Betriebsversammlung VW Kassel

Betriebsversammlung VW Kassel

Kämpferische Absage an die Vorstandspläne

Die Betriebsversammlung (ca. 6000 Leute, überdurchschnittliche Beteiligung) bei VW Kassel-Baunatal am 4. September war eine kämpferische Absage an die Vorstandspläne von VW. Technikvorstand Thomas Schmall wurde minutenlang ausgepfiffen.

Von einem Korrespondenten
Kämpferische Absage an die Vorstandspläne
Leiharbeiter, Stammbelegschaft und Befristete schließen sich zusammen (2022 Baunatal; rf-foto)

Massenhaft rote Karten, Schilder und Transparente wurden gezeigt. „Hände weg von unserem Tarifvertrag“, „EVP - Ebit vor Profit“, „schämt euch“, „an uns kommt ihr nicht vorbei". Die IG-Metall-Führung hat tausende Karten mit „Managementfehlern“ verteilt. Der Kern bei den meisten Kollegen sowie seitens der Reformisten ist ein kämpferischer und drohender Appell an das Management, die Pläne zurückzuziehen. Bis auf wenige Ausnahmen gehen die Forderungen nicht über den Erhalt der Tarifverträge, die Wiederherstellung der Sozialpartnerschaft und Sparen bei Management und Vorstand hinaus.

 

Betriebsratschef Carsten Büchling und Oliver Dietzel, Bezirksbevollmächtigter der IG Metall, schlugen kämpferische Töne an, versprachen den Kampf um jeden Arbeitsplatz. Sie sprachen vom „Anfang des Widerstands“, was zwar eine kämpferische, aber eine defensive Ausrichtung ist. In einem Interview mit der Hessenschau orientierte Carsten Büchling auf eine kämpferische Tarifrunde und will damit alles auf die Tarifrunde in ein bis zwei Monaten verschieben. Das sagte er allerdings nicht auf der Betriebsversammlung.

 

Schmall vom Vorstand schlug voll in die Kerbe, die Arbeiter seien Kostenfaktoren. Sein Kernsatz bezog sich auf die Rendite: „Hier bekommen wir nicht mal die Hälfte von dem, was wir benötigen“. Mit "wir" kann er ja nur die Großaktionäre meinen. Das Ganze zeigt deutlich, dass es hier um den Erhalt und den Ausbau von Maximalprofiten geht. Er kündigte für Kassel die mögliche Vernichtung von einem Drittel der Arbeitsplätze an. Eine Besonderheit war die Anwesenheit des hessischen Wirtschaftsministers und weiterer Landespolitiker. Der Wirtschaftsminister sprach von Solidarität und orientierte auf Wiederherstellung der Sozialpartnerschaft.

 

Es sprachen mindestens 15 Kollegen. Leider fuhren die ersten Busse schon nach zwei Stunden wieder zurück. Viele Redner betonten ihre persönliche Betroffenheit, die Enttäuschung darüber, wie VW sich verhält. Selbstbewusst stellten viele Kollegen heraus, dass sie sich das nicht gefallen lassen werden. Es war eine offensive, drohende und selbstbewusste Stimmung in vielen Redebeiträgen. Ein Novum war, dass ein Entwickler sprach, also einer von den Angestellten. Die JAV wies selbstbewusst die Kündigung des Tarifvertrags zu den Azubis zurück und drohte mit Kampfaktionen der Jugend.

 

Ein Redner wies darauf hin, dass Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich Arbeitsplätze sichert und erhält. Lohnverzicht tut das nicht! Ein Redner formulierte positiv, dass jede Enttäuschung auch das Ende einer Täuschung ist und die Klassenzusammenarbeitspolitik eine jahrzehntelange Täuschung war. Er griff an, dass der Vorstand von Kostenfaktoren spricht und fragte: „Wenn wir Kostenfaktoren sind, warum hat VW nicht schon lange die Fabriken einfach ohne uns betrieben?“ Er zeigte die Perspektive eines konzernweiten Streiks und sagte: Stellt euch mal vor, was passieren würde, wenn sich ab morgen kein Rad mehr dreht in den angegriffenen Werken. Da könnten wir mal sehen wer am längeren Hebel sitzt.“ Beides gab guten Zwischenapplaus.

 

Ein Kollege forderte auf: „Bei vielen Werksschließungen war es leider lange zu früh, bis es dann zu spät war. Das darf uns nicht passieren. Ab sofort müssen wir uns jeden Tag und jede Woche was Neues einfallen lassen und uns steigern.“

 

Ein Kollege begann seinen Redebeitrag selbstbewusst: „Bisher hatte ich mich Samstag für die Mehrarbeit gemeldet. Jetzt sage ich: Ich werde Samstag nicht kommen. Ich fordere jeden auf, es genauso zu machen.“ Das wurde durch Applaus massenhaft unterstützt. Er warb auch für einen konzernweiten Aktionstag und prägte den Ausspruch: „Keine Getriebe, keine Profite“. Er warb für Trommeln nach der Versammlung auf der Fahrstraße und sagte: „Es kann ruhig auch noch ein bisschen länger dauern hier“. Er betonte die Einheit mit den Leiharbeitern.

 

Es gab kleinere selbstständige Elemente: Aus dem Supermarkt Halle drei zog ein kleiner Demonstrationszug mit Trommeln zum Versammlungsort. Die Trommelgruppe gab immer wieder kämpferische Zwischentöne. Nach der Versammlung verschaffte sie sich Durchgang durch eine Barriere des Werkschutzes und spielte noch ca. 20 Minuten auf der Fahrstraße vor dem Werk. Hier wurde auch ein offenes Mikrofon eröffnet, allerdings war das Megaphon sehr schlecht. Nachdem beim Spielen ein Trommelfell und ein Stock kaputt gegangen war, wurden bei einer Spendensammlung von zehn Kollegen 20,90 € für das Material der Trommelgruppe gesammelt. Anfangs hörten mindestens 150 Kolleginnen und Kollegen der Trommelgruppe und den kurzen Ansagen am Megaphon zu.

 

Eine Diskussion im Pausenraum gab es um selbständige Streiks. Die drei Kollegen fanden das richtig, wurden aber von einem anderen Kollegen „belehrt“, dass es eine Friedenspflicht gebe. Es gibt die Meinung von 10-20% von Kollegen, das Ganze sei von VW nur ein Getöse, um eine Nullrunde rauszuschlagen. Das wiesen wir zurück und betonten, dass das ernst zu nehmen sei. Aber es gibt doch eine Unterschätzung der Angriffe.