Hamburg
Nach dem Streik: Kämpferische und zwiespältige Kundgebung: Der Kampf gegen den Verkauf des Hamburger Hafens tritt in eine neue Phase
Circa 1000 Kolleginnen und Kollegen aus dem Hamburger Hafen versammelten sich am 11. November zu einer kämpferischen Kundgebung vor dem imposanten Hamburger Rathaus. Das waren weniger als von Ver.di erwartet, aber doch eine eindrucksvolle Masse.
Die Geschäftsführung von HHLA hatte Ende der Woche eigens eine Tour über das ganze Hafengelände gemacht, um die Arbeiter wieder auf ihre Seite zu ziehen. Unverschämt fragte sie, was den Dockern denn einfallen würde, "die HHLA so vorzuführen". Die Gewerkschaft ver.di hatte aufgerufen. Applaus erhielten die Redner, die klar machten: Wir lehnen den Deal zur Teilprivatisierung der HHLA ab! Die Übernahme durch den weltgrößten Reederei-Monopolisten MSC muss verhindert werden.
Eröffnet hatte die Montagsdemo Hamburg eine Stunde vorher mit einem offenen Mikrofon mit Musik und Redebeiträgen, so von der MLPD, von Vertrauensleuten von Airbus, Montagsdemonstranten und der Band Peperoni. Ein Hafenarbeiter, der heute in Rente ist, sprach energisch seine Solidarität mit dem selbständigen Streik aus, war wütend über die Abmahnungen gegen die streikenden Kollegen und forderte das Recht für Arbeiter, die Arbeit niederzulegen, was diese nach deutschem Streikrecht nur als Warnstreik in Tarifrunden haben. Da er auch in einem Shanty-Chor ist, ließ er sich danach ein Lied mit der Band Peperoni nicht nehmen.
Gekommen waren Kollegen aus allen Hafenbereichen: Lascher, Festmacher, Kranfahrer, Van-Carrier-Fahrer usw. Das Reederei-Monopol MSC, an das die HHLA verkauft werden soll, plant z.B., die Festmacher durch eigenes, „billiges“ Personal zu ersetzen. Explizit waren viele Kollegen aus den Bereichen gekommen, die nicht mitgestreikt haben, aber hier ihre Solidarität und ihren Kampfgeist zum Ausdruck bringen wollten. Auch die MLPD und der Jugendverband REBELL waren mit Fahnen und ihrem Transparent für den Kampf um den echten Sozialismus dabei. Außerdem waren Studierende, verschiedene Jugendgruppen, diverse trotzkistische Gruppen, Familien von Hafenarbeitern mit Kindern und Hamburger Bürger anwesend. "Ach so, MLPD, dann ist ja gut. Ich dachte schon ihr seid der Spartakist. Ja dann gib mal her." So lernen die Kollegen zwischen Trotzkisten und Marxisten-Leninisten zu unterscheiden… .
Im Mittelpunkt vieler Reden stand: Der Verkauf durch Hinterzimmerverhandlungen des Hamburger Senats ist ein Verkauf von „wichtigem Besitz, der der gesamten Hamburger Bevölkerung gehört“. Das ist allerdings nicht ganz richtig, denn im Hamburger Senat entscheidet nicht die Bevölkerung, sondern die Monopolparteien SPD und Grüne, die lediglich den Dienstleister für die Hafenkapitalisten und v. a. die Monopole machen, entscheiden. Auch bei der HHLA regiert bisher der Profit, auch wenn sie zu über 50 Prozent der Stadt Hamburg gehört. Erinnert wurde daran, wie die Privatisierung im Gesundheitswesen zu rapider Verschlechterung der Versorgung von Patienten und der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten geführt hat.
Im offiziellen Programm weitgehend unausgesprochen stand im Raum: Warum sprechen sich alle Ver.di-Redner auf der Bühne gegen die Übernahme durch MSC aus, während auf der Homepage von Ver.di schon der faule Kompromiss beworben wird? Dort behauptet die stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Christine Behle, dass MSC "den guten Willen" gezeigt habe, "sichere und gute Arbeitsplätze" zu erhalten. Der Artikel titelt: "Nach dem Verkauf von Anteilen der HHLA an die mächtige Reederei MSC hat ver.di die Beschäftigten in wesentlichen Punkten absichern können. Diese müssen nun in einem Tarifvertrag festgehalten werden." ( https://www.verdi.de/themen/politik-wirtschaft/++co++49ef1468-521c-11ee-a9cc-001a4a16012a) Wenn Ver.di aber schon über einen Tarifvertrag nach der Privatisierung verhandelt, dann treibt die Gewerkschaftsführung hier ein doppeltes Spiel. Einzelne Redner hatten auch Kritik am Verhalten des Gewerkschaftsvorstands in Berlin. Einige Kollegen fanden drastische Worte dafür, was mit der stellvertretenden Gewerkschaftsvorsitzenden passiert wäre, wenn sie an diesem Tag in Hamburg gewesen wäre.
