„Heute nehmen wir das Heft in die Hand“
Selbständiger Warnstreik an mehreren Standorten bei ThyssenkruppSteel (TKSE)
Heute streikten von ca. 10 bis 17 Uhr Tausende Stahlarbeiter in NRW selbständig gegen die Kahlschlagspläne von TKSE. In vielen Werken stand ein Großteil der Produktion, so in Duisburg, in Hagen oder Dortmund. In Gelsenkirchen fand im Werk eine kurzzeitige Betriebsratsinformation statt. Am Werk in Duisburg wurden alle Tore blockiert, auch eine Straße zeitweise blockiert. Vertrauensleute hatten das in die Hand genommen, vom Betriebsrat als "BR-Info" flankiert. Genossinnen und Genossen der MLPD waren vor Ort und warben für die Ausweitung des selbständigen Streiks.
Die Kampfaktion war von den IG-Metall-Vertrauensleuten beschlossen worden.
Heute zur Frühschicht rief die Kollegenzeitung Stahlkocher in einem Extra dazu auf:
„Es bestätigt sich, was der Stahlkocher seit Monaten vorhergesagt hat: Die Ausgliederung des Stahlbereichs von Thyssenkrupp wird ein brutaler Kahlschlag. Reduzierung der Jahrestonnage auf 5 Millionen Jahrestonnen. Dafür soll eine ganze Produktionslinie in Duisburg wegrasiert werden.
Zwei Hochöfen, ein Stahlwerk mit Stranggussanlage, ein Warmband- und ein Kaltwalzwerk weg. Zusätzlich Verkauf oder Schließung von HKM, Electrical Steel Gelsenkirchen, Rasselstein und Hoesch Hohenlimburg und Schließung von kleineren Standorten! Das sind 50 Prozent der Produktion und damit auch 50 Prozent der Arbeits- und Ausbildungsplätze. Das sind 13.500 Arbeitsplätze und an jedem hängen nochmal fünf. Das hinterlässt verbrannte Erde im Ruhrgebiet! (…)
Jetzt kommt es auf die Belegschaft an. Statt symbolische Aktionen muss es am Donnerstag, den 22. August, richtig knallen. An allen Autotoren gibt es mobile Betriebsratsbüros. Aber dann muss das Kind auch beim richtigen Namen genannt werden. Das ist ein Streik! Die Tore werden zugemacht, die Produktion muss stehen, keine Bramme wird gegossen, kein Ring gewalzt, nichts wird ausgeliefert! Und das alles nicht als Nadelstiche, sondern bis die Pläne vom Tisch sind! Das ist die einzige Sprache, die Lopez und Russwurm verstehen.
Die Belegschaft muss entscheiden – unbefristeter Streik, bis die Kahlschlagspläne vom Tisch sind!“. (...)
Selbständiger Streik bis die Vorstandspläne vom Tisch sind! Statt Schließung oder Verkauf von HKM: Wir sind eine Belegschaft! Zusammenhalt statt Spaltung!“. (...)
Von den Aktionen bei TKSE in Duisburg berichtet ein Korrespondent von Rote Fahne News: „Die meisten Tore sind blockiert, ein Teil der Anlagen steht, zum Teil wird auch noch produziert oder Reparaturaufträge gefahren. An Tor 7 ist gute Stimmung: Ein Kollege sagt: 'Das ist richtig, das zu machen, man muss kämpfen'. Es gibt immer wieder Durchsagen am offenen Mikro. Die Kollegen führen Abstimmungen durch, dass die Kollegen der Frühschicht bleiben und an die Mittagsschicht übergeben. Die Mittagsschicht ist ebenfalls eingetroffen und hat abgestimmt, die Torblockade bis 17 Uhr weiterzuführen“.
