Zerstörungen wäre es erst dann gekommen?
Diese Jahrhundertsturmflut reiht sich ein in eine Folge der neun stärksten und verheerendsten dokumentierten Sturmfluten an der Ostsee seit über 700 Jahren (ostseemagazin.net). Fanden die fünf Sturmfluten von 1304 bis 1904 noch in einem durchschnittlichen Abstand von 150 Jahren statt, verringerte sich dieser im Zeitraum von 1904 bis 2023 auf durchschnittlich 24 Jahre, wobei vier dieser fünf Sturmfluten allein im Zeitraum von 2002 bis 2023 stattfanden! Dies zeigt die dramatische Zunahme solcher „Jahrhundertsturmfluten“ und deren zerstörerische Kraft. Es ist ein Vorgeschmack auf die ganze Dimension einer entfalteten Umweltkatastrophe wie der neue Ergänzungsband „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!“ qualifiziert.
Von einer Entwarnung kann keinerlei Rede sein. Im Gegenteil, müssen für kommende Sturmfluten jetzt einschneidende Küsten- und Hochwasserschutzmaßnahmen umgehend und entschlossen ergriffen werden. Solch eine konsequente Umweltschutzpolitik sieht aber die Landesregierung und Umweltminister Backhaus nicht vor. Mit seiner Aussage: „Der Küsten- und Hochwasserschutzschutz ist dabei eine Daueraufgabe, die nie abgeschlossen sein wird“ lenkt er vielmehr von dieser dringenden und vorrangigen Aufgabe ab und erweckt den verlogenen Eindruck, dass die Landesregierung hier schon vieles und ausreichendes tut. Tatsächlich befördert sie aber mit der Genehmigung der beiden LNG-Terminals in Sassnitz die Klimaerwärmung noch weiter und damit zukünftig noch verheerendere Flutkatastrophen!
Nach der Sturmflut warnen jetzt Experten vor dem Betreten der Kliffs und vor Wanderungen unterhalb der Steilküsten. Es bestehe die Gefahr, dass es zeitversetzt in den nächsten Tagen zu Abrutschungen komme. Auf Rügen ist das bereits geschehen. Die Abbrüche seien bislang nur schlecht vorhersehbar und könnten sich mit steigendem Wasserspiegel künftig beschleunigen. Prognosen zufolge könnte der Meeresspiegel in der Ostsee bis zum Jahr 2100 um bis zu 1,10 Meter steigen. Das entspräche in Sassnitz dem Wasserstand während der Sturmflut vom vergangenen Freitag. Um Gefahren an den Ostsee-Kliffen künftig präziser und früher zu erkennen, fordern sie die Entwicklung eines Frühwarnsystems basierend auf Drohnen und künstliche Intelligenz (KI). Das muss unbedingt unterstützt werden.
Der beste „Schutz“ ist aber der entschlossene Kampf um nötige Sofort- und Schutzmaßnahmen gegen die Verursacher der globalen Umweltkatastrophe, die internationalen Monopole und ihrer Regierungen. Dazu ist ein gesellschaftsverändernder Kampf mit der Perspektive des echten Sozialismus notwendig.
In den „Leitlinien für ein erweitertes Kampfprogramm der Sofort- und Schutzmaßnahmen gegen die globale Umweltkatastrophe“ im Ergänzungsband wird hierzu u.a. gefordert:
- Sofortmaßnahmen zum vollständigen Ausstieg aus fossiler und anderer umweltschädlicher Energiegewinnung, Stilllegung aller Kraftwerke auf Grundlage fossiler Brennstoffe. Schaffung von Millionen gleichwertiger Ersatzarbeitsplätze im Umwelt-, Pflege-, sozialen und industriellen Bereich.
- Rück- oder Umbau der LNG-Terminals auf Kosten der Energiekonzerne.
- Staatlich finanzierter Zugang jeder Person zu Schutzausrüstungen, Erste-Hilfe-Maßnahmen, Lebensmittel- und Trinkwasserreserven für Katastrophenfälle.
- Einführung eines allseitigen und umfassenden Früh- und Akutwarnsystems. Umfassender Ausbau von Rettungsdiensten, bürgernaher Notfallmedizin, Bergwacht, Feuerwehr und Katastrophenhilfe.