Genossen der MLPD kamen mit vielen Kollegen ins Gespräch, häufig kannte man sich schon vom Streikposten. Parteiprogramme, Spenden und mehrere Hundert Flugblätter wechselten den Besitzer. Ein Hafenarbeiter erstand auch das Buch "Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!"
Andere Kollegen verteilten die bereits dritte Ausgabe der Kollegenzeitung Docker zeigen Klare Kante. Die Verteiler berichteten der Redaktion, alleine heute 35 Euro Spenden erhalten zu haben und beim letzten Einsatz fast 60 Euro.
Die meisten Kollegen waren stolz auf den Streik und auch diejenigen, die nicht beteiligt waren, fanden ihn richtig. Sorgen machen vielen die immer noch nicht aufgehobenen Abmahnungen sowie das unklare Verhalten des Ver.di-Vorstands. Manche kämpferischen Kollegen hatten eine Teilnahme an der heutigen Ver.di-Kundgebung abgesagt, weil sie mit dem Streikabbruch nicht einverstanden waren und Kritik an Ver.di auf diese Weise zum Ausdruck bringen wollten. Richtig wäre es allerdings gewesen, dann erst recht zu kommen!
"Rote Fahne? Klar, kenne ich. Eure Artikel habe ich gelesen, weil Kollegen sie in unseren WhatsApp-Gruppen verlinkt hatten", sagte einer und spendete. So kann eine Reaktion auch aussehen.
Andere Kollegen erzählten, dass sogenannte Rädelsführer nicht nur mit einer Abmahnung, sondern sogar direkt mit einer Kündigung bedroht wurden.
Andere erzählten folgende Begebenheit: Der Streik wurde im Wesentlichen wegen dem Versprechen abgebrochen, dass der Finanzsenator Dressel und die Wirtschaftssenatorin Leonhard, beide SPD, zu einem Gespräch zu den Hafenarbeitern kämen. Doch sobald der Streik abgebrochen war, fingen sie an, Bedingungen zu stellen: In den Hafen wollten sie doch nicht kommen, sie würden auch mit maximal 20 Personen sprechen, eine Live-Übertragung schlossen sie auch aus und am liebsten wollte man sowieso nur mit Betriebsräten sprechen. Ist das nicht Betrug und offener Verrat der SPD-Vertreter an den Arbeitern? Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen spielen sie der Geschäftsleitung in die Hände, um den Streik zu beenden – um dann offenen Wortbruch zu begehen.
Ein anderes Argument für den Streikabbruch war, dass die Streikfront bröckeln würde. Doch heute erzählte uns ein Streikaktivist der Nachtschicht, dass die Nachtschicht in jedem Fall weitergestreikt hätte und bereit stand. "Das kannst du mir glauben, wir sind speziell, wir hätten das durchgezogen"! Auf die Frage, wer dann schon drei Stunden vor Nachtschichtbeginn über WhatsApp Nachrichten herumschickte, dass "man gehört habe", dass die Nachtschicht wieder arbeiten wolle, wusste er nicht zu antworten: "Frag mich nicht, woher diese Nachrichten kamen."
Einer der Vertrauensleute, Sprecher vom Burchardkai, begann seine Rede auf Latein, um anschließend für die überraschten Zuhörer die Inschrift des Hamburger Rathauses zu übersetzen: "Die Freiheit, die errungen die Alten, möge die Nachwelt würdig erhalten“. Anschließend prangerte er die faulen Angebote von MSC an.
Einige Redner sprachen sich für den gemeinsamen Kampf aller Hafenarbeiter an allen Terminals und in allen Häfen aus. Das gab viel Beifall und ist eine wichtige Schlussfolgerung aus dem Streik. Großen Applaus gab es für die Solidaritätsadressen von „De volle Lading“ aus den Niederlanden (Rotterdam), aus Italien, Griechenland und aus der Türkei. Airbus-Kollegen waren mit ihrem Transparent, auf dem ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht gefordert wurde, da, und ein Vertrauensmann von Airbus führte aus, warum die Arbeiter das dringend brauchen und erkämpfen müssen.
Es wurde auch daran erinnert, dass die Speicherstadt im Hafen ursprünglich „für alle“ gebaut worden war. Heute wollen die stärksten Übermonopole, wie MSC, alles für sich haben und bestimmen, welcher Kunde wann dran kommt usw. MSC will die Arbeitsbedingungen und Löhne sowie die Arbeitsplätze im Hafen zu seinen Gunsten verschlechtern. Der Vier-Schichten-Streik bei der HHLA am Burchardkai war erst der Anfang des Kampfes dagegen. Wer kämpft, bekommt auch Solidarität!
Die Hauptbotschaft des heutigen Tages war: Wir haben erst begonnen, dieser Kampf geht weiter!
Hier geht es zur Pressemitteilung der streikenden Belegschaft vom Burchardkai von Donnerstag
Ein Rote-Fahne-TV-Bericht wird folgen.