Briefwechsel

Briefwechsel

Ist Israels Krieg im Gaza Völkermord?

"Rote Fahne News" dokumentiert hier einen Briefwechsel zwischen A./Gelsenkirchen und Peter Weispfenning vom Zentralkomitee der MLPD.

Ist Israels Krieg im Gaza Völkermord?
Bild: Palästina-Portal

Vor dem Internationalen Gerichtshof (ICJ) in Den Haag hat die Anhörung einer Klage Südafrikas gegen Israel wegen des Vorwurfs des Völkermords an den Palästinensern im Gazastreifen begonnen. Der Vertreter Südafrikas warf Israel in seiner engagierten Einlassung vor dem UN-Gericht „völkermörderisches Handeln“ vor und verglich den Umgang mit den Palästinensern mit dem Apartheid-System der Rassentrennung. Israel weist den Vorwurf zurück. Ebenso Annalena Baerbock und die US-Regierung.

Brief von A./Gelsenkirchen

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

in verschiedenen Artikeln auf Rote Fahne News und in der Roten Fahne sprechen wir vom „Genozid“ oder „Völkermord“ Israels am palästinensischen Volk. Ich halte das für eine Überspitzung – auch wenn die Verbrechen des israelischen faschistoiden Staates sicherlich unglaublich brutal sind.

 

In der Rede von Gabi Fechtner und Reinhard Funk zum Nahostkrieg war das etwas vorsichtiger formuliert: „Die imperialistische Aggression Israels entwickelt sich mehr und mehr zum Völkermord am palästinensischen Volk.“

 

In der Geschichte wurde meines Wissens auf der Grundlage von UN-Beschlüssen der erklärte Wille und die Praxis zur Auslöschung eines ganzen Volkes als „Völkermord“ bezeichnet, ausgehend vom millionenfachen, industriell betriebenen Massenmord am jüdischen Volk durch den Hitlerfaschismus. Später wurde auch der Vernichtungsfeldzug der Türkei am armenischen Volk so qualifiziert – oder auch der gezielte Massenmord an den Herero und Nama in Namibia durch den deutschen Kolonialismus.

 

Da sollte wirklich immer ein ganzes Volk vernichtet, von der Landkarte getilgt werden.  Auch wenn heute die offen faschistischen Koalitionspartner von Netanjahu das propagieren und zweifellos tausende Palästinenser das Vorgehen Israels mit dem Leben bezahlen – noch kann Israel die Existenz der Palästinenser nicht einfach leugnen. Auf der anderen Seite leugnet die Hamas das Existenzrecht Israels, will das Land und „die Juden“ aus der Region vertreiben. Das ist natürlich nicht das gleiche wie das Vorgehen der imperialistischen Aggression Israels. Aber meiner Meinung nach sollten wir dafür nicht den Begriff eines Genozids verwenden.

 

Herzliche Grüße! A

Brief von Peter Weispfenning

Liebe A., danke für deinen kritischen Brief zur Verwendung des Begriffs „Völkermord“ oder „Genozid“ bezüglich des Kriegs des imperialistischen Israel in Gaza. Es ist ein Mangel, dass wir uns bisher dazu nicht ausführlicher geäußert haben.

 

Ich halte unsere Formulierung, die wir erstmals in der ZK-Erklärung vom 3.11.23 verwendet haben, für richtig: „Die imperialistische Aggression Israels entwickelt sich mehr und mehr zum Völkermord am palästinensischen Volk.“

 

Du fasst den Begriff Völkermord zu eng auf. Völkerrechtlich wurde in der UN-Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes festgelegt: Völkermord beinhaltet, dass

 

„eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

 

  • a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
  • b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
  • c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
  • d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
  • e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.“

 

In Gaza hat der Überfall Israels hunderttausendfaches schweres Leid verursacht und jetzt schon über 23.000 Tote. Wichtige zionistische Kreise würden am liebsten die ganze Bevölkerung Gazas vertreiben. Die faschistischen Formen des Zionismus leugnen übrigens sehr wohl sogar die Existenz des palästinensischen Volkes, das teils als Erfindung diffamiert wird. Der faschistische Zionismus ist doch nicht harmloser als der islamistische Faschismus.

 

Das folgt auch eindeutig der rassisch-zionistischen Ideologie. Um nichts zu überzeichnen und deutlich zu machen, dass die Gefahr besteht, dass sich das dramatisch ausweitet, verwenden wir bisher die Formulierung, dass sich der Krieg mehr und mehr zum Völkermord entwickelt. Das ist auch bis heute eindeutig die Haupttendenz.

 

Herzlichen Gruß!

 

Dein Peter Weispfenning