Von Tor 1 in Duisburg heißt es: "Es waren ca. 150 bis 200 Leute aus der Belegschaft versammelt. Die standen auf der Straße und blockierten dann ab ca. 10.30 Uhr den Durchgangsverkehr. Es kamen viele Azubis, auch Angestellte gesellten sich dazu. Neben unserer MLPD-Fahne waren noch vier weitere Fahnen von der DIDF zu sehen. Insgesamt war die Stimmung nachdenklich optimistisch. Alle spürten sichtlich, dass es jetzt um die Wurst geht und dass die Zeit von symbolischen Aktionen vorbei ist. Es war für die meisten, mit denen wir sprachen, klar, dass jetzt eine Schippe draufgelegt werden muss, dass die Pläne von López schon lange in der Schublade liegen, und dass man die Kollegen hinhalten wollte. Aber zugleich meinten viele doch noch, man müsse abwarten, was jetzt von der anderen Seite und von Verhandlungen kommen wird. Gut fanden einige, dass wir betonten, der Streik ist eine Waffe und darüber hinaus viel mehr. Marx hatte schon betont, dass die Arbeiter durch den Streik der Gesellschaft deutlich machen, wer die Gesellschaft am Laufen hält und welche Macht sie wirklich verkörpern. Die Arbeiter dürfen sich das Wort 'Streik' als angeblich negativ nicht vermiesen lassen, im Gegenteil, sondern mit Stolz dafür eintreten".
Ein Korrespondent aus Dortmund schreibt: „Pünktlich um 10 Uhr legten die Kolleginnen und Kollegen am Standort von TKSE in Dortmund bis auf eine alle Anlagen still. Sie trafen sich alle am Tor 1, wo sie von Betriebsräten und Vertretern der IG Metall empfangen wurden. Auch die MLPD und Kumpel für AUF waren sichtbar mit ihren Fahnen vertreten und überbrachten ihre Solidarität. Heißes Gesprächsthema waren die offenen Ankündigungen von Plänen des Thyssenkrupp-Vorstandes, die Kapazitäten und damit auch die Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp Stahl zu halbieren. Das wären gut rund 12.000 Arbeitsplätze. Dazu soll das Stahlwerk HKM mit 3000 Beschäftigten, ein Stahlwerk, eine Warmbreitbandstraße und weitere Hochöfen stillgelegt werden. Außerdem plant der Vorstand den Verkauf von drei Standorten. Darunter sollen Hagen-Hohenlimburg und Finnentrop sein. Also genau die Kahlschlagspläne, vor denen der Stahlkocher, die Zeitung von und für die Stahlarbeiter, und die Rote Fahne schon Anfang des Jahres gewarnt haben. …
In den Redebeiträgen der Vertreter des Aufsichtsrats, des Betriebsrats, der IG Metall und der anwesenden Politiker von SPD und Grünen war davon nicht die Rede. Im Gegenteil. Sie schossen sich alle auf den Vorstandsvorsitzenden Miguel Lopez ein, der 'keine Ahnung von Stahl' habe und den Stahlstandort Deutschland gefährde. Demgegenüber wurde der Vorstandsvorsitzende von TKSE … Osburg als 'der beste Stahlvorstand, den wir je hatten' und dessen 'Bussinessplan' gelobt. Der stellvertretende BR-Vorsitzende verstieg sich sogar zu der Aussage: 'Wir stehen voll hinter Osburg'.
Doch auch der Businessplan von Osburg sieht die Vernichtung Tausender Arbeitsplätze und Stilllegung von Anlagen vor. Darauf ging der Sprecher der MLPD-Betriebsgruppe, Gerd Pfisterer, in einem Redebeitrag ein, in dem er die solidarischen Grüße der MLPD-Betriebsgruppe überbrachte: 'Osburg und Lopez sind sich in einem einig: TKSE profitabel für die Aktionäre zu machen. Das geht nur auf Eure Kosten. Wie oft ist Euch schon versprochen worden, mit dem Abbau von diversen Arbeitsplätzen werden die anderen gesichert. Und wie lange hat das gehalten? Wir haben als Stahlarbeiter doch die Erfahrung gemacht, dass mit Sozialplänen die Arbeitsplatzvernichtung nicht aufgehalten werden kann. Sie regeln nur die Bedingungen. In Deutschland wird uns Arbeitern ein Streikrecht gegen Arbeitsplatzvernichtung verwehrt. Deshalb dürfen die IG Metall und der Betriebsrat auch nicht zum Streik gegen die Lopez-Pläne aufrufen. Wir haben kein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht! Die Unternehmer haben aber das grundgesetzlich garantierte Recht, Werke stillzulegen, uns auf die Straße zu setzen. Deshalb müssen wir uns das Recht zu streiken nehmen. So wie wir das in Rheinhausen 1988, die Bergleute 1997, die HSP-Belegschaft 1999 und die Opel-Belegschaft 2004 mit ihren selbständigen Streiks gemacht haben!
