Hintergrund Nahostkrieg

Hintergrund Nahostkrieg

Der Angriff auf das Al-Schifa-Krankenhaus ist ein Kriegsverbrechen

Bereits seit vielen Tagen war der Betrieb des Krankenhauses kaum noch aufrecht zu erhalten. Am 15. November meldeten die „Israelischen Verteidigungsstreitkräfte“ (IDF), dass ihre Truppen in der Nacht Teile des Al-Schifa-Krankenhauses gestürmt haben. Der Sicherheitsrat der UNO reagiert, indem er umgehend angemessene Feuerpausen fordert. Die "Operation" wird derweil fortgesetzt. Propagandistisch wurde dieses Kriegsverbrechen spätestens Ende Oktober vorbereitet.

Von fu
Der Angriff auf das Al-Schifa-Krankenhaus ist ein Kriegsverbrechen
Ein Bild, das die israelische Armee selbst von dem Angriff veröffentlichte. Links im Bild sieht man einen israelischen Panzer. (Bild: IDF Presseveröffentlichung)

Auch unter dem Eindruck des Angriffs auf dieses Krankenhaus hat der Weltsicherheitsrat einstimmig bei drei Enthaltungen (USA, Großbritannien und Russland) und mit zwölf Ja-Stimmen eine Resolution verabschiedet, in der das Gremium vor allen Dingen "dringende und ausgedehnte humanitäre Pausen und Korridore im gesamten Gazastreifen für eine ausreichende Anzahl von Tagen" fordert. Dass die USA sich enthielten und nicht gegen die Resolution stimmten, ist beachtenswert und kann eigentlich nur mit dem Druck sowohl durch die Massen als auch international erklärt werden. Israel verweigert solche Feuerpausen weiter rigoros. Resolutionen des Sicherheitsrats sind allerdings völkerrechtlich bindend - sie offen zu missachten stellen einen weiteren Bruch des Völkerrechts und ein weiteres Kriegsverbrechen dar.

 

Laut IDF erfolgte der Angriff auf das Al-Schifa-Krankenhaus nach dem Auslaufen einer zwölfstündigen Frist zur Beendigung der Hamas-Aktivitäten auf dem Gelände und nachdem diese Aktivitäten trotzdem fortgesetzt worden wären (wofür die IDF keinerlei Beweise mit ihrer Presseerklärung vorlegte). Augenzeugen berichten von einem Angriff mit sechs Panzern und ca. 100 Soldaten sowie, dass die israelischen Soldaten Zimmer für Zimmer durchsuchten und dabei immer wieder Warnschüsse abgaben und auch Rauchbomben einsetzten. Mittlerweile wird auch von Verschleppungen berichtet. Zuvor kam es zu stundenlangen Schusswechseln und Bombardements um das Krankenhaus, jedoch nicht im Krankenhaus selbst – das alleine wäre ein Beleg, dass dieser Angriff unter einem falschen Vorwand erfolgte.

 

Die IDF hatten schon früh behauptet, dass die Hamas das Krankenhaus militärisch nutzt: Bereits am 27. Oktober hatte die Pressestelle der Armee von einem Tunnelsystem gesprochen, in dem sich das Hauptquartier der Hamas befände. Man ging sogar so weit, zu behaupten, dass die Generatoren des Krankenhauses genutzt würden, um Raketen zu starten (wobei völlig unklar bleibt, wozu Raketenstarts Strom bräuchten: die Hamas verwendet mit chemischen Feststoffen betriebene Raketen). Auch wurde immer wieder verbreitet, dass Geiseln dort festgehalten würden. Die Menschen im Krankenhaus würden als menschliche Schutzschilde von der Hamas benutzt, was sowohl die Hamas, als auch das Klinikpersonal bestritten. Wenn es so wäre, dann wäre das tatsächlich ein Ausdruck des faschistischen Charakters der Hamas.

 

Unzweifelhaft ist, dass derjenige, der meint, das Recht zu einem Angriff auf ein Krankenhaus zu haben, sich selbst in die Beweispflicht setzt und also nachweisen muss, dass dieser offene Bruch des Kriegsrechts (Genfer Konvention¹, Artikel 19 bis 23) notwendig war.

Wo also sind die Beweise?

Warum gab es scheinbar keine Gefechte auf dem Krankenhausgelände? Wenn die Rechtfertigung der israelischen Invasionsarmee wahr gewesen wäre, dann hätte es sie geben müssen! Der Sturm auf das Krankenhaus könnte überhaupt nur dann legitim sein, wenn militärische Einheiten in dem Krankenhaus aktiv Kampfhandlungen vorbereiten oder durchführen und direkt angegriffen worden wären. Aber solche Kämpfer gab es scheinbar nicht.

 

Von dem Tunnelnetz, dass in Luftaufnahmen mit roter Farbe von dem israelischen Militär eingezeichnet wurde, gibt es weiterhin nur Computergrafiken, die der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Dieses Vorgehen erinnert frappierend an den Beginn des letzten Golfkriegs gegen den Irak. Damals präsentierte der damalige US-Außenminister James Powell mit tragikschwerer Mine genau solche Grafiken vor dem UN-Sicherheitsrat, die beweisen sollten, dass die irakische Armee Massenvernichtungswaffen hat. Damit holte er sich seinerzeit die Zustimmung dieses Gremiums für den Angriff der US Army auf den Irak ab. Wie sich später herausstellte, war nichts von Powells damaligen Behauptungen wahr. Anstelle wirklicher Beweise präsentiert die IDF nun solche Grafiken. Geiseln wurden im Krankenhaus nicht gefunden. Geringe Mengen Waffen und Munition, die die IDF in dem Krankenhaus gefunden haben will, würden, so die IDF, auf eine Hamas-Präsenz hindeuten. Es erscheint allerdings höchst unglaubwürdig, dass die Hamas, so sie denn dort ein Hauptquartier gehabt hätte, dieses Material nach der Ankündigung des Angriffs durch das Ultimatum der IDF zurückgelassen hätte. Gegenüber der Zeitung Times of Israel kündigte ein israelischer Sicherheitsbeamter dennoch auf dieser Grundlage an, die „Operation“ in Al-Schifa „falls nötig auszuweiten“.

 

Diese angeblichen Waffenfunde (es gibt keine neutrale Bestätigung sondern nur die Aussage der IDF) wären für sich genommen jedenfalls keine Rechtfertigung. Als Waffenlager kann man ein paar verstreute Sturmgewehre und Handgranaten nicht bezeichnen, selbst wenn sie tatsächlich im Krankenhaus gefunden wurden (s.u. Quellen). Dort dürfen auch verwundete palästinensische Kämpfer behandelt werden (verwundete Kombattanten sind nach dem Völkerrecht als Nichtkombattanten zu behandeln). Es handelt sich bei Gaza schließlich um ein Kriegsgebiet. Relevant ist nur die Frage, ob die Waffen von dort aus eingesetzt wurden. Dafür fehlt weiter jeder Beweis, und trotzdem soll die Operation ausgeweitet werden?

 

Der Angriff auf das Krankenhaus scheint tatsächlich nichts anderes, als ein weiterer Angriff auf die Lebensgrundlagen der Menschen in Gaza. Wie schon während des gesamten Konflikts tritt der zionistische Staat auch hier das Völkerrecht mit Füßen. Es ist kein Wunder, dass Israel zu den wenigen und zumeist imperialistischen Staaten gehört, die den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag nicht anerkennen.