Hamburg
Selbstständiger Streik im Hamburger Hafen - Spätschicht übernimmt, Streik geht weiter - 6.11.
Vorstand und Aufsichtsrat der HH LA (Hamburger Hafen und Logistik AG) haben am Montag dem umstrittenen Teilverkauf des Hamburger Hafenkonzerns an die weltgrößte Reederei MSC mit Sitz in der Schweiz zugestimmt. Schon zuvor gab es große Proteste der Hafenarbeiter gegen diese Privatisierungspläne. Aktualisiert 20.45 Uhr, 22 Uhr, 23 Uhr, 8 Uhr, 11 Uhr und um 19 Uhr am 7.11.
Aktualisierung am 7.11. um 19 Uhr
Die Spätschicht hat übernommen - der Streik geht jetzt in der 4. Schicht weiter! Eine Delegation von Ver.di-Streikenden in der Tarifrunde Öffentlicher Dienst war bei den Hafenarbeitern. Es herrscht eine kämpferische Stimmung (bei Regen). Die Internationale Automobilarbeiterkoordinierung hat Grüße überbracht, Ver.di-Kollegen, die MLPD. Kollegen sprechen. Bei dem Wetter kann ich euch allen nur raten, auch wetterfeste und warme Kleidung zu tragen, bevor ihr euch erkältet, so empfiehlt die Hafenarbeiterkoordinierung auf https://dockers-international.org/
Ab jetzt, 7. November 11 Uhr, stehen die neuesten Nachrichten oben!
Livebericht von heute früh: 5 Uhr morgens am Hamburger Hafen bei HHLA (Hamburger Hafen und Logistik AG). Die Stimmung ist eine Mischung aus Müdigkeit, Stolz und Spannung, was die Frühschicht tun wird. Führt sie den Streik weiter? Oder gibt sie dem Druck von einigen Abteilungsleitern nach, die die Leute einzeln wieder zur Arbeit holen wollen.
Es sind auch Genossen der MLPD vor Ort und bringen solidarische Grüße, das Rote Fahne Magazin und Bücher und eine große Thermoskanne Kaffee. Gleich kommt man ins Gespräch und die Kollegen berichten zum Beispiel, dass Arbeiter von vier Belegschaften zusammen in den Streik getreten sind, die alle von der Privatisierung des Terminals betroffen wären.
Die Arbeiter sind wütend über die Geheimverhandlungen, über das ganze Projekt der Privatisierung, gegen das sie schon lange ankämpfen und wozu jeder negative Beispiele in Hamburg kennt, was Privatisierungen angerichtet haben. Als die Polizei kommt und wissen will, wer diese Aktion leitet, rücken alle enger zusammen und bilden einen Ring um die Polizisten: "Wir leiten das alle, Sie brauchen von keinem Einzelnen die Personalien aufnehmen!
Schließlich eröffnen einige kämpferische Kollegen ein offenes Mikrofon als "Pausenversammlung" (auch wenn eigentlich gar keine Pause ist) und informieren die Kollegen. Die Nachtschicht draußen, die Frühschicht noch hinter dem Zaun auf dem Werksgelände. Mucksmäuschenstill ist es, als berichtet wird, wie in Geheimverhandlungen operiert wird, die Belegschaft und der Betriebsrat keine genauen Informationen über den 104 Seiten langen Vorvertrag erhält.
Schließlich wird abgestimmt: wer ist für die Übernahme von MSC? Von den 200 Kollegen geht keine einzige Hand hoch. Wer ist dann dafür, dass wir hier draußen bleiben? Eine Wand an Händen geht hoch. Stück für Stück kommen die Kollegen der Frühschicht raus. Der Streik geht in die nächste Schicht! Auf der Streikkundgebung kann auch Lisa Gärtner für die MLPD ein Grußwort überbringen. Die Forderungen, dass die Privatisierung ohne Wenn und Aber vom Tisch muss, nach einem Ende der Geheimverhandlungen und für den Kampf um jeden einzelnen Arbeits- und Ausbildungsplatz erhalten viel Zwischenapplaus: Nachdenklichkeit, Wut und Zustimmung dazu, wie im Kapitalismus die Monopole den Takt diktieren und SPD-Bürgermeister Tschentscher und Wirtschaftssenator Dressler den Dienstleister machen.
Die Kollegen wissen die bundesweite Organisierung der Solidarität sehr zu schätzen und es entstehen anschließend viele Gespräche über die akute Lage am Hafen, aber auch über die ganz große Politik, was man von welchen Parteien noch zu halten hat, auch über den Sozialismus und was man aus der sozialistischen Sowjetunion und dem revisionistischen Verrat am Sozialismus lernen kann und muss.
