Brüssel
Solidaritätsdelegation zum nationalen Aktionstag: „L’industrie est à nous!“
Als wir von der Demo gegen die Schließung des Audi-Werks in Brüssel hörten, war klar: da fahren wir hin. Wir besprachen das in der Braunschweiger Gruppe der Internationalen Automobilarbeiterkoordinierung (IAC-Gruppe) und mehrere VW-Kollegen malten ein Transparent „Selbständiger Streik - alle Vorstandspläne weg“.
Darauf war auch eine Zeichnung, auf der sich Kollegen von VW, Audi und Thyssen für den Weg der Arbeitereinheit die Hände reichen. Für diesen Weg haben wir geworben und drei Kontakte gewonnen. Vor Ort trafen wir Kollegen der IAC-Gruppe Audi Heilbronn und von der MLPD.
Es war eine gewaltige Demo mit über 10.000 Beteiligten aller Industriezweige gegen die Schließung des Brüsseler Audiwerks mit 3000 Arbeitsplätzen und die Vernichtung von weiteren Arbeitsplätzen in vielen anderen Industriezweigen. Aus Solidarität streikte der gesamte Nahverkehr in Brüssel! Es gab ein riesiges Verkehrschaos und als wir schließlich ankamen, lief die Demo bereits. Weit vorn in der Demo sahen wir ein Transparent: „Wir sind Stahl – Wir sind Bremen“. Offensichtlich entwickelt sich das Bewusstsein, dass wir über Konzern- und Ländergrenzen hinweg kämpfen müssen.
Die Audi-Werksleitung hatte mit dem Stopp der Lohnzahlungen reagiert und verschiedene Kräfte hatten versucht, die Protestaktion abzusagen, bei der auch Arbeiter in anderen Betrieben zum Streik aufgerufen worden waren. Die Demonstration gegen die geplante Werksschließung Ende des Jahres wurde organisiert von der christlichen Gewerkschaft ACV, der sozialistischen Gewerkschaft ABVV, dem Gewerkschaftsbund FGTB. Es laufen Verhandlungen über die Wiederaufnahme der Arbeit im Audi-Werk.
Die Demoblöcke waren nach den politischen Richtungsgewerkschaften organisiert. Dadurch verteilten sich die Audi-Kollegen über die ganze Demo und traten nicht als einheitlicher Block auf. In Gesprächen mit Kollegen begegnete uns häufiger die Haltung, das Audi-Werk sei verloren, aber sie wollen nicht kampflos weichen. Wir gewannen aber einen Kontakt, der genau richtig findet, dass der Streik im Werk nur der erste Schritt ist und dass wir weltweite gemeinsame Streiks gegen den VW-Vorstand brauchen.
Bereits um 12.30 Uhr war alles vorbei! Der Platz der Abschlusskundgebung leerte sich schnell und wurde von der Polizei abgesperrt. Wir entschieden uns, den Streikposten zu besuchen. Am Werk angekommen trafen wir auf 20 Kollegen von AutoVision, Rhenus, Imperial und weiteren Firmen. Sie waren hocherfreut über unseren Besuch und wir brachten ihnen Essen mit. Eine Kollegin erzählte uns, dass nach dem Beginn des Streiks am 4. September die Stammwerker von den Gewerkschaftsführungen einfach nach Hause geschickt worden seien Ob das stimmt, konnten wir nicht herausfinden. Bis heute läuft jedenfalls keine Produktion. Nur die Werkverträgler machen weiterhin selbstständige Streikposten.
Ein deutschsprachiger Kollege berichtete uns, wie der Streik am 4. September losging. Zuerst schmissen die Kollegen des Karobaus die Brocken hin. Von da griff er auf die Lackiererei und dann die Montage über. Er übersetzte auch für uns, wer wir sind und warum wir für die Internationale Automobilarbeiterkoordinierung Werbung machen.
Er erzählte, dass die Werkverträgler für sich die gleichen Rechte fordern wie die Audi-Kollegen. Neben ihren schlechteren Tarifen gäbe es aber auch eine Spaltung, dass die Werkverträgler von rückschrittlichen Stammwerkern herablassend behandelt werden. Er unterstützte die Forderungen: Eine Belegschaft, ein Tarifvertrag und 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, statt Arbeitsplatzvernichtung. Das Buch über den 10-jährigen Kampf bei Opel Bochum „Was bleibt …“ hat ihn interessiert. Wir sagten ihm, dass wir Arbeiter im Kapitalismus nicht jede Werksschließung verhindern können. Aber wir bleiben Arbeiter und bringen unsere Kampferfahrungen im nächsten Betrieb ein. Das fand er richtig, da er hier hauptsächlich für die nachkommenden Generationen steht. Er selbst ist in zwei Jahren Rentner. Er fragte direkt, ob er das Buch als PDF haben kann, weil er wegen des Streiks kein Geld hat. Wir haben die Kollegen zum 5. Oktober nach Bochum eingeladen.