Interview
115 Tage Streik in Sachsen: Mehr Schotter für Schrotter!
Seit mittlerweile 115 Tagen streiken die Kollegen von SRW in Espenhain bei Leipzig. Sie wollen einen Tarifvertrag: 8 Prozent mehr Geld, jeweils 1500 Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld und eine Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 38 Stunden. SRW weigert sich schlicht zu verhandeln. Die Zentrale des chinesischen Chiho-Konzerns, zu dem SRW gehört, ist in Hongkong - registriert auf den Cayman-Inseln.
Im RF-Interview: Streikleiter und Verhandlungsführer Michael Hecker, 2. Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. Er findet das Verhalten der chinesischen Eigentümer skandalös: „Die berechtigten Interessen seiner Beschäftigten nach Sicherheit und Tarifbindung zu ignorieren, anstatt mit uns zu verhandeln, ist unwürdig.“
Rote Fahne: Warum genau habt Ihr Euch entschlossen, zu kämpfen?
Michael Hecker: Die Kolleginnen und Kollegen haben sich an die IG Metall gewandt, weil der Arbeitgeber in der Vergangenheit getroffene Zusagen bezüglich Entgelt und Arbeitsbedingungen nicht eingehalten hat. Die Kolleginnen und Kollegen leisten hier harte und körperlich schwere Arbeit zu Bedingungen knapp über dem Mindestlohn. Die Streikenden fordern endlich Rechtssicherheit und finanzielle Planbarkeit bei ihren Arbeitsbedingungen. Das kann nur ein Tarifvertrag.
Rote Fahne: Euer Streik ist einer der längsten in der bundesdeutschen Geschichte, darauf seid Ihr sicher auch stolz. Woher nehmt Ihr die Ausdauer? Wie ist die Kampfmoral in der Belegschaft aktuell?
Michael Hecker: 115 Tage ist natürlich ein bitterer Rekord. Der Skandal ist jedoch, dass der Arbeitgeber seit August 2023 alle Gesprächsversuche ignoriert. Das ist absolut inakzeptabel und unwürdig. Wir sind nicht angetreten, um Rekorde zu brechen, dennoch sind die Streikenden nach wie vor sehr entschlossen für ihren Tarifvertrag zu kämpfen und die Streikmoral ist ungebrochen.
Rote Fahne: Es streiken nicht alle Kolleginnen und Kollegen mit. Wie ist da das Verhältnis, wie wirkt sich das aus?
Michael Hecker: Der überwiegende Teil der Belegschaft befindet sich im Streik. Der Arbeitskampf hat ökonomische Auswirkungen und das Unternehmen verdient seit Streikbeginn kein Geld mehr in Espenhain. Der Arbeitgeber handelt aus unserer Sicht viel zu kurzsichtig. Er verpasst die Chance Fachkräfte zu halten und neue zu gewinnen. Stattdessen gibt sich der Arbeitgeber große Mühe, seine Beschäftigten so schlecht wie möglich zu behandeln.
Rote Fahne: Wie steht Ihr zur Spaltung der Arbeiter in Ost und West?
Michael Hecker: Beim Thema Tarifbindung rangiert Sachsen auf dem Letzten Platz im Bundesvergleich. Deshalb ist diese Auseinandersetzung auch beispielhaft für die Situation vieler Beschäftigter in Ostdeutschland. Die Lohnmauer zwischen Ost und West muss endlich eingerissen werden.
Rote Fahne: Möchtest Du sonst noch etwas hinzufügen?
Michael Hecker: Es ist offensichtlich, dass es bei der arbeitgeberseitigen Ablehnung eines rechtssicheren Tarifvertrags nicht um die Bezahlbarkeit unserer Forderung geht. Vielmehr scheint der Arbeitgeber die in Deutschland geltende Tarifautonomie ideologisch abzulehnen. Anders ist die Widersprüchlichkeit des Arbeitgebers zwischen seinem realen Handeln und den eigenen Lippenbekenntnissen aus dem „Code of Conduct“ nicht zu erklären. Darin versichert Scholz Recycling, dass das Recht auf Tarifverhandlungen respektiert, die Bildung von Gewerkschaften anerkennt und einen offenen, lösungsorientierten Umgang mit der Arbeitnehmervertretung verfolgt wird. In Wirklichkeit hat die Scholz Recycling GmbH dem örtlichen Geschäftsführer der SRW bereits im August 2023 die Legitimation entzogen mit der IG Metall Tarifverhandlungen zu führen oder gar diesbezüglich Angebote abzugeben. Anders lautende Aussagen, sind eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit.
Rote Fahne: Vielen Dank für das Interview – die Rote Fahne bleibt solidarisch mit Eurem berechtigten Kampf und wünscht Euch Erfolg!
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