Interview mit einem Palästinenser
"Die Menschen werden dieses Unrecht nicht hinnehmen"
Die Rote Fahne sprach erneut mit Omar (1) über die aktuelle Entwicklung in Gaza und auch im Westjordanland. Er steht in ständigem Kontakt mit befreundeten und verwandten Palästinensern.
Rote Fahne: Wie hat sich die Lage in Gaza für die Bevölkerung in den letzten drei Wochen entwickelt?
Omar: Mit einem Wort: Entsetzlich! Impfungen für Kinder sind aufgebraucht und die Krankenhäuser sind überfüllt mit Kindern, die an extremer Austrocknung leiden, was bei vielen zu Nierenversagen führt. Krankheiten wie Hepatitis A, extreme Magen- und Darmkrankheiten, Erkrankungen der Atemwege und der Haut sind mangels sauberem Wasser ausgebrochen. Die „Ärzte ohne Grenzen“ sagen, dass keine Hilfsorganisation diese Krankheiten bekämpfen kann, denn das ganze Versorgungssystem ist weitgehend zusammengebrochen und es funktionieren laut der WHO nur noch acht von ursprünglich 36 Krankenhäusern - mehr schlecht als recht. Sie haben oft keine Chance gegen Erkrankungen und Verletzungen und so sterben viele Kinder an ihren Verletzungen. Dazu kommen seit Wochen heftige Regenfälle. Die schwachen Zelte halten dem nicht stand. Für viele Familien geht es nur noch darum, irgendwie Essen und einen trockenen Schlafplatz zu finden. Die Preise sind aufgrund des Krieges natürlich explodiert und so können sich viele kein Zelt für 250 Euro leisten und sind obdachlos. Am schlimmsten ist aber das Verhungern: Israel nutzt das Verhungern der Bevölkerung als Kriegswaffe.
Rote Fahne: Wie kann man in Deutschland Solidarität üben für die Bevölkerung in Gaza?
Omar: Das Dringlichste sind Spenden, etliche Familien sind auf Spenden angewiesen. Man sagt, die Menschen in Gaza hätten nur noch „Hoffnung und dreckiges Wasser“. Ihre Hoffnung ist, dass die ganze Welt die Ungerechtigkeit erkennt, für sie demonstriert, kämpft und nicht schweigt. Sie hoffen auf zunehmenden Druck auf die israelischen Regierung.
Rote Fahne: Die Netanjahu-Regierung hat jetzt zusätzlich 135 Million Euro für den „Siedlungsausbau“ im Westjordanland beschlossen. Was passiert dort im Schatten des Gaza- Krieges?
Omar: Die brutale, systematische Vertreibung von Palästinensern wird dort enorm beschleunigt. Der Siedler-Terror hat drastisch zugenommen. Seit dem 7. Oktober sind die internationalen und Hilfs-Organisationen nicht mehr vor Ort, die vor dem Krieg die Bevölkerung unterstützten und teilweise vor den Siedlern geschützt haben. Die israelischen „Siedler“ haben freie Hand gegen die Zivilbevölkerung, wenige verbliebene Aktivisten bringen sich in Gefahr und die PLO, also die Palästinensischen Behörden, schauen nur zu. Das Ausmaß der Gewalt von bewaffneten Siedlern hat drastisch zugenommen. Es kommt zu nächtlichen Attacken auf palästinensische Häuser und Familien, da werden Nutztiere abgeschlachtet oder gestohlen, es werden auch Schulen und Häuser niedergebrannt, es gibt oft Tote. Die Hauptstraßen im Westjordanland sind durch israelische Checkpoints blockiert, also auch die Bewegungsfreiheit der Palästinenser. Es gibt praktisch keine Verbindungen, keinen Handel mehr zwischen den palästinensischen Städten. Touristen dürfen derzeit zum Beispiel Bethlehem nicht besuchen. Die Stadt lebt aber vom Tourismus in der Weihnachtssaison. Jetzt brechen die Einkünfte weg. Die Menschen sind gezwungen gefährliche Umwege zu suchen, um wenigstens an Nahrungsmittel zu kommen. Und so gelangen auch viele nicht mehr zu ihrer Arbeitsstelle. Die Arbeitslosigkeit hat laut ILO, der internationalen Arbeitsorganisation der UN, nach dem 7. Oktober um 32%, also um 276 000 Menschen in Westjordanienland zugenommen. Die Menschen können und werden dieses Unrecht nicht hinnehmen.
Statement der MLPD
Die MLPD steht in unverbrüchlicher Solidarität zum palästinensischen Befreiungskampf und dem Kampf gegen den Gazakrieg. Dies hat die Parteivorsitzende Gabi Fechtner beim letzten Webinar der United Front versichert. Auf einer Veranstaltung der revolutionären Weltorganisation ICOR in Paris - "Volle Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampfes – aber wie?" - hielt die ICOR-Hauptkoordinatorin und Internationalismus-Verantwortliche der MLPD einen grundsätzlichen Redebeitrag, in dem sie u.a. berichtete: "Allein seit dem 7. Oktober haben wir in Deutschland 42 Kundgebungen bzw. Demonstrationen als MLPD initiiert, angemeldet und stets zusammen mit palästinensischen Freundinnen und Freunden organisiert sowie an 28 Großdemonstrationen teilgenommen. Bei einigen Demonstrationen marschierten Repräsentanten von Hamas und Dschihad mit, in diesem Fall beteiligen wir uns nicht. ... Bei den Demonstrationen wurde mehrfach eine Erklärung des ZK der MLPD beschlagnahmt mit dem Vorwurf der Volksverhetzung wegen der Parole »Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf«, Verhaftungen und Strafanzeigen gegen unsere Genossen gestellt, Kundgebungen und Demonstrationen verboten, die wir dennoch verwirklichten. In Deutschland haben wir maßgeblich die Spendensammlung »Gaza soll leben« vorgeschlagen und vorangebracht, mit der schon über 20.000 € für Krankenhäuser, Ambulanzwagen und die Unterstützung eines demokratischen Pressedienstes gesammelt und übergeben wurden."
Auf der ICOR-Webseite steht der Redebeitrag von Monika Gärtner-Engel ungekürzt zur Verfügung