Ja, die Werke wurden irgendwann geschlossen. Aber lohnt es sich nicht, dafür zu kämpfen, wenn die Arbeitsplätze zehn oder 16 Jahre länger erhalten blieben? Dass die Werke irgendwann geschlossen werden, spricht nicht gegen den Kampf. Die Schlussfolgerung daraus kann doch nur sein: Wir brauchen eine grundsätzliche gesellschaftliche Alternative, wo die Produktionsmittel vergesellschaftet sind und die Ausbeutung abgeschafft ist.
Ich kann Euch versichern, dass die MLPD-Betriebsgruppe und die MLPD fest an Eurer Seite stehen im Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz!'".
Dass die Stahlarbeiter heute diesen selbständigen Streik organisiert haben, ist ein Erfolg gegen die Hinhaltetaktik des Vorstands, aber auch auf jeden reformistischen Abgesang auf den nötigen harten Kampf!
Verschiedentlich behaupteten heute Betriebsräte: „Das ist kein Streik!“ Aber was soll es denn anderes sein, wenn die Arbeiter die Produktion stilllegen? Sicherlich dürfen Betriebsräte und Gewerkschaft angesichts des kastrierten Streikrechts in Deutschland nicht zu einem Streik um Arbeitsplätze aufrufen. Die Deklaration als „Betriebsratsinformationen“ dient vor allem dem, dass verschiedene Reformisten die Kontrolle behalten wollen.
Der Streik ist auch ein Politikum. Immerhin sind die Kahlschlagspläne untrennbar verbunden mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Russwurm, dem Chef des mächtigsten Monopolverbands BDI.
Seine Doppelstimme im Aufsichtsrat drückte entgegen den Gepflogenheiten der sogenannten Montan-Mitbestimmung den Teilverkauf an Kretinsky durch. Im zwischenimperialistischen Konkurrenzkampf verfolgen die Monopole den Plan, die Hälfte der Stahlarbeitsplätze zu vernichten und einen höchst profitablen Stahlkonzern zu erhalten. Denn die Monopole haben ein Interesse am Erhalt einer nationalen Stahlbasis. Nicht nur als Grundstoff für die Umstellung der Energieerzeugung, die Autoindustrie und den Maschinenbau, sondern vor allem auch für die Rüstung.
In der Spätschicht in Duisburg gab es viele Diskussionen, um 17 Uhr nicht wieder an die Arbeit zu gehen. Einige Kollegen meinten: „Dann gehe ich eben nach Hause“, andere sagten: „Ich geh’ wieder an die Arbeit, das ist wieder Arbeitszeit“. Einzelne sagten: "Ja, das wäre genau richtig. Selbständiger Streik ist der richtige Weg. Wir hätten heute auch nicht mit Notbesetzung fahren dürfen, sondern das Werk komplett stilllegen müssen". Gegen 17 Uhr wurden an Tor 4 und 7 bei TKSE Duisburg verschiedene Vorschläge zur Fortsetzung des Streiks gemacht und Abstimmungen durchgeführt. Eine Minderheit war dafür, durchzuziehen, bis die Nachtschicht kommt. Die Mehrheit war noch nicht dafür, aber in einer weiteren Abstimmung haben alle die Hand dafür gehoben, dass der Kampf gegen das Programm von Russwurm und Lopez weitergehen muss. Wie, darum wird es in den nächsten Tagen gehen.
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