"Wir stehen hier jetzt zusammen, das ziehen wir jetzt durch!" - "Ich bin nicht die einzige alleinerziehende Mutter hier, ich habe schon was zu verlieren, aber jetzt ist der Zeitpunkt, wo wir zusammenstehen und kämpfen müssen." Viele ältere Kollegen nehmen ausdrücklich Bezug darauf, dass sie vor allem für die Jungen kämpfen, dass die ihre Ausbildung und Arbeit machen können. Einer berichtet, wie alles losging: Eigentlich war nur eine Kundgebung am Wochenende geplant, doch in der Versammlung kam von den Arbeitern die Meinung, dass jetzt mal Schluss sein und richtig gekämpft werden müsste.
Warum dann eigentlich nicht jetzt? Ein kurzer Moment der Stille... Und für alle Beteiligten überraschend begann so der erste selbstständige Streik seit über 70 Jahren am Hafen, wie uns ein Kollege berichtete.
Völlig übermüdet, aber stolz über den Streik fahren die meisten Nachtschichtler erst einmal nach Hause. Nachdem die Geschäftsleitung die Kollegen vom Werksgelände mit Kantine verwiesen hat, entscheiden sich die Kollegen, ins Seemannsheim zu ziehen, was zu einer kleinen Demonstration mutiert. Dann ein bewegender Moment: als sie am Hafengelände der Firma Eurogate vorbeiziehen, fahren rund 20 VCs, 10 m hohe Fahrzeuge, die die Container auf die Schiffe fahren, in Reih und Glied an den Straßenrand und veranstalten ein Hupkonzert aus Solidarität mit den streikenden Arbeitern von HHLA. Gänsehaut.
So fing alles an - die Berichte vom 6. November
Früherer Protest gegen Privatisierungspläne.
Auf die Nachricht hin, dass Vorstand und Aufsichtsrat der HHLA dem Teilverkauf zugestimmt haben, trat die Belegschaft am Container-Terminal Burchardkai (CTB) in einen spontanen, selbstständigen Streik, an dem sich ca. 200 Arbeiter beteiligen. Dies ist fast die gesamte Schicht! Wütend versammeln sich die Kolleginnen und Kollegen vor dem Tor. Völlig zu Recht befürchten die Hafenarbeiter, dass mit der Privatisierung und dem Verkauf an MSC weitgehende Verschlechterungen für die Arbeitsbedingungen, die Löhne und letztlich für die Arbeitsplätze drohen. Über Wochen wurde der sogenannte Vorvertrag zwischen MSC und dem Hamburger Senat mehr oder weniger geheim gehalten. Versprechungen, den Umschlag im Hamburger Hafen beim Container-Geschäft zu steigern, treffen völlig berechtigt auf das Misstrauen der Kollegen!. Und aus vielen Erfahrungen der Arbeiterschaft ist klar, dass das Versprechen vom „Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für fünf Jahre“ das Papier nicht wert ist, auf dem das geschrieben steht.
Gegenwärtig sind die Kolleginnen und Kollegen ins Seemannsheim Duckdalben gezogen, um über den Fortgang ihres Streiks zu beraten. Die Nachtschicht soll für die Weiterführung des Streiks gewonnen werden. Auch Hafenarbeiter auf den anderen Terminals wurden informiert und zur Solidarität aufgefordert. Kollegen von Airbus besuchen die Streikversammlung. Die Montagsdemonstration in Hamburg am heitigen Abend verabschiedete sofort eine klare Solidaritätsadresse für die Kolleginnen Kollegen.
Die MLPD Hamburg unterstützt die Arbeiter in ihrem selbständigen Streik.
In ihrer aktuellen Ausgabe der Stadtzeitung »Klarer Kurs« wurde schon in den vergangenen Tagen die klare Losung ausgegeben: „Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter müssen ihre eigene Rechnung aufmachen!“
"Hunderte versammeln sich in der Nacht", 20.45 Uhr
20.45 Uhr: Der Streik der Kolleginnen und Kollegen beim Burchardkai dauert an. Im Seemannheim Duckdalben haben sich hunderte Kollegen versammelt. Es treffen immer mehr Kollegen von anderen HHLA-Terminals, aber auch von Airbus und von Eurogate ein.
