Silvester 2023

Silvester 2023

Neujahrsansprache des Bundeskanzlers: Appelle, Spurenverwischung, versuchte Verschleierung der volksfeindlichen Ampel-Politik

Bevor Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) heute die Gummistiefel anzog und nach Verden an der Aller ins Hochwassergebiet im Norden Niedersachsens reiste, wurde gestern abend noch seine mitreißende Silvesteransprache publik, die heute gesendet wird (20.10 Uhr in ARD und ZDF).

Von gis
Neujahrsansprache des Bundeskanzlers: Appelle, Spurenverwischung, versuchte Verschleierung der volksfeindlichen Ampel-Politik
Scholz beim Grübeln über seine Neujahrsansprache - was soll ich bloß sagen ... (shutterstock_1222450252)

Zuvor gab es allerlei Satirisches rund um diese Rede im Netz. Der Spiegel hatte ein Glosse veröffentlicht, wonach Scholz' Redenschreiber sich alle krankgemeldet hätten und er heuer seine Rede selber schreiben müsse. Sie hätten keine Lust mehr auf die öden Verlautbarungen. Etliche glaubten es. Die Leipziger Volkszeitung setzte noch eins drauf und veröffentlichte eine "ungehaltene Rede" des Kanzlers.

 

Die Satire legt ihm deutlichere Worte in den Mund als er sie sich in seiner tatsächlichen Neujahrsansprache zu sagen traut. "Sie kennen mich nicht. Sie sollen mich kennenlernen, liebe Wählerinnen und Nichtwähler. Darum sage ich Ihnen, was mich 2023 glücklich gemacht hat: Dass die Ampel noch steht. Und zwar genau dort, wo wir sie vor zwei Jahren installiert haben. An der Kreuzung zwischen War-nix und Wird-schon. Und ich verrate Ihnen noch etwas: Den Doppelwumms gibt es gar nicht. ... Die Sache mit der Energiepreisbremse war Schnickschnack. Wir werden 2024 mit beiden Füßen, und Sie wissen, was das bedeutet, liebe Autofahrerinnen und Lokführer, fest auf der Bremse stehen. Natürlich nicht bei den Militärausgaben. ... In der Kultur wird es uns gelingen, durch gezielte Kürzungen einen Anreiz zu schaffen, eigenes Geld zu verdienen. ... Doch es drohen nicht nur Verluste. Die Mieten steigen, die Preise ebenso. Das läuft im Leben wie in der Politik: Es ist ein Geben und Geben. Oder eben Nehmen und Nehmen."

 

Eher harmlos ausgedrückt. Es sind dies Bestandteile einer umfassenden volksfeindlichen Politik der Umverteilung von unten nach oben, der Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten auf die breiten Massen, durchgeführt vom Staat als Dienstleister der Monopole.

 

Aber was wird Scholz heute abend im Fernsehen tatsächlich sagen? Wir brauchen keine Angst vor der Zukunft haben, wird er sagen. Und dass er Verständnis habe für die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. „Kaum war Corona halbwegs vorbei, brach Russland mitten in Europa einen unerbittlichen Krieg vom Zaun. Unsere Welt ist unruhiger und rauer geworden. Sie verändert sich in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit.“ Letzteres stimmt. Aber mit seinem Verständnis von der Welt ist es nicht so weit her. Der Ukrainekrieg ist nicht vom Himmel bzw. einem Putin mal so eben ein-gefallen. Er ist sowohl vonseiten Russlands als auch vonseiten der NATO ein ungerechter imperialistischer Krieg. Es gingen ihm Jahre der ständigen NATO-Osterweiterung voraus und jetzt vollzieht sich eine ebenso aggressive NATO-Norderweiterung. Der BRD-Imperialismus mischt kräftig daran mit, die Ukraine in den Macht- und Einflussbereich von EU und NATO zu bringen und aktiv einen Dritten Weltkrieg vorzubereiten.

 

Froh ist er, dass sich die EU-Staaten endlich auf einen "Asylkompromiss" geeinigt habe. Froh über diese ultrareaktionären Beschlüsse, die den letzten Rest von Asylrecht abschaffen und Flüchtlinge wie Schwerkriminelle in gefängnisartige Lager sperrt? Wer darüber froh ist, dem ist eine zutiefst menschenverachtende Weltanschauung zu eigen.

 

Den vom Hochwasser betroffenen Menschen verspricht der Kanzler, sie in „diesen schweren Stunden nicht alleine zu lassen.“ Bei „all den Frauen und Männern von der Feuerwehr und Bundeswehr, vom THW, den Rettungsdiensten und den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die mit ganzer Kraft gegen das Hochwasser kämpften", bedankt er sich. Mit solchen Reden sind die Verantwortlichen bei jeder Katastrophe zur Stelle. Hochwasserschutz und Frühwarnsysteme sind seit der Ahrtalkatastrophe nicht wirklich vorangekommen. Vor allem aber soll sich, geht es nach Scholz und Konsorten, daran nichts ändern. Ungebrochen werden fossile Ressourcen weiter verbrannt, werden LNG-Terminals für Frackinggas gebaut, wird von den Hauptverursachern trotz der begonnenen Umweltkatastrophe mit der mutwilligen Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur weitergemacht.

 

Und dann wird Scholz den "sozialen Zusammenhalt" beschwören. Denn am meisten graust es ihm davor, dass es Streiks, Proteste, aktiven Widerstand und eine wachsende Offenheit für den echten Sozialismus gibt. Für den 8. Januar sind schon mal Bauernproteste und ein Eisenbahnerstreik geplant.

 

"Weltweit beleben sich die Kämpfe der Arbeiterklasse und der breiten Massen, aber noch fehlt ihnen eine sozialistische Perspektive", heißt es in den Neujahrsgrüßen der revolutionären Weltorganisation ICOR an ihre Mitglieder, zu denen auch die MLPD gehört. "Im Lenin-Jahr 2024 werden wir diesen Weg in eine sozialistische Zukunft stärken. Lenin schrieb seine Hauptwerke am Vorabend der Oktoberrevolution. Denn nur wer die Welt versteht, kann sie auch verändern. Sein Werk ist heute lebendig in der praktischen Arbeit und den theoretischen Diskussionen der ICOR. Wir wünschen euch und uns allen ein kämpferisches, zukunftsgewandtes und gesundes Jahr, wichtige Fortschritte beim Aufbau eurer Organisationen der ICOR und der United Front sowie eine solidarische kritisch-selbstkritische Diskussion über die Fragen, in denen wir uns noch nicht einig sind."

 

Die heutigen Silvesterfeiern von MLPD, REBELL, Internationalistischem Bündnis und Freunden werden im Gegensatz zur Rede von Scholz echten Optimismus ausstrahlen. Einen Vorgeschmack bietet die Rede der MLPD-Vorsitzenden Gabi Fechtner am 22. Dezember bei einer Feier in Gelsenkirchen.