Unsere Plakate hängen zu hoch
Briefwechsel aus dem Landtagswahlkampf Thüringen
Die Rote Fahne Redaktion dokumentiert einen Briefwechsel aus dem Landtagswahlkampf Thüringen mit einem Leser aus St. Goar:
Der Leser schrieb an die MLPD:
Liebe Genoss/innen, ich habe mit Absicht eine provokante Überschrift gewählt, weil ihr mit dieser alleine nichts anfangen könnt, denn es geht hier nicht um die physische Höhe der Plakate an Bäumen, Lichtmasten oder dergleichen, auch nicht um deren Textur, sondern um deren Inhalt.
Als es bei der letzten Wahl um die Auswahl der Motive samt deren Aussage ging, waren wir alle (so denke ich doch) mit diesen beiden Fakten einverstanden – der Text war passend zum Bild wie auch umgekehrt. So ergab dieses 1 + 1 = 1 Denken, das wir genauso dachten. Wir ergaben uns unserem eigenen Trugschluss hin!
Ich komme aus einer Flächenregion, das heißt, dass hier mehr einfache Menschen als Akademiker wohnen, Arbeiter, die sich morgens auf dem Weg zur Arbeit mit Begriffen wie „Kapitalismus, Imperialismus, Sozialismus usw.“ auseinandersetzen sollen. Die Fahrt zur Arbeit, die Arbeit von der Zeit her gesehen, eventuelle familiäre Probleme usw. begleiten uns den ganzen Tag. Und dann noch abends das Fremdwörterbuch aufschlagen, um Begriffe aufzuspüren, die uns nie betrafen (so glaubt zumindest die Überzahl der Arbeiterinnen und Arbeiter). Und welcher Rentner kennt die Rentenberechnung, nach welcher er sein Gnadenbrot erhält? Welche Eltern die Zusammensetzung der Beträge, die Ihnen real zustehen?
Ja, es liegt am Monopolkapital, an einer imperialistischen Wirtschaftsform, getragen von einer kapitalistischen Regierung! Und wir lassen es uns gefallen!!! Aber ist dies unumstößlich? Nein, nein und nochmals nein!
Warum können wir die Texte unserer Plakate nicht in normaler Sprache verfassen? Schon Stalin setzte sich in seiner Schrift „Marxismus und Fragen der Sprachwissenschaft“ mit dieser Thematik auseinander.
Wir wollen die „Leser“ der Plakate wie auch der Flyer zum Lesen bringen, in einfachen Worten, die auch sie jeden Tag sprechen und keine politisierten Texte, die man oftmals erst innerlich verdauen muss, um sie zu verstehen, denn bis dahin kommt bereits der nächste Flyer, die nächste Rote Fahne, usw.
Hier die Antwort der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der MLPD:
... Vielen Dank für deine Hinweise und Überlegungen zu unserem Sprachgebrauch. Gerade jetzt, in der Wahlkampagne in Thüringen, ist es wichtig unsere Argumente inhaltlich und sprachlich zu verbessern, um auf die Denkweise der Massen erfolgreich Einfluss nehmen zu können. Ein guter Inhalt zündet nur, wenn die Leute ihn verstehen. Populäre Agitation und Propaganda auf Grundlage der Lehre von der Denkweise wird auch ein wichtiges Thema im RW 40.
Im Allgemeinen hast du auf alle Fälle recht, dass die Partei in ihrer Agitation und Propaganda mehr auf eine verständliche Sprache achten muss, ohne dabei inhaltlich abzuflachen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Reden von Stefan Engel auf den Montagsdemos, in welchen er es gut versteht, komplizierte Zusammenhänge in einfachen Worten zu erklären. Immer vor Augen, zu wem er spricht. Das müssen wir uns alle in Schriftform und mündlich mehr zu Herzen nehmen. Mit dem Wahlkampfauftakt ... in Gera haben wir auch begonnen, das weiter zu trainieren. Dazu gehört, unsere Personen voll auszuspielen, die Dinge ja verkörpern. Ein Gleisbauer als Spitzenkandidat bringt ja verständlich auf den Punkt, was Arbeiterpartei für uns heißt.
Die sprichst explizit unsere Plakate an. Dabei ist uns allerdings nicht klar, auf welches genau du dich mit deiner Kritik beziehst. Das wäre aber hilfreich, um die Auseinandersetzung konkreter führen zu können. Tatsächlich enthalten die Plakate zur Thüringenwahl nur zwei wissenschaftliche Begriffe (Faschismus und echter Sozialismus), die vielleicht nicht für jeden auf Anhieb in ihrer ganzen Tragweite verständlich sind. Wobei natürlich die besondere Funktion eines Plakates ja gerade darin besteht, eine Auseinandersetzung um diese Begriffe anzuregen. Oder hast du andere konkrete Kritiken an den Losungen? Vielleicht kannst du uns nochmal dazu schreiben, worauf sich genau deine Überlegungen beziehen.