Die Kollegen sind zuversichtlich, dass der Streik auch auf andere Terminals der HHLA ausgedehnt werden kann. Zunächst geht’s zum Schichtwechsel um 22.30 Uhr vors Tor, um die Nachtschicht für die Weiterführung des Streiks zu gewinnen.
Ihre Forderung, dass Politiker des Hamburger Senats kommen und Rechenschaft über den Verkauf, die Hintergründe usw. ablegen, wird von diesen bisher abgelehnt. Sie fordern die Beendigung des Streiks als Bedingung dafür, dass sie kommen! Hohngelächter und breiteste Ablehnung dieser absurden Bedingung ist die Reaktion der Kollegen!
Unter großem Beifall wurde folgende Solidaritätsadresse der Montagsdemo Hamburg vorgetragen; 22 Uhr
Montagsdemo Hamburg, 6. November. Die Montagsdemonstration Hamburg erklärt sich voll solidarisch mit dem Kampf und Streik der Kolleginnen und Kollegen der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) vom Burchardkai im Hafen Hamburg gegen die Privatisierung und den Teilverkauf an die weltgrößte Reederei MSC. Diese Solidarität ist eine Selbstverständlichkeit für die linke Montagsdemonstration Hamburg, die seit fast 20 Jahren gegen Armutsgesetze, Leiharbeit, Arbeitslosigkeit aber auch gegen die Zerstörung der Umwelt und Gefährdung des Friedens regelmäßig auf die Straße geht.
Es ist empörend, wie über die Köpfe der Kolleginnen und Kollegen im Hafen hinweg die Privatisierung im Hafen weiter vorangetrieben wird. Wir wissen aus vielen Privatisierungs-Vorgängen wie zum Beispiel bei den Hamburger Kliniken, dass am Schluss immer die Beschäftigten die Suppe auslöffeln sollen.
MSC will den Einstieg in den Hamburger Hafen, um damit Profite, ja sogar Höchstprofite zu machen. Höhere Umsätze, mehr Containerumschlag – all das soll auf dem Rücken der Hafenarbeiterrinnen und Hafenarbeiter, der Familien ausgetragen werden.
Vorstand und Aufsichtsrat der HHLA geben die Empfehlung an die Aktionäre zur Annahme des Angebots von MSC ab. Die Begründung „man habe die Angemessenheit des Angebots sorgfältig und umfassend analysiert« ist doch ein Hohn. Die Interessen der Beschäftigten spielten dabei überhaupt keine Rolle. Finanzsenator Andreas Dressel von der SPD will den Teilverkauf auch noch als Riesenerfolg verkaufen.
Wir stehen fest an eurer Seite. Um uns selber müssen wir uns selber kümmern!
Aktualisierung um 23 Uhr: Nachtschicht setzt selbständigen Streik fort
Die Stimmung ist kämpferisch und optimistisch!
Aktualisierung um 8 Uhr am 7.11.: Streikversammlung am Abend beschließt Fortsetzung des Streiks - auch Frühschicht streikt
Mehrere Hundert Hafenarbeiter waren zum Schichtwechsel beim Burchardkai vor dem Tor. Gekommen waren auch Kollegen von Eurogate, weiteren Container Terminals der HHLA, vom GHB (Gesamthafenbetrieb), Airbus.
Es herrscht eine große Empörung darüber, dass der Hamburger Senat über die Köpfe der Kollegen entscheidet. Aber auch ein stolzes Bewusstsein über den begonnenen Streik: Das ist historisch, was wir hier machen …
Schon auf der Streikversammlung am Abend sprachen sich Kollegen für die Fortsetzung des Streiks durch die Nachtschicht, Frühschicht und Spätschicht … aus. Großer Beifall! In der Versammlung im Duckdalben wurde demokratisch über die Fortsetzung des Streiks abgestimmt.
Vertrauensleute von Airbus berichteten dort , wie wichtig solche demokratischen Abstimmungen der Streikenden über die Fortsetzung des Streiks sind, dass es weiterer Regeln für die Streikorganisation braucht. Und dass die Solidarität auch eine Streikkasse braucht. Ein Hafenarbeiter ließ das Opel-Buch „Was bleibt“ kreisen, mit dem ausschlaggebende Erfahrungen des siebentägigen selbständigen Streiks in Bochum, der die Werksschließung für viele Jahre verhindert hat. Vom Kampf der Bochumer Opelaner zeugt das Buch "Was bleibt ... 10 erkämpfte Jahre Opel-Bochum 2004 bis 2014". Es kann hier bestellt werden.
Am frühen Morgen trat auch die Frühschicht in den Streik!